CASTLE ROCK Festival 2022

LORD OF THE LOST,  CREMATORY, BELOVED ENEMY, THANATEROS, LORDI, JOACHIM WITT, AEVERIUM, VLAD IN TEARS, SKI´S COUNTRY TRASH, HELL BOULVEARD

01. – 02. Juli 2022

Schloss Broich, Mülheim a.d. Ruhr

Nach zwei Jahren der Pandemiebedingten Abstinenz ging am ersten Juliwochenende endlich wieder das wegen seiner entspannten Atmosphäre und den Bands überregional geschätzte CASTLE ROCK Festival über die Bühne.  Mit LORDI , LORD OF THE LOST, WITT, CREMATORY und vielen weiteren Bands der mehr oder minder schwarzen und metallischen Szene, war das Schloss auch restlos ausverkauft und zwei Tage ein Hort der fröhlichen Dunkelheit im strahlenden Sonnenschein und mit vielen nicht schwarzen Momenten.

Tag 1. LORD OF THE LOST,  CREMATORY, BELOVED ENEMY, THANATEROS

Der Auftakt durch die Mittelalter-Rocker Ingrimm fiel für uns leider den Ruhrgebietstypischen Verkehrsverhältnissen zum Opfer. Zunächst durfte daher die deutsche Band THANATEROS ihren Gothic Metal/Darkwave-Mix mit leichten Folk-Elementen, die in den letzten Jahren deutlich zurückgefahren wurden, präsentieren. Der Fünfer aus Regensburg erzeugte mit seinem dunklen, langsamen Sound eine atmosphärisch dichte Stimmung und erntete für ihre Stücke wie `Leah´, `Dark Raven´ und `Black Forest´ verdient mehr als nur den höflichen Achtungsapplaus, des naturgemäß sehr gemischten Publikums aus „Normalos“, Familien über Metalfans bis hin zu kunstvoll gewandeten Gothics. Vor allem aber wurde mit dem neuen, 2022 erschienenen Gänsehauttrack `Fading´ abgeräumt.

 

Im Folgenden steht ein bemerkenswertes Live-Comeback auf der Bühne im Mülheimer Schlosshof auf dem Programm. Die deutschen Darkrocker BELOVED ENEMY hatten an gleicher Stelle am 13. Juli 2013 ihre Auflösung bekanntgegeben und einen für 2015 geplanten Auftritt aus Krankheitsgründen von Gitarrist, Produzent und Bandgründer Peter Kafka, der auch anno 2022 nur noch hinter der Bühne die Fäden zieht, absagen müssen. Das Wiederaufleben der Band sollte dann mit einem Auftritt auf dem Castle Rock 2020 gefeiert werden, welcher sich aus den bekannten Gründen um zwei weitere Jahre verzögerte. Nach anfänglichen technischen Problemen hat der charismatische Frontmann Ski-King „Dead L-vis“ und der ungewöhnliche, aber mitreißende Stilmix von The 69 Eyes und Joy Division bis zu Type O, Sabbath, Motörhead und Elvis die feierwillige Menge voll im Griff. Songs wie `Rest In Peace´, vom kommenden Album “Back From The Other Side“ werden ausgiebig bejubelt. Und auch bei Stücken wie `Drowning` ,`Thank You For The Pain`, `Lorraine` und dem großartigen `Virus Undead´ verspürt man die enorme Freude wieder gemeinsam live auftreten zu dürfen und den Spaß an der Sache, bevor schließlich ´Fuck Me Back To Life´ den Gig beendet. Man hat das Gefühl, das Publikum habe lange nicht getroffene, gute, alte Freunde wieder willkommen geheißen, während die Gruppe eine Form des fröhlichen Nachhausekommens ausstrahlt

 

Die zurückgekehrten CREMATORY gehören als quasi Goth Metal Band mit ihrem Stilblend genau hierher, auf dieses Festival, so viel ist mal klar. Seit 30 Jahren im Business, sind Sänger “Felix“ Stass und seine Band erfahrene Profis genug, um eine standesgemäße, ordentliche Leistung ohne Aussetzer (aber auch ohne großartige Lichtpunkte) zu setzten. Wobei sie selbst gar nicht mal schlecht drauf sind und Spaß an dem Auftritt zu haben scheinen. Dazu gibt es einige Showelemente und eben das Songmaterial, das in letzter Zeit wieder recht erfolgreich zu sein scheint. Inhaltlich legen die Mannheimer den Schwerpunkt eben auch auf das neuere, deutsche Material.

