10. FULLMETAL OSTHESSEN 2023
03.-04. März 2023
Niederaula/Niederjossa, DGH
Nach zweijähriger COVID-bedingter Zwangspause konnte am ersten Märzwochenende 2023 endlich die 10. Jubiläumsausgabe des kleinen, aber feinen FullMetal Osthessen Festivals im beschaulichen Niederaula (zwischen Fulda und Kassel) steigen. Veranstaltet wird das FullMetal Osthessen (kurz FMO) von den lokalen Metalheads des Cross Music e.V., die immer sehr viel Herzblut, Zeit und Energie in das Festival stecken und dabei vor allem auch viel (Underground-)Szenekenntnisse mitbringen.
Man kann nicht wirklich behaupten, dass die Bandauswahl aufgrund kommerzieller Gesichtspunkte oder quantitativer Kriterien wie „Likes“ oder „Clicks“ getroffen wird. Vielmehr bemüht sich das Team von Cross Music e.V bemerkenswert darum, sowohl älteren als auch neueren Bands eine Plattform zu geben, die musikalisch absolut überzeugen können, aber eben kein einflussreiches Plattenlabel im Rücken und/oder nur wenig Zeit und Geld für umfangreiche Tourneen haben.
Das Schöne dabei ist: Es funktioniert! Während man spätestens seit Corona leider immer häufiger von gecancelten Konzerten, Tourneen oder gar Festivals hört, erfreut sich das FullMetal Osthessen glücklicherweise (noch) bester Gesundheit. Der Kartenvorverkauf lief besser denn je und an beiden Festivaltagen konnte man über 250 zahlende Besucher verzeichnen. Denn für viele – seit Jahren schon aus allen Ecken Deutschlands kommenden – Metalfans ist das FullMetal Osthessen mittlerweile schon ein kleines Familientreffen.
Von den 15 aufgefahrenen Bands kannte ich persönlich gerade mal fünf von früheren Live-Auftritten und drei weitere aus der Konserve. Und gerade das ist das Schöne am FullMetal Osthessen: Selbst viele eingefleischte Metalheads lernen bei diesem Festival doch immer wieder neue (bzw. auch alte) Bands kennen, die man eben nicht zwingend von zig anderen Festivals her kennt oder ständig und überall auf Tour sieht.
FullMetal Osthessen – Freitag, 03. März 2023
Contradiction, Dark Zodiak, Freakings, Refore, Hellforce, First Damage
Traditionell wird am FullMetal-Freitag im DGH Niederjossa, so der Name der Location, eher die harte Kante – sprich Thrash- und Death-Metal – aufgefahren, während der Samstag meist voll auf traditonellen bis progressiven Heavy und Powermetal geeicht ist.
First Damage
Der Job des (Festival-)Openers ist immer eine kleine Lotterie: Von „alle haben Bock“ bis hin zu absoluter Ignoranz ist alles drin. Die aus dem näheren Umland – offiziell Philippstal (Werra) – kommenden Opener FIRST DAMAGE haben Glück und eröffnen ihr Set pünktlich um 19 Uhr vor einer bereits gut gefüllten und gelaunten Halle. Offenbar konnte die Band auch einige Fans aus dem eigenen Freundes- und Bekanntenkreis aktivieren und wird ihrer Rolle des „lokalen Openers“ somit mehr als gerecht.
Als einzige Band des Abends spielen FIRST DAMAGE, die erst im Herbst 2022 ihre erste EP veröffentlicht haben, „nur“ normalen Traditionsmetal mit einigen Hardrock-Anleihen. Da ich selbst anfangs noch mehr mit persönlichem „Meet & Greet“ beschäftigt bin, gehe ich davon aus, dass die anfängliche Kutten-Kostümierung von Gitarrist, Bassist und Schlagzeuger auf ihren EP/Video-Song ‚The Church Has Sent Us To War‚ anspielt. Einen musikalischen Kontrapunkt bietet später die abgefeierte Rockballade ‚Forever‚ (ebenfalls auf der EP, süßes Video).
Als „stilistisch ausgereift“ kann man FIRST DAMAGE insgesamt wirklich noch nicht bezeichnen. Aber hey? Die Jungs auf der Bühne haben ersichtlich Spaß, das Publikum freut sich hörbar mit, die Band erarbeitet sich von Song zu Song mehr Selbstvertrauen. Der anfängliche „Sicherheitsabstand“ vor der Bühne ist erfreulich klein, aus allen Ecken der Halle gibt’s mehr als nur Höflichkeitsapplaus. Alles richtig gemacht!
