GERMAN  SWORDBROTHERS Festival 2023

ATLANTEAN KODEX – STORMBURNER – OLD MOTHER HELL – CROM – SERVANTS TO THE TIDE – SKYCONQUERER

11. März 2023

Lünen, Lükaz

Ach, was waren das Zeiten, als das gute, alte „Swordbrothers“ noch in heimischen Gefilden stattfand und der liebe Volker Raabe Kultbands wie Exxplorer und Konsorten nach Andernach brachte. Schon seit Jahren findet das „German Swordbrothers“ nun aber im westfälischen Lünen statt und wenn der Prophet nicht mehr zum Berg kommt, kommt halt der Berg zum Propheten. Also mache ich mich am späten Morgen des 11. März vom Hunsrück auf den Weg in den Westerwald, um mich mit meinem Kumpel Roland zu treffen und von dort weiter gen Norden zu fahren. Wir kommen super durch und erreichen unseren Zielort früher als gedacht. Der große Parkplatz direkt gegenüber dem Lüner Kultur- und Aktionszentrum, kurz Lükaz, ist echt praktisch und vor der Halle hat die mobile Frittenbude schon ihren Betrieb aufgenommen. Wir treffen gleich ein paar nette Leute, u.a. Markus Bohn, der gerade selbst sein „Full Metal Osthessen“-Festival erfolgreich ausgerichtet hat, und vertreiben uns so die Zeit bis zum Einlass mit munterem Gequatsche.

Als sich die Pforten zum Lükaz öffnen, staune ich nicht schlecht über die modernen und großzügigen Räumlichkeiten, die sich im Laufe des Tages als perfekte Festival-Location entpuppen sollen. Im Foyer ist bereits der Merchstand aufgebaut und kein Geringerer als „de Beckä“ himself bietet exklusive Kodex-Leibchen feil. Im kurzen Smalltalk frotzeln wir noch über Markus` Multi-Tasking-Fähigkeiten, da er die Band wohl auch höchstselbst vom Vortagsgig in Berlin nach Lünen chauffiert hat. So einen Frontmann wünscht sich wohl jede Band, aber ganz bestimmt noch viel mehr nach der unglaublichen Performance, die er später mit Atlantean Kodex auf die Bretter legen wird. Bis dahin gilt es allerdings noch ein paar Stündchen zu überbrücken und da kommt, vor Beginn des musikalischen Rahmenprogramms, der Metal-Market genau richtig. Hier bieten mit Dirk ‚Else‘ Niggemann und Dirk ‚PS-Metal‘ Lellwitz, zwei gute, alte Bekannte allerlei Merch und Tonträger zu fairen Preisen an.

 

SKYCONQUERER

Zwar könnte ich stundenlang mit den beiden Dirks abhängen und tue dies im Laufe des Abends auch, aber in erster Linie bin ich ja heute wegen der sechs Bands da und von denen eröffnen SKYCONQUERER das Festival mit einer recht eigenwilligen Melange aus Heavy, Power und Thrash Metal. Der musikalische Nährwert ist nicht sonderlich hoch, aber die Münsteraner sind mit sichtlich Spaß bei der Sache und das ist gerade für einen Opener die Hauptsache. Sänger Demondawn (Ja, die haben alle so lustige Künstlernamen.) scheut sich auch nicht vor dem Publikum, welches von Beginn an absolut gut drauf ist und der Truppe mehr als nur Höflichkeitsapplaus entgegenbringt.

SERVANTS TO THE TIDE

Bei den folgenden SERVANTS TO THE TIDE merkt man sogar, dass sie eine ganze Schar Fans nach Lünen mitgebracht haben, denn die Epic Doomster werden mit offenen Armen und Ohren empfangen. Außerdem haben sie einige bockstarke Songs von ihrem selbstbetitelten Debütalbum im Gepäck, auf die auch ich mich sehr gefreut habe. Leider merkt man der Truppe an, dass man in dieser Formation noch nicht lange gemeinsam musiziert. Vor allem Leadgitarristin Katharina greift ein paarmal kräftig daneben, aber das passiert zu Anfang selbst den Besten, wovon sogar Coralie von AK auch ein Liedchen singen kann und guckt sie euch heute an…dazu jedoch später mehr…. Insgesamt war das ein guter Auftritt, der von ‚Returning From Miklagard‘ eingeleitet und von ‚North Sea‘ abgeschlossen wurde. Dazwischen gab es u.a. ein cooles Warning-Cover (‚Footprints‘). Vor allem Bandleader Leonid Rubinstein an der Gitarre und Frontmann Stephan Wehrbein mit kultigem Pharaoh-Shirt (RIP Tim Aymar!) hatten sichtlich Spaß, dass sie vom fachkundigen Swordbrothers-Publikum so positiv aufgenommen wurden.

