10. FULLMETAL OSTHESSEN 2023
03.-04. MĂ€rz 2023
Niederaula/Niederjossa, DGH
Nach zweijÀhriger COVID-bedingter Zwangspause konnte am ersten MÀrzwochenende 2023 endlich die 10. JubilÀumsausgabe des kleinen, aber feinen FullMetal Osthessen Festivals im beschaulichen Niederaula (zwischen Fulda und Kassel) steigen. Veranstaltet wird das FullMetal Osthessen (kurz FMO) von den lokalen Metalheads des Cross Music e.V., die immer sehr viel Herzblut, Zeit und Energie in das Festival stecken und dabei vor allem auch viel (Underground-)Szenekenntnisse mitbringen.
Man kann nicht wirklich behaupten, dass die Bandauswahl aufgrund kommerzieller Gesichtspunkte oder quantitativer Kriterien wie „Likes“ oder „Clicks“ getroffen wird. Vielmehr bemĂŒht sich das Team von Cross Music e.V bemerkenswert darum, sowohl Ă€lteren als auch neueren Bands eine Plattform zu geben, die musikalisch absolut ĂŒberzeugen können, aber eben kein einflussreiches Plattenlabel im RĂŒcken und/oder nur wenig Zeit und Geld fĂŒr umfangreiche Tourneen haben.
Das Schöne dabei ist: Es funktioniert! WĂ€hrend man spĂ€testens seit Corona leider immer hĂ€ufiger von gecancelten Konzerten, Tourneen oder gar Festivals hört, erfreut sich das FullMetal Osthessen glĂŒcklicherweise (noch) bester Gesundheit. Der Kartenvorverkauf lief besser denn je und an beiden Festivaltagen konnte man ĂŒber 250 zahlende Besucher verzeichnen. Denn fĂŒr viele – seit Jahren schon aus allen Ecken Deutschlands kommenden – Metalfans ist das FullMetal Osthessen mittlerweile schon ein kleines Familientreffen.
Von den 15 aufgefahrenen Bands kannte ich persönlich gerade mal fĂŒnf von frĂŒheren Live-Auftritten und drei weitere aus der Konserve. Und gerade das ist das Schöne am FullMetal Osthessen: Selbst viele eingefleischte Metalheads lernen bei diesem Festival doch immer wieder neue (bzw. auch alte) Bands kennen, die man eben nicht zwingend von zig anderen Festivals her kennt oder stĂ€ndig und ĂŒberall auf Tour sieht.
FullMetal Osthessen – Freitag, 03. MĂ€rz 2023
Contradiction, Dark Zodiak, Freakings, Refore, Hellforce, First Damage
Traditionell wird am FullMetal-Freitag im DGH Niederjossa, so der Name der Location, eher die harte Kante – sprich Thrash- und Death-Metal – aufgefahren, wĂ€hrend der Samstag meist voll auf traditonellen bis progressiven Heavy und Powermetal geeicht ist.
First Damage
Der Job des (Festival-)Openers ist immer eine kleine Lotterie: Von „alle haben Bock“ bis hin zu absoluter Ignoranz ist alles drin. Die aus dem nĂ€heren Umland – offiziell Philippstal (Werra) – kommenden Opener FIRST DAMAGE haben GlĂŒck und eröffnen ihr Set pĂŒnktlich um 19 Uhr vor einer bereits gut gefĂŒllten und gelaunten Halle. Offenbar konnte die Band auch einige Fans aus dem eigenen Freundes- und Bekanntenkreis aktivieren und wird ihrer Rolle des „lokalen Openers“ somit mehr als gerecht.
Als einzige Band des Abends spielen FIRST DAMAGE, die erst im Herbst 2022 ihre erste EP veröffentlicht haben, „nur“ normalen Traditionsmetal mit einigen Hardrock-Anleihen. Da ich selbst anfangs noch mehr mit persönlichem „Meet & Greet“ beschĂ€ftigt bin, gehe ich davon aus, dass die anfĂ€ngliche Kutten-KostĂŒmierung von Gitarrist, Bassist und Schlagzeuger auf ihren EP/Video-Song ‚The Church Has Sent Us To War‚ anspielt. Einen musikalischen Kontrapunkt bietet spĂ€ter die abgefeierte Rockballade ‚Forever‚ (ebenfalls auf der EP, sĂŒĂes Video).