Hellforce
Meine erste persönliche Überraschung Nummer Eins beim diesjährigen FMO: HELLFORCE! Grob gesagt bringen die Death-Metaller aus dem auch nicht so weit entfernten Kassel die Bolt-Thrower-Kante pur. Und das machen sie gut. Sehr gut. Geradezu geil sogar. Aaaaargh, und wie geil. Die klingen ja wie Bolt-Thrower in den besten Jahren! 😉
Dann mal beim hörigen Kopfnicken kurz genauer hingesehen: Hey, dieser geile langhaarige Maniac/Sänger/Gitarrist kommt Dir doch irgendwie bekannt vor? Ist ja auch Florian, der schon seit Jahren bei den seit jeher sträflich unterbewerteten Burden Of Grief (die übrigens schon auf dem FMO 2018 einen grandiosen Headliner-Gig hingelegt haben), die Basssaiten zupft und seine imposante ergraute Mähne kreisen lässt. Ebenfalls bekannt könnte Mitsänger bzw. -growler Jan Breede sein, der sonst bei den (zumindes VÖ-technisch) nicht mehr wirklich so aktiven Kasslern Reaper die Trommelstöcke geschwungen hat und bei HELLFORCE jetzt stattdessen noch den Bass übernimmt.
Nein, musikalisch sind sie sicher keine plumpe Bolt-Thrower-Cover-Band – aber deren Spirit und Durchschlagskraft verbreiten sie live absolut. Und warum auch die Roots und Einflüsse verleugnen, wenn man ihnen mit solchen Live-Auftritten so geil folgt? Laut Aussagen der Band vor Ort zeigte sich übrigens selbst Bolt-Thrower-Urgestein Karl Willetts bei einem gemeinsamen Gig mit Memoriam mehr als angetan vom Sound der Band. Recht hat er.
Quasi von Beginn an ist der Bereich vor der Bühne ein Moshpit erster Güte. In den ersten Reihen vor der Bühne kreisen geschlossen die Matten. Ich würde es durchaus als kleinen Triumphzug bezeichnen. Selten, vielleicht noch nie, flogen so viele Haare bereits beim zweiten FMO-Act durch die Luft.
Refore
Auf dem Fuße folgen die nahezu blutjungen Thrasher REFORE, die mir persönlich (und vielen anderen auch) vorher so gar nicht bekannt, live aber DIE Überraschung beim diesjährigen FullMetal Osthessen waren. Die vier jungen Tschechen waren eigentlich nur aufgrund der Anfrage der nachfolgenden FREAKINGS aufs Billing gerutscht, da beide Bands sowieso gerade zusammen auf Tour waren. Und sie haben ihre Chance sowas von genutzt! Die ersten Reihen versuchen ihr Bestes, beim Headbangen mit dem wahnwitzigen Tempo von REFORE Schritt zu halten oder bestaunen einfach hochachtungsvoll das Riffmassaker, das da von der Bühne dröhnt.
Was die Jungs auf der Bühne abziehen, ist einfach nur ein akustischer Schlag in die Fresse. Sänger/Gitarrist Franta kommt schon rein optisch rüber wie ein junger Dave Mustaine. Live knallen REFORE gefühlt wie Metallica oder Exodus zu deren Debüt-Zeiten. Passenderweise beschließen sie ihr Set mit einer grandios-derbe runtergerotzten Highspeed-Version von ‚Creeping Death‘. Ist sicher nicht nur den kalten nächtlichen Temperaturen in Niederaula geschuldet, dass nach dem Gig diverse Besucher mit den am Merchstand angebotenen REFORE-Beanies auf dem Kopf rumlaufen. Ich selbst begnüge mich mit den beiden CD-Veröffentlichungen, der guten Debüt-EP „Social Failure“ und dem ziemlich geilen Longplayer „Built To Nothing“.
