Hammer And Iron Festival 2023

21. Januar 2023

Essen, Turock

JAG PANZER , ATTIC, TITAN FORCE, SAVAGE MASTER, GREYHAWK, IRON COBRA, NIGHTFYER

Das Festivaljahr startet 2023 bereits im Januar mit einem richtigen Kracher, “Hammer And Iron 2: The Return Of The Tyrant“. Das KIT-Team um Oli Weinsheimer lĂ€dt diesmal allerdings nicht nach Lauda-Königshofen oder WĂŒrzburg ein, sondern ins Epizentrum teutonischen Stahls, den Ruhrpott. Das Turock ist zum zweiten Mal Schauplatz des kleinen KIT-Bruders. Mit seiner Lage im Herzen Essens, gleich neben anderen Clubs, wie dem Cafe Nord und dem No Panic und in unmittelbarer NĂ€he vieler Restaurants und PlattenlĂ€den, ist der Laden immer eine Reise wert. Also frĂŒh genug losgefahren und noch bei Yeah Records reingeschaut, wo sich viele bekannte Gesichter schon mittags zum Shoppen und Fachsimpeln treffen.

So sind die großen Taschen meiner Bundeswehrjacke schon prall gefĂŒllt mit CDs, als ich gegen drei Uhr rĂŒber zum Turock schlendere, um dort schnell und unkompliziert eingelassen zu werden. Die Zeiten von Impfnachweis und Maskenpflicht sind halt glĂŒcklicherweise vorbei. Kaum hat man erste alte Bekannte begrĂŒĂŸt, stehen auch schon NIGHTFYER auf der BĂŒhne. Obschon die Halle zu dieser frĂŒhen Stunde noch nicht ganz so gut gefĂŒllt ist, sind die Jungspunde aus MĂŒnster sichtlich beeindruckt von der Kulisse und haben mĂ€chtig Spaß in den Backen, wie man den Ansagen von SĂ€nger/Gitarrist David entnehmen und an ihren Gesichtern ablesen kann. Die Jungs machen ihre Sache ganz ordentlich, was ihren unspektakulĂ€ren Allerwelts-Metal aber nicht interessanter macht. Sound und Lichtshow sind so professionell wie man es in einem Club erwartet, in dem jede Woche mehrere Shows stattfinden. Die Vorfreude auf den weiteren Verlauf des Tages steigt


 


und wird am Merch-Stand die Treppe rauf noch gesteigert. Als Erstes treffe ich dort nÀmlich Jag Panzer Mastermind Mark Briody, mit dem bereits im

Savage Master

Vorfeld ein Interview vereinbart wurde. Wir quatschen ein bisschen und beschließen das Ganze offiziell Backstage weiterzufĂŒhren. Dort stĂ¶ĂŸt noch Drummer Rikard Sternquist zu uns und wir unterhalten uns mehr als eine Stunde lang ĂŒber Gott, die Welt, Metal und natĂŒrlich das neue Album „The Hallowed“. Ohne an dieser Stelle zu viel zu verraten, kann ich sagen, dass am 23. Juni ein großartiges Konzeptalbum auf uns zukommt und dass die beiden Herren zu den nettesten, witzigsten und großzĂŒgigsten Menschen in der Metal-Szene ĂŒberhaupt gehören. Durch das lange GesprĂ€ch verpasse ich IRON KOBRA leider komplett und kriege auch von GREYHAWK nicht mehr viel mit. Letztgenannte erregen mit ihrem sauber vorgetragenen US-Power Metal und ihrer kunstvoll geschminkten Gitarristin trotz akuten Kohldampfs mein Interesse, bevor ich mich mit letzter Kraft zum Abendessen schleppe.

Es kommt, wie es kommen muss. So ein Mahl in netter und unterhaltsamer Gesellschaft dauert etwas lÀnger, so dass es schon fast sieben Uhr ist, als

wir wieder vor Ort sind. SAVAGE MASTER sind da bereits voll in ihrem Element und vor allem Frontfrau Stacey Savage gibt – bis an die ZĂ€hne bewaffnet – alles. Dies kann freilich nicht ĂŒber die durchschnittliche QualitĂ€t der Band hinwegtĂ€uschen, an deren Performance mich am meisten beeindruckt, dass die Musiker bei den mittlerweile Sauna-artigen Temperaturen (Zumindest fĂŒhlt es sich in meiner dicken Jacke so an.) mit SĂ€cken ĂŒber ihren Köpfen wild auf der BĂŒhne umherturnen. Fakt ist, dass an diesem Tag eigentlich alle auf die beiden US-Metal-Institutionen aus Colorado warten und der Rest des Billings, so auch ATTIC – die wohl nur auf die vorletzte Position gerutscht sind, damit Harry Conklin zwischen seinen beiden Auftritten mal durchatmen kann – eigentlich nur schmĂŒckendes Beiwerk darstellen. Damit will ich den King Diamond-Verehrern und den anderen Bands keinesfalls zu nahetreten und bedanke mich ausdrĂŒcklich fĂŒr das kurzweilige Rahmenprogramm, konzentriere mich ab hier allerdings auf das Wesentliche: Jag Panzer und