Als „stilistisch ausgereift“ kann man FIRST DAMAGE insgesamt wirklich noch nicht bezeichnen. Aber hey? Die Jungs auf der BĂŒhne haben ersichtlich SpaĂ, das Publikum freut sich hörbar mit, die Band erarbeitet sich von Song zu Song mehr Selbstvertrauen. Der anfĂ€ngliche „Sicherheitsabstand“ vor der BĂŒhne ist erfreulich klein, aus allen Ecken der Halle gibt’s mehr als nur Höflichkeitsapplaus. Alles richtig gemacht!
Hellforce
Meine erste persönliche Ăberraschung Nummer Eins beim diesjĂ€hrigen FMO: HELLFORCE! Grob gesagt bringen die Death-Metaller aus dem auch nicht so weit entfernten Kassel die Bolt-Thrower-Kante pur. Und das machen sie gut. Sehr gut. Geradezu geil sogar. Aaaaargh, und wie geil. Die klingen ja wie Bolt-Thrower in den besten Jahren! đ
Dann mal beim hörigen Kopfnicken kurz genauer hingesehen: Hey, dieser geile langhaarige Maniac/SĂ€nger/Gitarrist kommt Dir doch irgendwie bekannt vor? Ist ja auch Florian, der schon seit Jahren bei den seit jeher strĂ€flich unterbewerteten Burden Of Grief (die ĂŒbrigens schon auf dem FMO 2018 einen grandiosen Headliner-Gig hingelegt haben), die Basssaiten zupft und seine imposante ergraute MĂ€hne kreisen lĂ€sst. Ebenfalls bekannt könnte MitsĂ€nger bzw. -growler Jan Breede sein, der sonst bei den (zumindes VĂ-technisch) nicht mehr wirklich so aktiven Kasslern Reaper die Trommelstöcke geschwungen hat und bei HELLFORCE jetzt stattdessen noch den Bass ĂŒbernimmt.
Nein, musikalisch sind sie sicher keine plumpe Bolt-Thrower-Cover-Band – aber deren Spirit und Durchschlagskraft verbreiten sie live absolut. Und warum auch die Roots und EinflĂŒsse verleugnen, wenn man ihnen mit solchen Live-Auftritten so geil folgt? Laut Aussagen der Band vor Ort zeigte sich ĂŒbrigens selbst Bolt-Thrower-Urgestein Karl Willetts bei einem gemeinsamen Gig mit Memoriam mehr als angetan vom Sound der Band. Recht hat er.
Quasi von Beginn an ist der Bereich vor der BĂŒhne ein Moshpit erster GĂŒte. In den ersten Reihen vor der BĂŒhne kreisen geschlossen die Matten. Ich wĂŒrde es durchaus als kleinen Triumphzug bezeichnen. Selten, vielleicht noch nie, flogen so viele Haare bereits beim zweiten FMO-Act durch die Luft.
Refore
Auf dem FuĂe folgen die nahezu blutjungen Thrasher REFORE, die mir persönlich (und vielen anderen auch) vorher so gar nicht bekannt, live aber DIE Ăberraschung beim diesjĂ€hrigen FullMetal Osthessen waren. Die vier jungen Tschechen waren eigentlich nur aufgrund der Anfrage der nachfolgenden FREAKINGS aufs Billing gerutscht, da beide Bands sowieso gerade zusammen auf Tour waren. Und sie haben ihre Chance sowas von genutzt! Die ersten Reihen versuchen ihr Bestes, beim Headbangen mit dem wahnwitzigen Tempo von REFORE Schritt zu halten oder bestaunen einfach hochachtungsvoll das Riffmassaker, das da von der BĂŒhne dröhnt.