Freakings
Im D-Zug-Tempo geht es auch bei den Schweizern FREAKINGS weiter. Das sichtbar gut gelaunte Trio zockt eine hochenergetischen Oldschool-Thrash und paart Anthrax-mäßiges Stakkato-Riffing mit Demolition-Hammer-Aggressivität und dezenten „Slam-Thrash“-Anleihen á la Space Chaser. Zum Verschnaufen kommt man hier höchstens bei vereinzelt eingestreuten Midtempo-Parts. Mir persönlich fehlt auf Dauer einzig der ein oder andere „Hit“ mit klarem Wiedererkennungswert – am Bock zum Rübeschütteln ändert das allerdings nichts.
Auch einer fehlenden zweiten Gitarre ist es etwas geschuldet, dass die FREAKINGS imho soundtechnisch nicht ganz so brachial rüber kommen wie REFORE – diesen Umstand gleichen die drei nicht mehr ganz so blutjungen Schweizer aber durch eine gewisse „Bühnenabgezocktheit“ und die Grundaggressivität ihrer Songs aus.
Auch wenn – gerade im Vergleich mit den Jungspunden von REFORE – der ganz große AHA-Effekt bei mir persönlich fehlte: Das Publikum feiert die FREAKINGS gebürtig und berechtigt ab! Den Alarm, den die Band auf der Bühne macht, geben die gut gefüllten ersten Reihen davor eindrucksvoll zurück: Die Heads werden gebangt, die Matten (sofern vorhanden) kreisen, der Schweiß trieft.
Als erste Band des Festivals haben die FREAKINGS auch Vinyls ihrer letzten beiden Scheiben „Toxic End“ und „Rise Of Violence“ dabei, die der werte Verfasser natürlich gleich mal einsacken muss.
Dark Zodiak
Die Death-Metaller DARK ZODIAK aus Baden-Württemberg sind live ja schon seit einigen Jahren eine der umtriebigsten Underground-Bands und spielen regelmäßig Gigs in allen möglichen Ecken und Clubs Deutschlands. Bereits beim FullMetal Osthessen 2018 konnte die Band schon früher am Abend in voller Linie überzeugen und viele neue Fans gewinnen, was in einer verdienten Co-Headliner-Position resultiert. Und auch heute hat die sympathische Frontgrowlerin Simone Schwarz mit ihrer gewohnt souveränen wie eindrucksvollen Performance das Publikum von der ersten Sekunde an gewohnt fest im Schritt, äh, Griff.
Dabei ist der mit vereinzelten Slam-Death-Passagen angereicherte Death Metal von DARK ZODIAK ist an sich sicher keine eingängige, leicht verdauliche Kost. Trotz ihrer musikalisch absolut ambitionierten Songs merkt man allen Bandmitgliedern aber einfach an, dass sie live einfach Bock auf ihr Zeug und eine geile Party haben. Das überträgt sich eindrucksvoll auch aufs anwesende Publikum, selbst auf viele, die ansonsten nicht allzu viel mit Death Metal anfangen können. Vor der Bühne geht’s ab wie die Luzie, und auch der hintere Teil des Publikums geht begeistert mit, wenn Simone sich während der Songs unter die Reihen mischt.
Contradiction
Die deutschen, leider immer etwas unterbewerteten Thrash-Urgesteine CONTRADICTION sollten eigentlich schon 2020 das FullMetal Osthessen headlinen, mussten den geplanten Gig dank Corona allerdings kurzfristig canceln. Glücklicherweise kann die Band ihren Auftritt beim FullMetal Osthessen 2023 jetzt endlich nachholen. Leider gleich auch mit einem neuen traurigen Unterton: Die Wuppertaler Thrasher haben ihre Auflösung gegen Ende des Jahres schon vor einigen Monaten bekannt gegeben und spielen bis Dezember quasi ihre „Abschiedstournee“. Ich kann also jedem Traditionsthrasher wärmstens ans Herz legen, die Band bei einem der folgenden geplanten Gigs noch live noch einmal mitzunehmen.
75 Minuten lang brettern sich CONTRADICTION schwerpunktmäßig durch den jüngeren Teil ihrer sieben Alben umfassenden Diskographie. Bei Sänger und Gitarrist Oliver Lux fließt der Schweiß genauso schnell wie in den ersten Reihen. Einzige Verschnaufpause für die mittlerweile arg strapazierten Nackenwirbel bietet die stampfende Coverversion des Johnny-Wakelin-Fetenhits „In Zaire“. Danach wird einfach wieder im D-Zug-Tempo weitergethrasht. Um 1 Uhr nachts lässt das Quartett dann an sichtlich ausgepowertes, aber glückliches Festivalpublikum zurück, das vor dem DGH und im Merchzelt (in dem freundlicherweise noch ein halber Kasten Bier vergessen wurde) teilweise noch weiterfeiert.
