Castle Rock Festival 2023
MEGAHERZ, WARKINGS , NULL POSITIV, STORM SEEKER, SOULBOUND, THE 69 EYES, END OF GREEN, LACRIMAS PROFUNDERE, HELDMASCHINE, NACHTBLUT, VODOOMA, CIRCUS OF FOOLS, SEELENSTURM
30. Juni – 01. Juli 2023
Mülheim a.d. Ruhr, Schloss Broich
Und jährlich lockt das Castle Rock. Das Mülheimer Open Air Festival ist seit Jahren bekannt für seine großartige Location im Schloss Broich, die familiäre Atmosphäre und angemessene Preise, die Dank der vielen freiwilligen Helfer die allgemeine Kostenexplosion hier kaum spürbar werden lassen. Wie eigentlich immer war die Veranstaltung auch 2023 mit seinen insgesamt 13 Bands so gut wie ausverkauft und Publikum, Veranstalter Michael und die Bands allenthalben glücklich und zufrieden.
Tag 1. Freitag, 30.06.2023
MEGAHERZ, WARKINGS , NULL POSITIV, STORM SEEKER, SOULBOUND
SOULBOUND
Die Bielefelder Melodic Industrial Metal Truppe von SOULBOUND hatte den Slot als Festival Opener ergattert und hatte richtig Bock darauf! Der immer
strahlende Sänger Johnny verfügte über eine ansteckend gute Laune, die er scheinbar mühelos auf die immer zahlreicher werdenden Gothics, Metalheads und sonstige Anwesenden übertrug. Musikalisch wurde der aktuelle Titeltrack `Addicted to Hell` zum ersten Song des Tages. Gefolgt von `Toxic` und das mit dem Life Of Brian Spruch „Ihr seid alles Individuen“ angekündigten `Fuck You`. Damit tritt die Band für eine offene Gesellschaft ein und bringt die Fans auch in Mülheim erfolgreich auf die Knie. Auch `Devil`, `Undone` und `Crash and Burn` kommen sauber engagiert und „frisch“ von der Bühne. Als der SOULBOUND Gig nach 40 Minuten dann mit dem letzten Klängen von `Alive` ausklingt, haben alle einen verdammt gelungenen Auftakt des Castle Rock Festivals erlebt.
STORM SEEKER
Weiter geht es mit Pirate Folk Metal aus Düsseldorf und Neuss: STORM SEEKER geben sich die Ehre und unterhalten den historischen Burghof mit ihren eingängigen Gassenhauern wie `Pirate Squad´ und `Destined Course´. Fabienne Kirschke verwandelt ihre Hurdy Gurdy bei Bedarf in eine Fidel oder bringt ihren Jungs die Flötentöne bei und Keyboarder Tim „Ughar“ Braatz versorgt seinen Fronter mit einem frisch auf der Bühne gezapften Humpen Gerstensaft. Ein Großteil des Publikums hat bei strahlendem Sonnenschein schon am frühen Abend seinen Spaß und auch der Aufforderung, sich beim mitreißenden `Row Row Row´ gemeinsam in die Riemen zu legen und kräftig mitzuhelfen, wird fleißig Folge geleistet.
NULL POSITIV
Wie man bereits an den zahlreich vorhandenen Band- und Elli Berlin Shirts unter den Anwesenden erkennen kann, ist die aufstrebende Truppe aus dem
Spreewald längst kein Geheimtipp mehr. Schon beim Auftakt ´Freiheit´ geht und klatscht das Publikum enthusiastisch mit und schwingt die Arme im links/rechts Rhythmus. Besonders der brandneue Song `Insomnia´ kommt bestens an und der hypnotische Chorus wird aus vielen Kehlen mitgesungen. Die charismatische Frontfrau überzeugt gesanglich, ist optischer und musikalischer Dreh- und Angelpunkt der Ihren und zieht die Menge in ihren Bann. Für den durchschnittlichen Festivalbesucher ist der harte deutschsprachige Modern Metal, bei dem sie im schnellen Wechsel zwischen Klargesang, Shouts und Growls wechselt, allerdings nicht wirklich prompt und leicht verdaulich. Mit weiteren starken Songs wie `Friss Dich auf´, `Koma´ und `Monster´ sowie viel Energie und Dynamik legt die Band jedoch insgesamt einen guten Auftritt hin und empfiehlt sich nicht nur ihrer treuen Fanschar für weitere Aufgaben.