Was die Jungs auf der BĂŒhne abziehen, ist einfach nur ein akustischer Schlag in die Fresse. SĂ€nger/Gitarrist Franta kommt schon rein optisch rĂŒber wie ein junger Dave Mustaine. Live knallen REFORE gefĂŒhlt wie Metallica oder Exodus zu deren DebĂŒt-Zeiten. Passenderweise beschlieĂen sie ihr Set mit einer grandios-derbe runtergerotzten Highspeed-Version von ‚Creeping Death‘. Ist sicher nicht nur den kalten nĂ€chtlichen Temperaturen in Niederaula geschuldet, dass nach dem Gig diverse Besucher mit den am Merchstand angebotenen REFORE-Beanies auf dem Kopf rumlaufen. Ich selbst begnĂŒge mich mit den beiden CD-Veröffentlichungen, der guten DebĂŒt-EP „Social Failure“ und dem ziemlich geilen Longplayer „Built To Nothing“.
Freakings
Im D-Zug-Tempo geht es auch bei den Schweizern FREAKINGS weiter. Das sichtbar gut gelaunte Trio zockt eine hochenergetischen Oldschool-Thrash und paart Anthrax-mĂ€Ăiges Stakkato-Riffing mit Demolition-Hammer-AggressivitĂ€t und dezenten „Slam-Thrash“-Anleihen ĂĄ la Space Chaser. Zum Verschnaufen kommt man hier höchstens bei vereinzelt eingestreuten Midtempo-Parts. Mir persönlich fehlt auf Dauer einzig der ein oder andere „Hit“ mit klarem Wiedererkennungswert – am Bock zum RĂŒbeschĂŒtteln Ă€ndert das allerdings nichts.
Auch einer fehlenden zweiten Gitarre ist es etwas geschuldet, dass die FREAKINGS imho soundtechnisch nicht ganz so brachial rĂŒber kommen wie REFORE – diesen Umstand gleichen die drei nicht mehr ganz so blutjungen Schweizer aber durch eine gewisse „BĂŒhnenabgezocktheit“ und die GrundaggressivitĂ€t ihrer Songs aus.
Auch wenn – gerade im Vergleich mit den Jungspunden von REFORE – der ganz groĂe AHA-Effekt bei mir persönlich fehlte: Das Publikum feiert die FREAKINGS gebĂŒrtig und berechtigt ab! Den Alarm, den die Band auf der BĂŒhne macht, geben die gut gefĂŒllten ersten Reihen davor eindrucksvoll zurĂŒck: Die Heads werden gebangt, die Matten (sofern vorhanden) kreisen, der SchweiĂ trieft.
Als erste Band des Festivals haben die FREAKINGS auch Vinyls ihrer letzten beiden Scheiben „Toxic End“ und „Rise Of Violence“ dabei, die der werte Verfasser natĂŒrlich gleich mal einsacken muss.
Dark Zodiak
Die Death-Metaller DARK ZODIAK aus Baden-WĂŒrttemberg sind live ja schon seit einigen Jahren eine der umtriebigsten Underground-Bands und spielen regelmĂ€Ăig Gigs in allen möglichen Ecken und Clubs Deutschlands. Bereits beim FullMetal Osthessen 2018 konnte die Band schon frĂŒher am Abend in voller Linie ĂŒberzeugen und viele neue Fans gewinnen, was in einer verdienten Co-Headliner-Position resultiert. Und auch heute hat die sympathische Frontgrowlerin Simone Schwarz mit ihrer gewohnt souverĂ€nen wie eindrucksvollen Performance das Publikum von der ersten Sekunde an gewohnt fest im Schritt, Ă€h, Griff.
Dabei ist der mit vereinzelten Slam-Death-Passagen angereicherte Death Metal von DARK ZODIAK ist an sich sicher keine eingĂ€ngige, leicht verdauliche Kost. Trotz ihrer musikalisch absolut ambitionierten Songs merkt man allen Bandmitgliedern aber einfach an, dass sie live einfach Bock auf ihr Zeug und eine geile Party haben. Das ĂŒbertrĂ€gt sich eindrucksvoll auch aufs anwesende Publikum, selbst auf viele, die ansonsten nicht allzu viel mit Death Metal anfangen können. Vor der BĂŒhne geht’s ab wie die Luzie, und auch der hintere Teil des Publikums geht begeistert mit, wenn Simone sich wĂ€hrend der Songs unter die Reihen mischt.
