FLOOR JANSEN, ANNEKE VAN GIERSBERGEN – Oberhausen
FLOOR JANSEN – ANNEKE VAN GIERSBERGEN
07. Mai 2023
Oberhausen, Turbinenhalle 2
Wenn bei einem Konzert vor Beginn und in der Umbaupause Pink, Adele und die Foo Fighters vom Band kommen, liegt der Verdacht nahe, dass es sich nicht um die brettharte, metallische Vollbedienung handelt, sondern sowohl Pop- als auch Rockfans auf ihre Kosten kommen werden.
So gab sich also zum Abschluss des vergangenen Wochenendes Nightwish-Front- und Powerfrau FLOOR JANSEN in der Oberhausener Turbinenhalle die Ehre und die Fans pilgerten in groĂer Menge zum Ort des Geschehens. Die Turbinenhalle zwo ist an diesem Maiabend bestens gefĂźllt und es hat eine Weile gedauert, bis die sich Ăźber den Parkplatz windende Schlange an Menschen im Gebäude verschwunden ist. Doch der Reihe nachâŚ
ANNEKE VAN GIERSBERGEN
Mit ANNEKE VAN GIERSBERGEN hat ihre niederländische Landsfrau einen guten, passenden und kompetenten Special Guest gefunden. Dabei fßllt die ehemalige The Gathering und aktuelle Vuur Sängerin die Bßhne komplett allein aus, denn begleitet wird sie nur von Beats und ab und an einem Halbplayback, die sie von einer analogen Bandmaschine und einer Art Loopstation abruft.
Dabei weiĂ der grĂśĂtenteils reduzierte, akustische Alternative Rock, den die 50-Jährige solo zelebriert, den Anwesenden durchaus zu gefallen und wird mit einer Menge Applaus bedacht. So das erĂśffnende `Agape´, das flotte, augenzwinkernde `I Saw A Car´ sowie ´Hurricane´ vom aktuellen âThe Darkest Skies Are The Brightestâ Album.
Noch besser kommen allerdings die Coverversionen im Verlauf des etwa halbstĂźndigen Auftritts beim Publikum an, darunter der balladeske The Gathering Track `Saturnine´ vom Dreher âIf Then Elseâ (2000). So richtig elektronisch und eingängig wird es dann beim Kate Bush Klassiker `Running Up That Hill´. Und ein wenig rockig und metallisch geht es mit dem Ayreon StĂźck `Valley of the Queen´ sowie ´Like a Stone´ von Audioslave, dem leider 2017 verstorbenen Soundgarden, Temple of the Dog und eben Audioslave Frontmann Chris Cornell gewidmet, schlieĂlich doch noch zur Sache.
FLOOR JANSEN
Zu den Klängen der Hymne `Fire´ von ihrem gerade verĂśffentlichten ersten Soloalbum als umjubeltem Einstieg kommt die mittlerweile zur weiblichen Metalikone mutierte, stĂźrmisch begrĂźĂte FLOOR JANSEN auf die BĂźhne. Die Niederländerin wird von Anfang an auf Händen getragen und der Empfang des Oberhausener Auditoriums grenzt wie Ăźberall beinahe an Heldenverehrung.
Das sehr gemischte Publikum – vom Kuttenträger in den besten Jahren bis zum Rentnerehepaar und vom Finanzbeamten bis zum Teufelsanbeter ist alles vertreten â wird im Folgenden mit dem ersten Northward Song und dem packenden weiteren Solotrack `Invincible´ begrĂźĂt. Die StĂźcke der Band, in der die KĂźnstlerin gemeinsam mit Pagan´s Mind Gitarrist Jorn Viggo Lofstad sperrigen, gradlinigen, manchmal etwas dissonanten Hardrock in der Tradition von Skunk Anansie und den Foo Fighters macht, scheinen nicht auf komplett ungeteilte Gegenliebe aller Anwesenden zu stoĂen.
Die Setliste wurde gegenĂźber den Auslandsgigs nur geringfĂźgig verändert und um zwei deutschsprachige und aus der VOX TV-Show âSing meinen Songâ bekannte Lieder ergänzt. Durch die neunte Staffel der Sendung wurde die Sängerin 2022 einem breiteren Publikum bekannt. Eine sehr gute Entscheidung, denn die Versionen von `Anfassen´ von Johannes Oerding (und nicht Oerdinger, auch wenn die von FLOOR JANSEN hier vermutlich gemeinte Biermarke nochmal geringfĂźgig anders heiĂt) und `So schnell vorbei´ von Clueso gehĂśren zu den absoluten Fanlieblingen und Abräumern des Tages.