CROM

Gleichwohl ist bei den folgenden CROM ein Quantensprung in Sachen Musikalität und Professionalität zu verzeichnen. Kein Wunder sind die Landshuter um Bandleader Walter Grosse doch schon seit über 25 Jahren im Geschäft. Lange als One-Man-Show unterwegs hat Grosse mittlerweile feste Mitstreiter gefunden, die CROM zu einer gestandenen Liveband reifen ließen. Vor allem Leadgitarrist Stefan Peyerl sieht nicht nur aus wie Michael Wilton von Queensryche, sondern beherrscht auch noch sein Instrument fast genauso gut. Mit „The Era OF Darkness“ haben die Bayern zu Beginn des Jahres ihren vierten Longplayer veröffentlicht, von dem sie heute neben dem Titelstück noch ‚Into The Glory Land‘ und ‚Together We Ride‘ bringen. Der Rest des Sets besteht aus alten Nummern, wobei mein persönliches Lieblingsalbum „Of Love And Death“ leider nicht ausreichend zum Zuge kommt. Da CROM bislang nicht allzu häufig live zu bewundern war, hat man das Gefühl bei etwas ganz Besonderem dabei zu sein und ich werde ein wenig melancholisch, weil mein guter Freund Heiko, der die Band so liebt, heute wegen Krankheit nicht dabei sein kann. Wer diesen Auftritt noch verpasst hat, kann das am 16. September nachholen, wenn die Band im Rahmen des „Heavy Metal Fans“-Festivals in Siegen spielen wird.

OLD MOTHER HELL

Auf die Show von OLD MOTHER HELL habe ich mich heute ganz besonders gefreut. Das hat mehrere Gründe: Erstens bin ich ein großer Fan der Mannheimer Heavy Doomster. Zweitens ist Bassist und Bandgründer Ronny Senft einer der nettesten Typen überhaupt. Und drittens steht mit Kevin Portz neuerdings ein weiterer Sympathieträger am Mikro. Nach dem Weggang von Sänger/Gitarrist Bernd Wener gab es insgesamt einen kompletten, personellen Umbruch, so dass mit Frank Herbold (Gitarre) und Marco Hauser (Drums) noch zwei neue Mitglieder an Bord sind. Klar, dass sich die eingefleischten Fans erstmal daran gewöhnen müssen, gerade an den neuen Sänger. Doch Kevin macht seine Sache ganz hervorragend und wirkt in seiner neuen Rolle, die sich doch sehr von seiner anderen Band Gravety unterscheidet, ausgesprochen authentisch. Ronny und Frank haben an seiner Seite sichtlich Freude und hämmern mit Marco an der Schießbude jeweils vier Kracher ihrer beiden bisherigen Alben in die Menge. Vor allem die Bandhymne ‚Old Mother Hell‘ ist dabei Gänsehaut pur. Mit dem neuen Line-up ist der Spaß zurück in die Band gekehrt und wir alle werden in dieser Form noch ganz viel Spaß mit OLD MOTHER HELL haben.