Contradiction
Die deutschen, leider immer etwas unterbewerteten Thrash-Urgesteine CONTRADICTION sollten eigentlich schon 2020 das FullMetal Osthessen headlinen, mussten den geplanten Gig dank Corona allerdings kurzfristig canceln. GlĂŒcklicherweise kann die Band ihren Auftritt beim FullMetal Osthessen 2023 jetzt endlich nachholen. Leider gleich auch mit einem neuen traurigen Unterton: Die Wuppertaler Thrasher haben ihre Auflösung gegen Ende des Jahres schon vor einigen Monaten bekannt gegeben und spielen bis Dezember quasi ihre „Abschiedstournee“. Ich kann also jedem Traditionsthrasher wĂ€rmstens ans Herz legen, die Band bei einem der folgenden geplanten Gigs noch live noch einmal mitzunehmen.
75 Minuten lang brettern sich CONTRADICTION schwerpunktmĂ€Ăig durch den jĂŒngeren Teil ihrer sieben Alben umfassenden Diskographie. Bei SĂ€nger und Gitarrist Oliver Lux flieĂt der SchweiĂ genauso schnell wie in den ersten Reihen. Einzige Verschnaufpause fĂŒr die mittlerweile arg strapazierten Nackenwirbel bietet die stampfende Coverversion des Johnny-Wakelin-Fetenhits „In Zaire“. Danach wird einfach wieder im D-Zug-Tempo weitergethrasht. Um 1 Uhr nachts lĂ€sst das Quartett dann an sichtlich ausgepowertes, aber glĂŒckliches Festivalpublikum zurĂŒck, das vor dem DGH und im Merchzelt (in dem freundlicherweise noch ein halber Kasten Bier vergessen wurde) teilweise noch weiterfeiert.
Samstag, 04. MĂ€rz 2023
Emerald (CH), Sunless Sky, Distant Past, Wallop, Generation Steel, Hell Patröl, Charger, Ampyred, Marc Piras Trio (MP3)
Der FullMetal-Samstag ist beim FullMetal Osthessen prinzpiell der Festival-Tag, an dem eher „traditionelle“ Metal-Bands aufspielen. Obwohl es am zweiten Festivaltag erst um 15:30 Uhr wieder weitergeht, sind einige FestivalgĂ€ste noch deutlich gezeichnet von den Exzessen des Vortags, wĂ€hrend andere schon gut vorgeglĂŒht haben.
Marc Piras Trio (MP3)
Das MARC PIRAS TRIO, kurz MP3 genannt eröffnet den Tag mit gediegenem Rock und Blues, der in der Kneipe sicher weitaus besser rĂŒberkommt als auf der FestivalbĂŒhne beim FMO. Zumal sich die Halle noch um einiges schleppender als am Vortag fĂŒllt. Zu sehr beschĂ€ftigt sind die meisten noch, in oder vor dem DGH alte und auch neue Gesichter zu begrĂŒĂen. So nehmen die meisten Metalheads den Pubrock von MP3 leider nur als angenehme Hintergrundbeschallung oder zumindest mit einigem Sicherheitsabstand vor der BĂŒhne wahr. Obwohl die Band jetzt nichts wirklich falsch gemacht hat, ist nach einer halben Stunde dementsprechend nicht mehr als nur ein freundlicher Höflichkeitsapplaus drin.