Die bekanntermaĂen mit Sabaton Drummer Hannes van Dahl verheiratete und in Schweden lebende Nightwish Frontfrau glänzt mit Ausstrahlung, Aura und ihrer groĂartigen Stimme. Sie wirkt glĂźcklich, zufrieden und in sich ruhend und fĂźhrt sympathisch und mit zum grĂśĂten Teil deutschsprachigen Ansagen durch den Abend. Sie strahlt und sieht augenzwinkernd in ihrer zweiten Schwangerschaft den Vorteil, eventuell falsche TĂśne auf das Baby schieben zu kĂśnnen, welches wohl fĂźhlbar gut âmitgehtâ.
Diesen Umstand drĂźckt sie im Zusammenhang mit dem Northward-Song `Paragon´ von 2008 nochmals aus. Damals sah sie ihre kĂźnstlerische Idealvorstellung und Selbstverwirklichung noch schemenhaft am Horizont, während sie sich dieser nun Ăźber eine Dekade später, etwas älter, eindeutig gereift und eine Spur weiser deutlich nähergekommen sieht und mit dem Titel ihrer Soloscheibe âMy Paragonâ nun die musikalische Antwort gibt.
Der Schwerpunkt liegt auf den leisen TĂśnen, die Sängerin erweist sich einmal mehr als Balladenqueen und Meisterin der groĂen GefĂźhle. So bestreitet sie den Mittelteil des Gigs mit Akustikgitarre und auf einem Barhocker sitzend, um unter anderem das ihren anwesenden Eltern gewidmete `Our Decades In The Sun´ (Nightwish) vom Album âEndless Forms Most Beautifulâ (2015) und die After Forever Ballade `Strong´ zu performen, die zum emotionalen HĂśhepunkt gerät, bei welcher der gerĂźhrten 42-Jährigen am Ende gar kurz die Stimme versagt.
Doch legt man die Publikumsreaktionen bei einigen der flotteren After Forever Stßcken und Solosongs wie `Storm´ und anderen zugrunde, wäre die ein oder andere weitere schnelle Nummer wohl auch keine allzu schlechte Idee gewesen, doch auch so wird die Sängerin gebßhrend abgefeiert. Wer eine wilde Metalsause erwartet hat, der wird vermutlich enttäuscht nach Hause gegangen sein, denn im Ansatz gebangt wird nur bei den beiden etwas härteren After Forever Nummern `Energize Me´ und `Face Your Demons´ und die bereits erwähnte Ballade bleibt auch der einzige heute dargebotene Track der Symphonic Metal Hauptband.
Doch der GroĂteil des Publikums scheint mit dem Solomaterial der KĂźnstlerin vertraut zu sein, denn die halbe Halle zeigt bei der Frage nach den Besitzern des Albums auf und singt lautstark mit. Diese bekommen die ultimative Vollbedienung, denn im Verlauf der knapp einhundert Minuten werden alle zehn Songs des DebĂźts heute gespielt.
Mit den aus dem Titelsong und dem flotten `Daydream´ bestehenden kurzen Zugabenblock werden die Anwesenden glßcklich in den Abend entlassen. Gerne wieder egal ob solo oder am 12. Juni beim Abschlusskonzert mit Nightwish im Amphitheater Gelsenkirchen, bevor es in die Album- und Babypause geht!
Setliste Floor Jansen:
Fire (Intro)
Fire
Storm in a Glass (Northward Song)
Invincible
Anfassen (Johannes Oerding Cover)
Armoured Wings
Bridle Passion (Northward Song)
While Love Died (Northward Song)
Energize Me (After Forever Song)
Paragon (Northward Song)
Storm
Hope
Our Decades in the Sun (Nightwish Song)
Strong (After Forever Song)
Me Without You
The Calm
Face Your Demons (After Forever Song)
So schnell vorbei (Clueso Cover)
Come Full Circle
Encore:
My Paragon
Daydream
Invincible (Instrumental/Outro)
Text: Michael Gaspar
Photo Credits: Sven Bernhardt