`Inglorious Darkness` wird als Opener genutzt, `Höllenbrand`, `Trümmerwelten` aber auch ältere Songs wie  das NDH-lastige `Tick Tack` oder `Wrong Side` werden von weiten Teilen der  der dunklen Crowd wohlwollend aufgenommen. Ans Ende rückt natürlich `Tränen der Zeit`, die deutschsprachige Neuauflage des damaligen Clubhits `Tears Of Time`, der die Band bekannt machte und ob das Publikum nicht doch lieber das Original gehört hätte? Schwamm drüber.

 

Der Freitags-Headliner LORD OF THE LOST waren bereits zum vierten mal auf dem Castle Rock und Chris Harms und seine Truppe sind damit quasi in Mülheim zuhause, was die Band auch mehrfach betonte. Die Fans fressen der Band bzw. ‚The Lord‘ entsprechend mit den ersten Tönen aus der Hand . Dabei steigen sie mit einer harten Version von `Drag me to Hell` ein und setzen sofort ein Ausrufezeichen.

Aber nicht nur der harte oder theatralische Goth-Metal und Rock wird von der Band gekonnt zelebriert, sondern auch eine ungewohnt gute  Laune offen zur Schau getragen. Dazu passend gab es zu Beispiel das Lady Gaga Cover `Judas` und jede Menge Sprüche der Band, die heute gewissermaßen auf Ärzte-Niveau waren. Wenn zum Beispiel Keyboarder Gerard „mit lockerer Klaviermusik die technischen Probleme überbrücken“ soll und er es mit dann auch passend mit unpassender Musik tut. „Du weißt was sich auf eine Gothicfestival gehört“. Jedoch bleibt bei aller Spaßigkeit das musikalische Niveau jederzeit klar erhalten und LORD OF THE LOST Goth-rocken Songs wie `Six Feet Underground`, ` The Gospel Of Judas`, `Die Tomorrow` , `Loreley`, `On This Rock I Will Build My Church` oder Iron Maidens `Children Of The Damned` in eben ihrer Goth-Metallischen Variante. Überhaupt kann Chris seine riesige Freude nicht verbergen bei der Iron Maiden Tour den Opening Act geben zu dürfen aber das „Homecoming“ Feeling gäbe es halt in Mülheim. Das Publikum fühlt sich geschmeichelt und feiert ausgelassen mit der Band und wirklich alle schienen ihren Spaß hier zu haben.Das schräge `La Bomba` läutete den Zugabeblock ein, der von der Band selbst so genannt wird. Begründung:  „Das Ist nicht so anstrengend, ihr müsst nicht rufen, wir nicht runter und wieder rauf auf die Bühne“.  Sehr schön und es passte zu diesem Abend, wie der berühmte A auf den  Eimer,  der mit `Doomsday Disco` der LORD OF THE LOST eigenen YMCA Variante einen geradezu absurd komischen Abschluss findet. Ein schwarze Show mit verdammt viel Buntem dabei, so hatte ich die Band bisher noch nicht gesehen.