Ampyred
Etwas fetziger kommen dann die Kassler Hardrocker AMPYRED rĂŒber, die allerdings auch noch mit dem etwas verkaterten Publikum zu kĂ€mpfen haben. Auch wenn viele Festivalbesucher draussen noch etwas Tageslicht und frische Luft genieĂen wollen, ist die Halle schon um einiges besser gefĂŒllt. Der Hardrock der Band, der mich aufgrund der Stimme von SĂ€nger und Bassist Norbert Beulshausen manchmal etwas an alte Tito & Tarantula erinnert, wird vom Publikum, das jetzt auch noch ein paar Schritte nĂ€her zur BĂŒhne rangekommen ist, gut angenommen und auch der Applaus fĂ€llt um einiges lauter aus.
Charger
Noch etwas besser sieht es dann bei den vor fĂŒnf Jahren reformierten Bielefeldern CHARGER aus, die bereits Ende der 80er mal zwei Demos, aber erst 2017 mit „The Madhouse Project“ eine offizielle Veröffentlichung mit gesammelten Werken als Doppel-CD rausgebracht haben. CHARGER spielen kraftvollen Metal mit dezenten Hardrock und offensichtlichen Motörhead-Anleihen.
Zwischen den alten Haudegen wirkt die junge und wohl auch relativ neue SĂ€ngerin Jaz Mean auf der BĂŒhne erstmal etwas deplatziert und unsicher, kĂ€mpft sich aber sowohl stimmlich als auch von ihrer Performance her von Song zu Song stĂ€rker ins Set rein. Optisch als auch gesanglich erinnert sie mich stark an Patti Smith. Anfangs kommt mir ihr etwas pathetischer Gesang gepaart mit dem Motörhead-Metal-mĂ€Ăigen Sound der Band noch etwas gewöhnungsbedĂŒrftig, im Laufe des Auftritts aber zunehmend spannender vor. Vielleicht liegt es aber auch einfach an den Songs, dass es bei mir spĂ€testens ab der Mitte des Sets „Klick“ macht und mir CHARGER so richtig gut gefallen.
Das deutlich angewachsene Publikum sieht es wohl Ă€hnlich und feiert die Band gebĂŒhrend ab. Das FullMetal Osthessen ist spĂ€testens jetzt wieder auf Betriebstemperatur.
Hell Patröl
‚Don’t Panic‘ – wir wollen nur spielen. Furios und mit ordentlich Hummeln im Hintern steigen die Heidelberger Speedfreaks HELL PATRĂL um SĂ€nger, Bassist und Frontchaot Domanic in ihr Set ein. Wie CONTRADICTION waren auch HELL PATRĂL ursprĂŒnglich bereits fĂŒr das FullMetal Osthessen 2020 gebucht, hatten es damals aber aus zeitlichen GrĂŒnden leider nicht geschafft. Umso mehr freuen sich die vier sichtbar, ihren versĂ€umten Auftritt jetzt nachholen zu können und knallen uns die Songs ihres Albums „Leather And Chrome“ und ihrer DebĂŒt-EP um den Latz.
Schlagartig fliegen in den ersten Reihen wieder die mal mehr, mal weniger behaarten Köpfe. Schön, dass es die Jungs von Crossmusic e.V. dann doch nicht ganz so strikt mit der stilistischen Tagesaufteilung nehmen: Denn von HĂ€rte- und Geschwindigkeitsgrad hĂ€tte der rauhe Speedmetal der Band eigentlich besser zum Billing des Vortags gepasst. Die zahlreichen Thrash-Fans im Publikum nehmen diese Abwechslung mehr als dankbar an, so dass man das Szenario vor der BĂŒhne passend zum Titel ihrer EP ohne Ăbertreibung als pure „Front Row Speedbanging Madness“ bezeichnen kann.
FĂŒr den Lacher des Tages sorgt Domaniac, als er wĂ€hrend des Sets lĂ€ssig-cool, aber leider vergeblich versucht, eine neue Bierflasche mit seiner bereits geleerten zu öffnen. Lieber Dominik, das funktioniert i.d.R. besser, wenn auf BEIDEN Flaschen noch der Kronkorken drauf ist… đ
Generation Steel
Wieder gemĂ€Ăigter geht es dann mit GENERATION STEEL aus Wetzlar weiter, die den Anwesenden die Songs ihres 2021 veröffentlichten DebĂŒtalbums „The Eagle Will Rise“ prĂ€sentieren. Die ersten Reihen haben sich leider etwas gelichtet, da sich wohl einige erstmal vom Hell-Patröl-Gig erholen mussten. Trotzdem geben die fĂŒnf Hessen von Beginn an alles und erspielen sich im Laufe des Sets verdienterweise auch wieder deutlich steigende Publikumsresonanz.