TITAN FORCE! Ich werde nie den Auftritt dieser USM-Legende als Support von Anvil 1991 in Offenbach vergessen, den ich auf jeden Fall zu meinen Top 10-Konzerterlebnissen zĂ€hlen wĂŒrde. Klar sind seitdem ĂŒber 30 Jahre vergangen und wir sind alle nicht jĂŒnger geworden, aber wahrer Klasse und Leidenschaft kann der Zahn der Zeit nun mal nichts anhaben. Entsprechend habe ich mĂ€chtig Flugzeuge im Bauch als die vier Herren aus Colorado Springs mit ihrem Wahl-Griechen am Mikro die BĂŒhne entern. ZunĂ€chst einmal ist es toll, die drei Flores-BrĂŒder wieder gemeinsam auf der BĂŒhne zu sehen und zu hören. Als ĂŒberraschend empfinde ich den Einstieg mit ‚Too Late‘ vom ersten TITAN-Demo, als die Jungs noch als Trio aktiv waren und das entsprechend von John Flores gesungen wird. Stefan an der Schießbude und Gitarrist Mario, flankiert von Steve Langemo an der zweiten Gitarre, vervollstĂ€ndigen die erste Truppe, die am heutigen Abend die RĂŒckkehr des Tyrant musikalisch begleitet. Was danach folgt ist ein einziger Triumphzug durch zwei der besten Metal-Alben ever: ‚Small Price To Pay‘, ‚Shadow Of A Promise‘, ‚Fool On The Run‘, ‚New Age Rebels‘, ‚Blaze Of Glory‘ und am Schluss das göttliche Doppel ‚Master Of Disguise‘/ ‚Chase Your Dreams‘. Das Publikum geht so steil, dass Mario Flores immer wieder sein Handy zĂŒckt, um die jubelnde Menge zu filmen. Doch das Quintett ruht sich nicht auf seinen Lorbeeren aus, sondern prĂ€sentieren mit ‚Only The Strong‘ einen brandneuen Song, der die typische TITAN FORCE-Handschrift trĂ€gt (Diese Gitarren, dieser Gesang, AAAHHHH!!!!!) und hoffentlich der Vorbote eines in BĂ€lde erscheinenden dritten Longplayers ist. In dieser Form erwartet uns nicht Geringeres als das Album des Jahrtausends.

Attic

Und was soll jetzt noch kommen? Laut Zeitplan Attic, aber wie oben erwĂ€hnt, spielen die Gelsenkirchener heute allenfalls eine Nebenrolle. Vielmehr wartet man gespannt auf den Headliner des heutigen Tages und spekuliert, wie die Setlist wohl aussehen wird. Da ich vorher mit Mark und Rikard auch darĂŒber gesprochen habe, weiß ich ziemlich genau, was uns erwartet. Zwar wurde das Ganze als old-school Set angekĂŒndigt, aber da JAG PANZER gerade in den ersten 20 Jahren ihres Bestehens besonders kreativ waren, fĂ€llt fast ihr gesamter Backkatalog darunter. Das macht aber gar nichts, denn neben dem wohl besten US-Metal-Album aller Zeiten „Ample Destruction“ hat der Jagdpanzer so viele Klassiker veröffentlicht, dass man locker ein paar Tage durchspielen könnte. Dementsprechend jagt ein Höhepunkt den nĂ€chsten, wobei vor allem die Songs von „The Fourth Judgement“ (‚Black‘ und ‚Shadow Thief‘) sowie das stimmungsvolle Charles O’Neill-Cover ‚Foggy Dew‘, welches von Leadgitarrist Ken Rodarte gesungen wird, fĂŒr BegeisterungsstĂŒrme sorgen. Überhaupt ist Ken genau der richtige Mann am richtigen Platz und ist mittlerweile nicht umsonst vom Live-Gitarristen zum festen Bandmitglied befördert worden. Rikard ist wie gewohnt das RĂŒckgrat der Band und versteht sich blind mit Live-Basser Aric Avina, der wie immer fĂŒr John Tetley einspringt, da dieser gesundheitlich einfach nicht mehr in der Lage ist, live aufzutreten. Das Hauptaugenmerk gilt jedoch den beiden BandgrĂŒndern Mark und Harry, die sich diesmal besonders jovial prĂ€sentieren und die ein oder andere Anekdote aus der Bandgeschichte zum Besten geben, wie zum Beispiel die Entstehung des Songtitels vom heutigen Opener „Metal Melts The Ice“, was fĂŒr mĂ€chtig GelĂ€chter sorgt. NatĂŒrlich sind die fĂŒnf StĂŒcke von „Ample Destruction“, inklusive meiner persönlichen Faves ‚Harder Than Steel‘ und ‚The Watching‘, heute wieder einmal unschlagbar, aber damit mĂŒssen und können diese Herren auch leben. Das Ganze mutet jedenfalls wie eine Zeitreise durch vier Jahrzehnte edelsten Stahls an, an deren Ende man sich kneifen muss, um wieder im Hier und Jetzt anzukommen.

Jag Panzer

Die RealitĂ€t holt mich dann leider spĂ€testens auf der nĂ€chtlichen, zweieinhalbstĂŒndigen Heimfahrt ein, als im heimischen HunsrĂŒck plötzlich ein Schneesturm tobt und selbst die Autobahn nur noch schwer befahrbar ist. Ich summe leise „You know it`s over, when the metal melts the ice“ vor mich hin und lenke meinen Wagen vorsichtig ĂŒber die vereiste Schneedecke. Gott sei Dank komme ich wohlbehalten daheim an, damit ich euch allen von diesem tollen Festivaltag berichten kann. Leider war dies wohl das letzte „Hammer And Iron“ dieser Art in Essen, aber wir sehen uns sicher wieder in Lauda oder WĂŒrzburg fĂŒr einen Nachschlag. Bis dahin denkt dran: NO MERCY, NO MERCY, NO MERCY!

Text: Alex FĂ€hnrich

 

Titelbild: Dennis Hedzet

Fotos: Dirk „Freddy“ Fredrichsdorf