Samstag, 04. März 2023
Emerald (CH), Sunless Sky, Distant Past, Wallop, Generation Steel, Hell Patröl, Charger, Ampyred, Marc Piras Trio (MP3)
Der FullMetal-Samstag ist beim FullMetal Osthessen prinzpiell der Festival-Tag, an dem eher „traditionelle“ Metal-Bands aufspielen. Obwohl es am zweiten Festivaltag erst um 15:30 Uhr wieder weitergeht, sind einige Festivalgäste noch deutlich gezeichnet von den Exzessen des Vortags, während andere schon gut vorgeglüht haben.
Marc Piras Trio (MP3)
Das MARC PIRAS TRIO, kurz MP3 genannt eröffnet den Tag mit gediegenem Rock und Blues, der in der Kneipe sicher weitaus besser rüberkommt als auf der Festivalbühne beim FMO. Zumal sich die Halle noch um einiges schleppender als am Vortag füllt. Zu sehr beschäftigt sind die meisten noch, in oder vor dem DGH alte und auch neue Gesichter zu begrüßen. So nehmen die meisten Metalheads den Pubrock von MP3 leider nur als angenehme Hintergrundbeschallung oder zumindest mit einigem Sicherheitsabstand vor der Bühne wahr. Obwohl die Band jetzt nichts wirklich falsch gemacht hat, ist nach einer halben Stunde dementsprechend nicht mehr als nur ein freundlicher Höflichkeitsapplaus drin.
Ampyred
Etwas fetziger kommen dann die Kassler Hardrocker AMPYRED rüber, die allerdings auch noch mit dem etwas verkaterten Publikum zu kämpfen haben. Auch wenn viele Festivalbesucher draussen noch etwas Tageslicht und frische Luft genießen wollen, ist die Halle schon um einiges besser gefüllt. Der Hardrock der Band, der mich aufgrund der Stimme von Sänger und Bassist Norbert Beulshausen manchmal etwas an alte Tito & Tarantula erinnert, wird vom Publikum, das jetzt auch noch ein paar Schritte näher zur Bühne rangekommen ist, gut angenommen und auch der Applaus fällt um einiges lauter aus.
Charger
Noch etwas besser sieht es dann bei den vor fünf Jahren reformierten Bielefeldern CHARGER aus, die bereits Ende der 80er mal zwei Demos, aber erst 2017 mit „The Madhouse Project“ eine offizielle Veröffentlichung mit gesammelten Werken als Doppel-CD rausgebracht haben. CHARGER spielen kraftvollen Metal mit dezenten Hardrock und offensichtlichen Motörhead-Anleihen.
Zwischen den alten Haudegen wirkt die junge und wohl auch relativ neue Sängerin Jaz Mean auf der Bühne erstmal etwas deplatziert und unsicher, kämpft sich aber sowohl stimmlich als auch von ihrer Performance her von Song zu Song stärker ins Set rein. Optisch als auch gesanglich erinnert sie mich stark an Patti Smith. Anfangs kommt mir ihr etwas pathetischer Gesang gepaart mit dem Motörhead-Metal-mäßigen Sound der Band noch etwas gewöhnungsbedürftig, im Laufe des Auftritts aber zunehmend spannender vor. Vielleicht liegt es aber auch einfach an den Songs, dass es bei mir spätestens ab der Mitte des Sets „Klick“ macht und mir CHARGER so richtig gut gefallen.
Das deutlich angewachsene Publikum sieht es wohl ähnlich und feiert die Band gebührend ab. Das FullMetal Osthessen ist spätestens jetzt wieder auf Betriebstemperatur.
Hell Patröl
‚Don’t Panic‘ – wir wollen nur spielen. Furios und mit ordentlich Hummeln im Hintern steigen die Heidelberger Speedfreaks HELL PATRÖL um Sänger, Bassist und Frontchaot Domanic in ihr Set ein. Wie CONTRADICTION waren auch HELL PATRÖL ursprünglich bereits für das FullMetal Osthessen 2020 gebucht, hatten es damals aber aus zeitlichen Gründen leider nicht geschafft. Umso mehr freuen sich die vier sichtbar, ihren versäumten Auftritt jetzt nachholen zu können und knallen uns die Songs ihres Albums „Leather And Chrome“ und ihrer Debüt-EP um den Latz.