Stilistisch schlĂ€gt die Band eine gelungene BrĂŒcke von Traditionsmetal wie Priest oder Saxon hin zu typischer Teutonen-Power ĂĄ la Gamma Ray oder Rebellion. Musikalisch, textlich und vom Stageacting her KANN sowas gar nicht ganz klischeefrei ablaufen, um mal auf einige kritische Stimmen aus meinem Bekanntenkreis einzugehen. Ich sage: Was soll’s? NatĂŒrlich spielt die Band mit gewissen Klischees – von wirklich stereotypen Kasper-Bands wie Sabaton, Gloryhammer & Co. sind GENERATION STEEL aber definitiv und glĂŒcklicherweise Dimensionen entfernt.
Bei ihrem Auftritt sieht man der Band, vor allem dem immer etwas grimmig dreinguckenden Gitarristen Jack The Riffer, sowohl die professionellen Ambitionen und AnsprĂŒche als auch Herzblut und SpaĂ an den eigenen Songs deutlich an. SĂ€nger Rio Ullrich ist als Aktivposten an wirklich jeder Ecke der BĂŒhne anzutreffen. Freue mich jetzt schon auf den nĂ€chsten Gig der Band beim Taunus Metal Festival am ersten April-Wochenende im 120 km entfernten Oberursel.
Wallop
Als die 2018 reaktivierten Offenbacher Urgesteine WALLOP nach ihrem Intro mit „Running Wild“ loslegen, ist vor der BĂŒhne wieder Headbanger-Alarm angesagt. Sogar SĂ€nger/Bassist Juan Ricardo von den spĂ€ter spielenden Labelkollegen Sunless Sky gibt sich in der ersten Reihe die Ehre. Der Sound ist heuer leider nicht ganz so geil (trotzdem jedoch immer noch gut) wie bei den meisten anderen Bands – aber auch das tut der Stimmung in der Halle keinen Abbruch. DafĂŒr ist der Auftritt halt einfach zu geil.
Der Kultstatus ihres restlos vergriffenen 1985er Albums „Metallic Alps“ ist unumstritten und seit der erfolgreichen Reunion wahrscheinlich – und absolut verdient – höher denn je. Wer die Scheibe nicht hat, kann die tolle, 2020 im gleichen Line-Up komplett neu eingespielte und um einige Songs erweiterte Neuauflage „Alps On Fire“ im Merchzelt auf Vinyl oder CD erwerben.
Straighte, speedige Gassenhauer wie ‚Missing In Action‘, ‚Lack Of Power‘, ‚Metallize‘ oder ‚Wall Of Sound‘ reissen einfach mit. SĂ€nger Mikk Vega, nebenbei auch Fronter der Mötley-CrĂŒe-Coverband Saints Of Los Angeles, ist halt einfach eine Rampensau, der kein Problem hat, auch ein eher reserviertes Publikum zu aktivieren. Das hat er heuer glĂŒcklicherweise gar nicht nötig – die Band wird von der ersten Minute an abgefeiert. Umso leichter lĂ€sst sich der obligatorische Morgenstern schwingen.
Premiere und gute News fĂŒr alle Fans der Band: Mit ‚World On Fire‘ prĂ€sentieren WALLOP auch erstmals einen neuen Song, der nach diesem Höreindruck dem alten Material in nichts nachsteht und frohe Erwartungen an das fĂŒr November geplante neue Album weckt. Den zweiten neuen Song ‚One Track Mind‘ konnte die Band aus ZeitgrĂŒnden leider nicht mehr spielen, so daĂ nach dem obligatorischen und abgefeierten Raven-Cover ‚Crash Bang Wallop‘ leider schon Schluss ist.