WARKINGS
Könnte man die lupenreinen Power Metaller im Billing des schwarzen Festivals zunächst für musikalisch ein wenig deplatziert halten, so entpuppen sie sich als erster großer Abräumer des Abends und machen dieses vermeintliche Manko mit einer aufwändigen Show und amtlichen Songs
problemlos wett. Spartan, Viking, Crusader und Tribune betreten beim knackigen Intro nacheinander wie gewohnt maskiert und kostümiert einzeln die Bühne und legen mit `The Last Battle´ und `Maximus´ gleich saustark los. Mit mordseingängigen Stücken wie `Hephaistos´ und jeder Menge Pyrotechnik und anderen Gimmicks, aber vor allem weiteren eingängigen und mitsingtauglichen Power Metal Hymnen im Gepäck kann hier kein `Hellfire´ anbrennen. Bei diesem und den beiden folgenden Songs erhält der Fronter dann auch noch zusätzliche weibliche gesangliche Unterstützung durch die mystische Morgana Lefay. Und bei `Spartacus´ singt der mittlerweile sehr gut gefüllte Innenhof begeistert mit, nachdem einigen Besuchern die 2024er Tickets beim um 19 Uhr gestarteten VVK für das kommende Festival oder ein Foto mit der beliebten Elli Berlin zunächst wichtiger waren. Bei `Fight´ zeigt der Tribune, dass er sich selbst nicht allzu ernst nimmt und schnappt sich kurzerhand eine aus der Menge gereichte Luftblasenbazooka, um seine Bandkollegen zu „beschießen“. Zu `We Are The Fire´ folgt der nächste Großeinsatz an Feuersäulen und -bällen, bevor die beiden „Hitsingles“ `Sparta´ und `Gladiator´ wieder gemeinsam mit der Queen Of The Damned einen kurzweiligen Aufritt kraftvoll beschließen, der viel zu schnell vorbeigegangen ist.
MEGAHERZ
Zum 30jährigen Bestehen der Band freuten sich MEGAHERZ über die erstmalige Position des Headliners auf dem Castle Rock. Dabei sind die NDH Veteranen auch an diesem Abend keine Selbstläufer sondern, müssen sich ihren Applaus verdienen. Und das tun sie auch mit einer engagierten Show, Bühnenpräsenz und jeder Menge Klassiker im Gepäck der selbstironischen „alten Säcke“ Dabei legen sie gleich mit `Vorhang auf`, `Jordan` und `Horrorclown` ordentlich druckvoll los und ernten gute Reaktionen, die sich im Verlauf des Sets noch weiter steigern lassen. `Heuchler`, die Halbballade `Einsam` , das politische `Nicht in meinem Namen` oder der alte Track `Kopfschuss` verfehlen die gewünschte Wirkung im Schlosshof nicht, der sich inzwischen weitgehend ergeben hat und vielfach den NDH feiert.
Mit dem Zugabeblock schließlich haben MEGAHERZ dann endgültig gewonnen. Das von fast allen mitgesungene `Miststück`, die neue Single `Alles Arschlöcher` vom kommenden Album „In Teufels Namen“, `Jagdzeit` und `Himmelsstürmer` beenden den ersten Abend unter einem Headliner würdigen Applaus.
Tag 2: Samstag, 01.07.2023
THE 69 EYES, END OF GREEN, LACRIMAS PROFUNDERE, HELDMASCHINE, NACHTBLUT, VODOOMA, CIRCUS OF FOOLS, SEELENSTURM
SEELENSTURM
Den Auftakt zu Tag zwei übernehmen bei Niesel-/Sprühregen am Samstagmittag die Goth Rocker SEELENSTURM aus Düsseldorf und ziehen sich mit sympathischen Ansagen, einem engagierten Auftritt und melancholisch-düsteren Stücken wie `Was bleibt´, `Bis in den Tod´ und `Keine Fragen´ mehr als achtbar aus der Affäre und das Publikum in seinen Bann. Mit dem passenden Songtext von `Komm schon` („Lass uns die Sonne sehen“) versucht Sänger Oliver Bölke dann eindringlich und letztlich nicht komplett erfolgreich, den Regen für den Rest des Tages zu vertreiben.