Schlagartig fliegen in den ersten Reihen wieder die mal mehr, mal weniger behaarten Köpfe. Schön, dass es die Jungs von Crossmusic e.V. dann doch nicht ganz so strikt mit der stilistischen Tagesaufteilung nehmen: Denn von Härte- und Geschwindigkeitsgrad hätte der rauhe Speedmetal der Band eigentlich besser zum Billing des Vortags gepasst. Die zahlreichen Thrash-Fans im Publikum nehmen diese Abwechslung mehr als dankbar an, so dass man das Szenario vor der Bühne passend zum Titel ihrer EP ohne Übertreibung als pure „Front Row Speedbanging Madness“ bezeichnen kann.
Für den Lacher des Tages sorgt Domaniac, als er während des Sets lässig-cool, aber leider vergeblich versucht, eine neue Bierflasche mit seiner bereits geleerten zu öffnen. Lieber Dominik, das funktioniert i.d.R. besser, wenn auf BEIDEN Flaschen noch der Kronkorken drauf ist… 😉
Generation Steel
Wieder gemäßigter geht es dann mit GENERATION STEEL aus Wetzlar weiter, die den Anwesenden die Songs ihres 2021 veröffentlichten Debütalbums „The Eagle Will Rise“ präsentieren. Die ersten Reihen haben sich leider etwas gelichtet, da sich wohl einige erstmal vom Hell-Patröl-Gig erholen mussten. Trotzdem geben die fünf Hessen von Beginn an alles und erspielen sich im Laufe des Sets verdienterweise auch wieder deutlich steigende Publikumsresonanz.
Stilistisch schlägt die Band eine gelungene Brücke von Traditionsmetal wie Priest oder Saxon hin zu typischer Teutonen-Power á la Gamma Ray oder Rebellion. Musikalisch, textlich und vom Stageacting her KANN sowas gar nicht ganz klischeefrei ablaufen, um mal auf einige kritische Stimmen aus meinem Bekanntenkreis einzugehen. Ich sage: Was soll’s? Natürlich spielt die Band mit gewissen Klischees – von wirklich stereotypen Kasper-Bands wie Sabaton, Gloryhammer & Co. sind GENERATION STEEL aber definitiv und glücklicherweise Dimensionen entfernt.
Bei ihrem Auftritt sieht man der Band, vor allem dem immer etwas grimmig dreinguckenden Gitarristen Jack The Riffer, sowohl die professionellen Ambitionen und Ansprüche als auch Herzblut und Spaß an den eigenen Songs deutlich an. Sänger Rio Ullrich ist als Aktivposten an wirklich jeder Ecke der Bühne anzutreffen. Freue mich jetzt schon auf den nächsten Gig der Band beim Taunus Metal Festival am ersten April-Wochenende im 120 km entfernten Oberursel.
Wallop
Als die 2018 reaktivierten Offenbacher Urgesteine WALLOP nach ihrem Intro mit „Running Wild“ loslegen, ist vor der Bühne wieder Headbanger-Alarm angesagt. Sogar Sänger/Bassist Juan Ricardo von den später spielenden Labelkollegen Sunless Sky gibt sich in der ersten Reihe die Ehre. Der Sound ist heuer leider nicht ganz so geil (trotzdem jedoch immer noch gut) wie bei den meisten anderen Bands – aber auch das tut der Stimmung in der Halle keinen Abbruch. Dafür ist der Auftritt halt einfach zu geil.
Der Kultstatus ihres restlos vergriffenen 1985er Albums „Metallic Alps“ ist unumstritten und seit der erfolgreichen Reunion wahrscheinlich – und absolut verdient – höher denn je. Wer die Scheibe nicht hat, kann die tolle, 2020 im gleichen Line-Up komplett neu eingespielte und um einige Songs erweiterte Neuauflage „Alps On Fire“ im Merchzelt auf Vinyl oder CD erwerben.