Distant Past
Muss zu meiner Schande gestehen, dass die Schweizer DISTANT PAST bisher so ziemlich an mir vorbeigegangen sind, obwohl sie bereits vier offizielle Alben rausgebracht haben. Aber das ist halt wie gesagt das Schöne am FullMetal Osthessen: Man wird immer wieder eines Besseren gelehrt und kriegt geile Bands vor den Latz geknallt, die man noch nie auf dem Schirm hatte. Wenn man sich die Personalwechsel in der Bandhistorie anschaut, bekommt man ĂŒbrigens den Eindruck, dass DISTANT PAST mit den spĂ€teren Headlinern und Eidgenossen EMERALD so eine Art personelle „Reise nach Jerusalem“ am Laufen hat.
DISTANT PAST ĂŒberzeugen bei ihrem Auftritt sofort mit einer mitreissenden Mischung aus Maiden-NWoBHM, traditionellem US-Metal und klassischem Teutonen-Stahl. Leider hat auch hier der vorige WALLOP-Abriss gröĂere LĂŒcken in den vorderen Reihen hinterlassen, die sich erst im weiteren Verlauf des Auftritts wieder etwas schlieĂen. Die komplette Band und vor allem Ex-Emerald-SĂ€nger Jvo Julmly (ich denke, alle erdenklichen SprĂŒche zu dessen KörpergröĂe wurden bereits gemacht) liefern einen starken Job ab und dĂŒrfen zum Schluss auch noch eine von den Fans lautstark geforderten Zugabe draufsetzen
Auch hier freue ich mich jetzt schon auf den nÀchsten Gig der Band beim Taunus Metal Festival am ersten April-Wochenende im 120 km entfernten Oberursel.
Sunless Sky
Wenn man jemanden als „FMO-Veteranen“ bezeichnen kann, dann SĂ€nger Juan Ricardo, der nach frĂŒheren Auftritten mit Wretch (2017) und Ritual (2019) dieses Jahr zum dritten Mal, heute mit seiner Band SUNLESS SKY am Start ist. Die US-Metaller sind im Laufe ihrer drei veröffentlichten Alben kontinuierlich vom Quintett zu Trio geschrumpft. So besetzt Ricardo mittlerweile nicht mehr nur den SĂ€ngerposten, sondern bedient zusĂ€tzlich auch noch seinen FĂŒnfsaiter-Bass, was den ĂŒblichen Bewegungsradius des agilen Frontmanns entsprechend einschrĂ€nkt.
Der progressive, manchmal etwas thrashige US-Metal von SUNLESS SKY ist sicher keine ganz so leicht verdauliche Kost. Durch die Trio-Konstellation und das Fehlen eines zweiten Gitarristen bekommen selbst die straighteren Ă€lteren Songs einen etwas „frickeligeren“ Charakter (was ich persönlich voll abfeiere). Deshalb geht es vor BĂŒhne leider nicht mehr ganz so wild ab wie bei den vorigen, musikalisch eingĂ€ngigeren Bands. Trotzdem fĂŒhlt sich das Publikum bestens unterhalten. Denn neben dem wie immer bestens aufgelegten und meist ĂŒber das ganze Gesicht strahlenden Juan Ricardo steht sein kongenialer Gitarrist Ed Miller auf der BĂŒhne, der mit seinen sechs Saiten abgeht, als gebe es kein Morgen mehr.
Besagter Ed Miller hatte Anfang der 90er das Demo „Come Die With Us“ und das DebĂŒtalbum „The Plot Sickens“ der US-Metaller Mystik mit eingespielt, die in Underground-Kreisen bis heute Kultstatus genieĂen. Der heutige FMO-Auftritt ist nach 30 Jahren sein erster Abstecher nach Europa seit der damaligen Mystik-Tour. SpĂ€ter erzĂ€hlte mir Ed, dass seine Tochter ihn vor der Abreise gefragt hatte, ob sich in Deutschland wohl noch irgendjemand an Mystik erinnern wĂŒrde. Seine Antwort: „Ganz sicher nicht“. Tja, lieber Ed, so kann man sich tĂ€uschen…
Auf der BĂŒhne entwickeln Ricardo und Miller in ihrer Kommunikation untereinander und mit dem Publikum einen Unterhaltungsfaktor und teilweise eine Situationskomik, die man einfach selbst miterlebt haben muss und die diesen Gig so einzigartig machen. Abgesehen davon spielen SUNLESS SKY einfach ein fantastisches Best-of Set ihrer drei Alben runter und gehören fĂŒr mich klar zu den Highlights des Festivals.