STORMBURNER

Nach diesem kleinen Triumphzug wirken STORMBURNER ein wenig deplatziert. Wohl als einzige internationale Band, mit nur einem Album, auf die Stelle des Co-Headliners gerückt, können die Schweden zu keinem Zeitpunkt das wirklich wohlwollende Fachpublikum auf ihre Seite bringen. Vor allem Sänger Micke Stark stellt sich irgendwie völlig ungeschickt an. Teilweise kann man ihn kaum hören, weil er ständig das Mikro zu weit weghält, bis der Soundmann ihm endlich einen Wink mit dem Zaunpfahl gibt. Auch seine Kommunikation mit den Zuschauern wirkt recht ungelenk und seine Mitmusiker können den Funken leider auch nicht wirklich überspringen lassen. Man wird das Gefühl nicht los, dass die Stockholmer sich für „die westfälische Provinz“ ein wenig zu schade sind und das fühlt gerade ein Underground-Publikum natürlich. Vielleicht haben die Jungs auch nur versucht, so ihre eigene Unsicherheit zu überspielen. Im Endeffekt spielen sie auf diese Weise das Lükaz aber unfreiwillig ein wenig leer.

 

ATLANTEAN KODEX

Nach diesem kleinen Downer wächst die Vorfreude auf ATLANTEAN KODEX bis ins Unermessliche. Ich selbst und viele der Anwesenden haben den Kodex schon häufig live erlebt, so dass man zu wissen glaubt, was einen erwartet, als das gewohnte Intro ‚The Alpha And The Occident‘ erklingt. Mit ‚People Of The Moon‘ und ‚Lion Of Chaldea‘ folgt das erwartete Anfangsduo von „The Course Of Empire“ und man spürt unmittelbar die einzigartige Energie, die heute zwischen Band und Publikum herrscht. Die Herrschaften (und die Damenschaft) sind mega gut aufgelegt, selbst Manuel Trummer scheint zuweilen ein wenig zu lächeln. An der zweiten Gitarre ist Coralie mittlerweile nicht mehr wegzudenken. Ich kann mich noch gut an ihre etwas wacklige, erste Performance beim „Hammer Of Doom“ erinnern, als sie neu in der Band war. Jetzt spielt sie nicht nur völlig fehlerfrei, sondern hat eine ganz starke Ausstrahlung, die lediglich durch Herrn Becker überstrahlt wird. Dieser legt heuer den mit Abstand besten Auftritt hin, den ich je von ihm und auch von irgendeinem anderen deutschen Sänger erlebt habe. Da wird jede Textzeile aus tiefster Seele und Überzeugung intoniert und mit ausdrucksstarker Gestik untermalt. Dazwischen nutzt Markus seine zurückgewonnene Matte zum wilden Headbangen und lässt im Umgang mit der Menge seinen Charme spielen. Da wirkt nichts aufgesetzt, sondern absolut natürlich. Nach ‚A Prophet In The Forest‘ und zwei weiteren „TCOE“-Hymnen, von denen ‚Chariots‘ mal wieder heraussticht, lässt der sympathische Frontmann seiner Begeisterung freien Lauf und spricht von einem der besten Auftritte des Kodex überhaupt. Wie verdammt Recht er hat! Denn dann steigern sich Band und Menge in einen wahren Rausch, in dem jeder Ton und jedes Wort sich wie ein einziger O(h)rgasmus anfühlt. Es folgt das Beste, was ATLANTEAN KODEX zu bieten hat und zwar in so leidenschaftlicher Form, wie ich es bislang noch nicht erlebt habe: ‚Heresiarch‘ (Laut Becker der momentane Lieblingssong der Band von „The White Goddess“.), ‚Sol Invictus‘ (Alle Fäuste sind gen Decke gestreckt.), ‚Twelve Stars And An Azure Gown‘ (Es gibt einfach nichts Besseres!), ‚The Atlantean Kodex‘ (Die Bandhymne darf natürlich nicht fehlen.) und ‚The Course Of Empire‘ (Der Kreis zum Anfang schließt sich.). Zurück bleiben ein unbeschreibliches Glücksgefühl und die Gewissheit heute Teil etwas ganz Großen gewesen zu sein.

Dementsprechend beseelt machen wir uns auf den Nachhauseweg. Die Rückfahrt zieht sich wie Kaugummi und als ich um halb vier endlich in meinem Bettchen liege, bin ich schlagkaputt, aber immer noch voller Endorphine von einem beeindruckenden Festivalerlebnis. Vielen Dank an alle, die dazu beigetragen haben, insbesondere Volker Raabe, Christian Ernsting und dem gesamten Lükaz-Team. Ich freue mich schon aufs nächste Mal!

Text: Alex Fähnrich

Fotos: Roland Wohde