Straighte, speedige Gassenhauer wie ‚Missing In Action‘, ‚Lack Of Power‘, ‚Metallize‘ oder ‚Wall Of Sound‘ reissen einfach mit. Sänger Mikk Vega, nebenbei auch Fronter der Mötley-Crüe-Coverband Saints Of Los Angeles, ist halt einfach eine Rampensau, der kein Problem hat, auch ein eher reserviertes Publikum zu aktivieren. Das hat er heuer glücklicherweise gar nicht nötig – die Band wird von der ersten Minute an abgefeiert. Umso leichter lässt sich der obligatorische Morgenstern schwingen.
Premiere und gute News für alle Fans der Band: Mit ‚World On Fire‘ präsentieren WALLOP auch erstmals einen neuen Song, der nach diesem Höreindruck dem alten Material in nichts nachsteht und frohe Erwartungen an das für November geplante neue Album weckt. Den zweiten neuen Song ‚One Track Mind‘ konnte die Band aus Zeitgründen leider nicht mehr spielen, so daß nach dem obligatorischen und abgefeierten Raven-Cover ‚Crash Bang Wallop‘ leider schon Schluss ist.
Distant Past
Muss zu meiner Schande gestehen, dass die Schweizer DISTANT PAST bisher so ziemlich an mir vorbeigegangen sind, obwohl sie bereits vier offizielle Alben rausgebracht haben. Aber das ist halt wie gesagt das Schöne am FullMetal Osthessen: Man wird immer wieder eines Besseren gelehrt und kriegt geile Bands vor den Latz geknallt, die man noch nie auf dem Schirm hatte. Wenn man sich die Personalwechsel in der Bandhistorie anschaut, bekommt man übrigens den Eindruck, dass DISTANT PAST mit den späteren Headlinern und Eidgenossen EMERALD so eine Art personelle „Reise nach Jerusalem“ am Laufen hat.
DISTANT PAST überzeugen bei ihrem Auftritt sofort mit einer mitreissenden Mischung aus Maiden-NWoBHM, traditionellem US-Metal und klassischem Teutonen-Stahl. Leider hat auch hier der vorige WALLOP-Abriss größere Lücken in den vorderen Reihen hinterlassen, die sich erst im weiteren Verlauf des Auftritts wieder etwas schließen. Die komplette Band und vor allem Ex-Emerald-Sänger Jvo Julmly (ich denke, alle erdenklichen Sprüche zu dessen Körpergröße wurden bereits gemacht) liefern einen starken Job ab und dürfen zum Schluss auch noch eine von den Fans lautstark geforderten Zugabe draufsetzen
Auch hier freue ich mich jetzt schon auf den nächsten Gig der Band beim Taunus Metal Festival am ersten April-Wochenende im 120 km entfernten Oberursel.
Sunless Sky
Wenn man jemanden als „FMO-Veteranen“ bezeichnen kann, dann Sänger Juan Ricardo, der nach früheren Auftritten mit Wretch (2017) und Ritual (2019) dieses Jahr zum dritten Mal, heute mit seiner Band SUNLESS SKY am Start ist. Die US-Metaller sind im Laufe ihrer drei veröffentlichten Alben kontinuierlich vom Quintett zu Trio geschrumpft. So besetzt Ricardo mittlerweile nicht mehr nur den Sängerposten, sondern bedient zusätzlich auch noch seinen Fünfsaiter-Bass, was den üblichen Bewegungsradius des agilen Frontmanns entsprechend einschränkt.
Der progressive, manchmal etwas thrashige US-Metal von SUNLESS SKY ist sicher keine ganz so leicht verdauliche Kost. Durch die Trio-Konstellation und das Fehlen eines zweiten Gitarristen bekommen selbst die straighteren älteren Songs einen etwas „frickeligeren“ Charakter (was ich persönlich voll abfeiere). Deshalb geht es vor Bühne leider nicht mehr ganz so wild ab wie bei den vorigen, musikalisch eingängigeren Bands. Trotzdem fühlt sich das Publikum bestens unterhalten. Denn neben dem wie immer bestens aufgelegten und meist über das ganze Gesicht strahlenden Juan Ricardo steht sein kongenialer Gitarrist Ed Miller auf der Bühne, der mit seinen sechs Saiten abgeht, als gebe es kein Morgen mehr.