Nach dem SUNLESS SKY Gig brennen die Jungs von Crossmusic e.V. vor der DGH-Halle ein schönes Feuerwerk zur Feier des 10. JubilĂ€ums des FullMetal Osthessen Festivals und quasi auch zur „Wiederauferstehung“ nach der Corona-Pause ab. An dieser Stelle einfach noch einmal meine persönliche Gratulation und Verneigung vor der Leistung und dem Einsatz des Vereins und all seiner Mitglieder und Helfer.
Emerald
Aufgrund des Feuerwerks starten die Schweizer EMERALD mit einiger VerspĂ€tung in ihr Set und damit das Finale des FullMetal Osthessen 2023. Eine Handvoll Besucher verlassen fast fluchtartig das Festival, als auf der BĂŒhne ein Keyboard aufgebaut wird (ich sag jetzt mal nichts). Der weitaus gröĂere Teil der Besucher reaktiviert aber notfalls auch die letzten Reserven, so dass man ohne Zweifel attestieren kann: EMERALD feiern als verdienter Headliner eine Metal-Party vor nahezu voller HĂŒtte ab!
Da ich selbst erst noch mit den Leuten von Sunless Sky und Wallop im Merchzelt am Feiern bin, komme ich erst mit ca. 20-minĂŒtiger VerspĂ€tung in die Halle, sehe und höre aber sofort, dass die Band so wirklich alles im Griff hat. Dass die Schweizer mit fĂŒnf Mann plus Bassistin Vania auf der BĂŒhne stehen, macht natĂŒrlich (nicht nur bei diesem Auftritt) allein optisch einiges her. Und das „bedrohlich an der linken Front“ aufgebaute Keybord von Thomas Vaucher lĂ€sst erstaunlicherweise keinen der abfeiernden Fans plötzlich zum Popper werden đ
Bei besten SoundverhĂ€ltnissen feiern alle eine Metal-Party, wie es das FullMetal Osthessen nicht anders verdient. Insgesamt zocken EMERALD ganze 17 Songs mit klarem Schwerpunkt auf dem neuesten Album „Restless Souls“ runter. Ăltere JahrgĂ€nge (OMG, offensichtlich gehöre ich mittlerweile auch zu dieser Gruppe) feiern zwischendrin die Metalversion der Rocky-IV-Hymne ‚No Easy Way Out‘ ab. Zum „alten“ Bandhit ‚Tears Of A Warrior‘ kommt OrginalsĂ€nger Jvo Julmy, der ja schon kurz zuvor mit Distant Past ĂŒberzeugt hat, noch einmal auf die BĂŒhne und wird vom Publikum als auch von seinem Nachfolger Mace Mitchell, der ansonsten wie immer einen tollen Job abliefert, gebĂŒhrend abgefeiert.
Hammerharter Gig bis jetzt. Als I-TĂŒpfelchen und letzte Zugabe bringen EMERALD auch noch den Maiden-Klassiker „Wasted Years“. SpĂ€testens hier gibt es kein Halten mehr. Die Halle steht Kopf. Die glĂŒcklichen Hauptorganisatoren des FMO, Markus Bohn und Andreas Pfeiffer, schĂŒtteln auf der BĂŒhne gemeinsam mit der Band ihre Köpfe. Besser kann ein Festival gar nicht enden. Ich freue micht jetzt schon auf das nĂ€chste FullMetal Osthessen.
Text: Joe Nollek
Bilder: Joerg Lobo von El Lobo Konzertfotografie