CIRCUS OF FOOLS
Eine hochinteressante Truppe schließt sich mit dem Septett CIRCUS OF FOOLS aus Tübingen an, das vor Spaß und Spielfreude nur so strotzt und mit zwei Sänger:innen, zwei Gitarristen, Programmings und Bratsche ein wahres Feuerwerk an Ideen und Stilelementen abfeuert. Songs wie `Eris´ und `Fallen Paradise´ bewegen sich irgendwo zwischen Modern Metal, Melodic Death, Folk/Symphonic, Crossover und Elektro. Zudem treibt die Band einen enormen Aufwand in Sachen Makeup, Kostüme und Einbindung der namensgebenden Zirkuselemente. Sänger Tim sorgt für die längste (und einzige) Polonaise des Festivals und weitere mitreißende Stücke wie `Orgy Of Indulgence´ und `In The Name Of Science´ für packende Samstagnachmittagunterhaltung und eine gelungene Show.
VODOOMA
Nach diesem energetischen Höhepunkt können die Dark Rocker VODOOMA aus Düsseldorf eigentlich nur verlieren. Mit viel Routine und eingängigen Songs wie dem Auftakt `Sanctus Domine´ und `We Are The Lost´ vom aktuellen „Hellbound“ Dreher machen sie das Beste daraus. Sänger Michael Thionville entpuppt sich nicht gerade als Rampensau, sondern lässt lieber melodisch-melancholische Tracks wie Save Me´ und `Virus´ für sich sprechen, was die Menge durchaus mit viel Applaus goutiert.
NACHTBLUT
Die angeschwärzten Dark Metaller NACHTBLUT aus Ibbenbüren machen da allein schon aufgrund ihrer Gewänder und schneeweißem Corpsepaint eine Menge mehr her und überraschen einen Teil des Auditoriums mit ihrem modernen melodischen Sound mit deutschsprachigen, teilweise aggressiven, blackmetalartigen Vocals und mitreißenden Stücken wie `Multikulturell´, `Kaltes Herz´ und `Gegen Die Götter´. An den Publikumsreaktionen ist abzulesen, dass viele der Anwesenden mit dem atmosphärischen Songmaterial der Band vertraut oder auch und gerade wegen Fronter, Blickfang und Frauenschwarm Askeroth und seinen Mannen nun vor der Bühne stehen. Die sympathischen Ansagen werden ausnahmslos von Bassist AblaZ übernommen. Die oft brutal und misanthropischen Lyrics sind in beinahe eingängige, abwechslungsreiche Songs wie `Amok´, `Ich trinke Blut´ und `Frauenausbeiner´ verpackt. Diese werden intensiv und überzeugend dargeboten und ganz festivallike dann auch noch die bekannte Die Prinzen Coverversion `Alles nur geklaut´ im Set untergebracht. Ein gelungener Auftritt, welcher der Truppe unter dem Strich verdiente, stürmische Ovationen einbringt.
HELDMASCHINE
Bei den folgenden Koblenzer NDHlern HELDMASCHINE wird der Platz vor der Bühne tatsächlich noch etwas knapper, da viele neugierige und treue Anhänger ihren Helden nah sein möchten. Die Mischung aus harten Beats, eingängigen Melodien und Rammstein Vocals kommt dann auch bei vielen zunächst unbedarften Anwesenden unerwartet gut und kurzweilig an. Nach dem maskierten Auftritt kann das Quintett eine Menge packende Songs wie `Luxus´, `Kein Zurück´ und `Das Argument´ aus mittlerweile zwölf Jahren Bandgeschichte in die begeisterte Menge feuern. Und auch optisch wird den Anwesenden so einiges geboten. Beim Trommel-Intro zu `Ich, Ich, Ich´ kommen beleuchtete Drumsticks zum Einsatz und bei `Radioaktiv´ verschießt Frontmann Rene Anlauff pinke Laserstrahlen in den dafür eigentlich noch etwas zu hellen Samstagabendhimmel. Auch das eindeutig zweideutige `Auf allen Vieren´ sorgt für Begeisterungsstürme, während bei `Springt´ eben das von der gebannten Menge umgesetzt wird. Und auch mit den Nummern `Hast Du Angst` und dem rollenden `R`, ein Plädoyer für Meinungsfreiheit, folgen weitere Highlights. Sehr gute Leistung und der erste atmosphärische Höhepunkt des Tages.
LACRIMAS PROFUNDERE
LACRIMAS PROFUNDERE waren für einen Gutteil der Anwesenden eine der Hauptattraktionen des Festivals. Im Zentrum des Interesses stand natürlich Sänger und Blickfang Julian Larre, der den Gothic Rock Veteranen um Bankopf Oliver Nikolas eine Frischzellenkur erster Güter verpasst hat und hervorragend zur musikalischen und Weiterentwicklung der Band passt.