Besagter Ed Miller hatte Anfang der 90er das Demo „Come Die With Us“ und das Debütalbum „The Plot Sickens“ der US-Metaller Mystik mit eingespielt, die in Underground-Kreisen bis heute Kultstatus genießen. Der heutige FMO-Auftritt ist nach 30 Jahren sein erster Abstecher nach Europa seit der damaligen Mystik-Tour. Später erzählte mir Ed, dass seine Tochter ihn vor der Abreise gefragt hatte, ob sich in Deutschland wohl noch irgendjemand an Mystik erinnern würde. Seine Antwort: „Ganz sicher nicht“. Tja, lieber Ed, so kann man sich täuschen…
Auf der Bühne entwickeln Ricardo und Miller in ihrer Kommunikation untereinander und mit dem Publikum einen Unterhaltungsfaktor und teilweise eine Situationskomik, die man einfach selbst miterlebt haben muss und die diesen Gig so einzigartig machen. Abgesehen davon spielen SUNLESS SKY einfach ein fantastisches Best-of Set ihrer drei Alben runter und gehören für mich klar zu den Highlights des Festivals.
Nach dem SUNLESS SKY Gig brennen die Jungs von Crossmusic e.V. vor der DGH-Halle ein schönes Feuerwerk zur Feier des 10. Jubiläums des FullMetal Osthessen Festivals und quasi auch zur „Wiederauferstehung“ nach der Corona-Pause ab. An dieser Stelle einfach noch einmal meine persönliche Gratulation und Verneigung vor der Leistung und dem Einsatz des Vereins und all seiner Mitglieder und Helfer.
Emerald
Aufgrund des Feuerwerks starten die Schweizer EMERALD mit einiger Verspätung in ihr Set und damit das Finale des FullMetal Osthessen 2023. Eine Handvoll Besucher verlassen fast fluchtartig das Festival, als auf der Bühne ein Keyboard aufgebaut wird (ich sag jetzt mal nichts). Der weitaus größere Teil der Besucher reaktiviert aber notfalls auch die letzten Reserven, so dass man ohne Zweifel attestieren kann: EMERALD feiern als verdienter Headliner eine Metal-Party vor nahezu voller Hütte ab!
Da ich selbst erst noch mit den Leuten von Sunless Sky und Wallop im Merchzelt am Feiern bin, komme ich erst mit ca. 20-minütiger Verspätung in die Halle, sehe und höre aber sofort, dass die Band so wirklich alles im Griff hat. Dass die Schweizer mit fünf Mann plus Bassistin Vania auf der Bühne stehen, macht natürlich (nicht nur bei diesem Auftritt) allein optisch einiges her. Und das „bedrohlich an der linken Front“ aufgebaute Keybord von Thomas Vaucher lässt erstaunlicherweise keinen der abfeiernden Fans plötzlich zum Popper werden 😉
Bei besten Soundverhältnissen feiern alle eine Metal-Party, wie es das FullMetal Osthessen nicht anders verdient. Insgesamt zocken EMERALD ganze 17 Songs mit klarem Schwerpunkt auf dem neuesten Album „Restless Souls“ runter. Ältere Jahrgänge (OMG, offensichtlich gehöre ich mittlerweile auch zu dieser Gruppe) feiern zwischendrin die Metalversion der Rocky-IV-Hymne ‚No Easy Way Out‘ ab. Zum „alten“ Bandhit ‚Tears Of A Warrior‘ kommt Orginalsänger Jvo Julmy, der ja schon kurz zuvor mit Distant Past überzeugt hat, noch einmal auf die Bühne und wird vom Publikum als auch von seinem Nachfolger Mace Mitchell, der ansonsten wie immer einen tollen Job abliefert, gebührend abgefeiert.
Hammerharter Gig bis jetzt. Als I-Tüpfelchen und letzte Zugabe bringen EMERALD auch noch den Maiden-Klassiker „Wasted Years“. Spätestens hier gibt es kein Halten mehr. Die Halle steht Kopf. Die glücklichen Hauptorganisatoren des FMO, Markus Bohn und Andreas Pfeiffer, schütteln auf der Bühne gemeinsam mit der Band ihre Köpfe. Besser kann ein Festival gar nicht enden. Ich freue micht jetzt schon auf das nächste FullMetal Osthessen.
Text: Joe Nollek
Bilder: Joerg Lobo von El Lobo Konzertfotografie