Tag 2 . LORDI, JOACHIM WITT, AEVERIUM, VLAD IN TEARS, SKI´S COUNTRY TRASH, HELL BOULVEARD

Tag 2 beim diesjährigen Castle Rock begann mit den Schweizer Dark Rockern HELL BOULEVARD, als deren optischer und musikalischer Fix- und Mittelpunkt sich nicht ganz unerwartet Frontmann Matteo Diva Fabbiani entpuppte. Der sympathische Vierer und sein angeschwärzter, aber gar nicht mal so dunkler, sondern recht gefälliger Hardrock mit elektronischen Anteilen kamen beim erneut bestens aufgelegten Publikum im bereits früh recht gut gefüllten „Rund“ hervorragend an. Eingängige Songs wie `Satan in Wonderland´, `In Black We Trust´ und der Titelsong des aktuellen Albums “Not Sorry“ kamen auch bei strahlendem Sonnenschein zur Geltung. Doch den stimmungsvollen Höhepunkt des Gigs bildete die, zumindest für den unbedarften Besucher, unerwartete Coverversion des Britney Spears Gassenhauers `Hit Me Baby One More Time´.

 

Weiter ging es mit SKI´S COUNTRY TRASH, einer Rockband rund um Wahl-Nürnberger und Beloved Enemy-Frontmann Andrew “Ski King” Witzke, die mit ihrem Sound mit für auf einem Gothic Festival eher ungewohnten Tönen überraschte. Mit ihrem Rock, Rockabilly und Country Repertoire aus Coverversionen von bekannten Größen wie Johnny Cash und Elvis Presley sowie Eigenkompositionen wie `Hell Yeah´ und `Neverending Road´ brachte die eingespielte Truppe den Burghof auf niedriger Stufe zum Kochen und Groß und Klein dazu, trotz hoher Temperaturen bereits nachmittags das Tanzbein zu schwingen. Noch dazu gab man eine gelungene, schweißtreibende Version des Motörhead-Klassikers `Ace Of Spades´ zum Besten, bevor der durch Johnny Cash bekannt gewordene Song `Hurt´, im Original von den Nine Inch Nails, für den emotionalen Abschluss des Gigs sorgte.

 

 

Die deutschen Gothic Rocker VLAD IN TEARS wurden 2007 von den drei Brüdern Kris (Gesang, Piano), Lex (Gitarre) und Dario (Bass) in Italien gegründet und traten anno 2022 bereits zum dritten Mal in Mülheim auf. Das spielfreudige und gar nicht mal so traurige (wie der Bandname vermuten lassen würde) Quartett und besonders Frontmann Kris Vlad sorgten vor allem bei den zahlreichen jungen Damen in den ersten Reihen sowohl optisch als auch musikalisch mit ihrem teilweise an Marylin Manson erinnernden Sound und Songs wie `Unbroken´, `Mary´ und dem abschließenden `Feed On Me´ für Verzückung. Und spätestens als das Cover des zwar von Chris Isaak stammenden, aber nicht zuletzt durch eine HIM-Version Ende der 90er bekannte `Wicked Game´ erklang, waren die sowohl optischen als auch stimmlichen Parallelen zu einem gewissen Ville Valo mehr als offensichtlich.

 

 

 

 

 

Am frühen Samstagabend enterten dann die Viersener Gothic Metaller AEVERIUM die Mülheimer Bühne und strahlten wie bereits vor Zwei-Wochen-Frist beim Duisburger ‚Rage Against Racism‘ eine Menge Spielfreude und Energie aus. Die eingängige und abwechslungsreiche Mischung aus Gothic, Symphonic und Power Metal mit dunklen Einsprengseln ist für ein familienfreundliches und -geeignetes Festival wie das Castle Rock, bei dem man nicht wenige Kiddies mit „Mickey Mäusen“ auf den Schultern ihrer Erzeuger sitzen sieht, genau das Richtige. Hier fanden sich Alt und Jung bei Songs wie `Hunted´, ´Departed´ und `The Other Side´ wieder und irgendwo in der Schnittmenge von Epica, Linkin Park und Evanescence war für jeden etwas dabei. Die Mixtur aus der grandiosen Stimme von Vanessa Katakalos mit ihrem klaren und manchmal symphonischen Gesang und ihrem Kontrapunkt in Form von Marcel „Chubby“ Römer mit seinen Screams, Shouts und Clawfinger-Gedächtnis-Raps funktionierte bestens und sorgte für einen insgesamt gelungenen, mitreißenden Gig. Der kommunikative Frontmann ludt die nach Live-Erlebnissen hungernde Menge bereits bei den ersten Songs wie `Break Out´ und `Distrust´ zum gemeinsamen Hüpfsport ein und ein Großteil der Anwesenden kam dieser Aufforderung auch bei den nach wie vor hohen Temperaturen nur allzu gerne nach. Und auch auf die Stärkung der Nackenmuskulatur wurde bei Stücken mit einer etwas härteren Gangart geachtet. Technische Probleme wurden geschickt und humorvoll umschifft und der vermeintliche „Kitsch-Song“ `Home´ mit einem vom Sänger angekündigten und sogenannten Richie-Sambora-artigen Solo garniert.