Der Opener `Awake`, `Life Screams Into Empty Halls` und der Hammertrack `A Cloak Woven Of Stars` machten den Einstieg in eine wirklich intensive Show. In deren Verlauf Julian growlt und screamt als gäbe es kein Morgen, der Fronter tanzt und tobt über die Bühne, feuert die Menge an, streut „Ooohhhh“ Mitsingparts ein und singt aus dem Fotograben, um den Fans nahe zu sein. Eine klassischer Gothrock Auftritt geht anders auch wenn zum Beispiel `Celestite Woman` oder `Unseen` klare Gothrock Tracks sind, nur eben mit Screams und mehr Härte gespielt. Bei `Ave End` stürzt sich der Fronter schließlich in die Menge, von der er wortwörtlich auf Händen getragen wird. Er bleibt dort minutenlang und singt fast den kompletten Song umringt von den Fans, die ihm quasi aus der Hand fressen. Fannähe pur!
Nach dem finalen treibenden Track `Father Of Fate` und 13 Songs (plus In- und Outro) steht fest, LACRIMAS PROFUNDERE haben den traditionellen Sounds des Gothic Rock deutlich erweitert auch wenn die älteren Tracks in der Setliste wie `The Letter` oder `My Release In Pain` natürlich erhalten bleiben. Mit hochklassigen Songs und einer Rampensau wie Julian, steht dem weiteren Gedeihen der Band absolut gar nichts im Weg. Das Castle Rock hat den Auftritt auf jeden Fall in weiten Teilen gefeiert.
END OF GREEN
Die süddeutschen Dark-Rocker END OF GREEN treten routiniert auf. Dabei kommt die Band mit ihrer Mischung aus, zum Teil ziemlich metallischen Riffs und entsprechender Bühnenaction seitens der bangenden Band und den eher im Gothic verwuzelten Vocals von Sänger Michael Huber beim Publikum eigentlich ganz gut an, wissen aber nicht alle restlos mit ihrer Performance zu überzeugen. Dabei rocken Songs wie `Hurter`, `Dark Side Of The Sun` oder `Dead City Lights` sehr ordentlich aus der PA. Zwar wird auf Interaktion mit dem Publikum oder großartige Ansagen weitgehend verzichtet aber beispielsweise der Altersjoke auf Oliver Merkles (Kirk Kerker) Kosten der „fast 50 geworden sei und Frontmann Michael mit 38 deutlich der Jüngste“, zeigt dass END OF GREEN an diesem Tag schlicht entspannt sind und den Gig einfach genießen. Als letzten Song liefern sie dann den neuen, getragenen Track `Ashes And Gold` ab und beenden damit eine sehr anständige Show.
THE 69 EYES
Als krönender Festivalabschluss betraten THE 69 EYES dann mit den letzten Tönen des Elvis Intros die Bühne, um den Schlosshof mit einem Querschnitt ihrer Karriere zu rocken. Sänger Jyrki 69 und seine Band sind an diesem Abend gut drauf und servieren nach dem Einstieg mit `Devils`, `Feel Berlin` und `Perfect Skin` ein frühes `Gothic Girl`, das ein erstes echtes Highlight setzt und die Stimmung unter den Fans anheizt. “Now we’re talking!“.
Der Sonnenbebrillte Fronter zeigt sich heute von seiner besten Seite, ist kommunikativ und animiert die Fans. Sprich die Helsinki Vampires feiern heute eine standesgemäße und gut gelaunte Dark Rock’ n Roll Show, und das Publikum macht mit. Die Titel `Gotta Rock` und `Two Horns Up` sprechen da die berühmten Bände und wenn Jyrki 69 ebenfalls die Fannähe sucht und sogar in den Fotograben steigt, um Hände zu schütteln, dann kann die Stimmung bei den Fans und bei der Band, die übrigens musikalisch einen tadellosen Job macht, einfach nur gut sein.
Mit Goth-Hits wie `Wasting the Dawn` oder dem abschließenden Dreierwumms aus `Brandon Lee`, `Dance d’Amour` und natürlich der letzten Zugabe `Lost Boys` schicken THE 69 EYES die Fans dann zum Abschied höchst zufrieden nach 16 Songs in die Nacht bzw. zur Aftershowparty.
Danke Castle Rock, wir kommen 2024 gerne wieder!
Die Vorankündigung mit den ersten Bands für findet ihr hier bereits hier.
Text: Michael Gaspar, Sven Bernhardt
Photo Credit: Sven Bernhardt