 

JOACHIM WITT ist nicht nur die 80er NDW Größe mit dem `Herbergsvater`, `Goldenen Reiter`, sondern seit dem 1998 erschienenen  “Bayreuth 1“ Album auch im Gothicbereich mehr als nur angesehen, wobei sich der “Onkel Joachim“ niemals auf eine bestimmte Schien festlegen ließ und die Genres und Stilrichtungen ständig wechselte und nach Belieben ausdehnte. Auch seine „Klassik Art-Tour“ 2019  überraschte und stieß nicht bei allen auf Gegenliebe. Umso gespannter sah das Publikum dem Auftritt entgegen. Der begann mit der neuen NDH-artigen  Nummer `Rübezahl` mit angemessener Härte und einer fetten Klangwand. `Dämon` und der  das Witt-typische Toleranz-Track `Kopfschwul` zwischen den Stilen folgten. Wobei eine JOACHIM WITT Show nicht nur durch die Musik lebt. Nein, denn aus dem Onkel ist mittlerweile der selbsterklärte Opa WITT geworden, der mit seinem Alter kokettiert, den grantelnden Greis gibt. „Noch hab ich ja gute Laune aber wenn ich mir die erste Reihe so angucke“ .

Dazu gehören schmunzelnde Sprüche wie “Ich sing ja auch gerne mal einen Schlager“ (`Die Erde Brennt´) oder wenn er mit seiner Enkelin lieber einen Tee trinken möchte, oder „sich mal ordentlich unbeliebt machen will“, zeigt sich der eigenwillige aber verdammt gekonnte Entertainer in ihm. Die Stimmung passt, das Publikum spielt mit und hat schlicht seinen Spaß an der nicht alltäglichen Performance des 73jährigen. Dazu gibt es natürlich `Die Flut`, `Super gestört und Super versaut` und die rockende Version vom `Goldenen Reiter` als finalen Höhepunkt einer unterhaltsamen und exaltiert, selbstironischen Show, die zu schnell zu Ende ging.

 

LORDI sind ein Live-Phänomen, denn die meisten Anwesenden, gehörten hier schließlich der dunklen Szene an und waren wohl kaum mit dem Songmaterial der Monster-Metaller vertraut. Dennoch rissen die maskierten Finnen den kompletten Schlosshof zu spürbarer Begeisterung hin. Klar, denn LORDI leben in großen Teilen von der Show, die sie einfach  meisterlich beherrschen. Angeführt vom Frontmann Mr. Lordi begibt sich die Band auch an diesem Abend mit dem Publikum auf eine gewohnt unterhaltsame Interaktionstour. Angefangen von den Running Gags mit denen er sein „gesamtes Deutsch“ immer wieder einfließen lässt:  „Scheiße heiß hier“, „ja und ja ja – I love this ja ja Shit“  und „Titten“.

Daneben überzeugen LORDI Songs auch durch ihren meist sehr eingängigen Hard Rock und Metal, den man schon in der zweiten Strophe fast fehlerfrei mitsingen kann. Auch wenn man die Texte vielleicht besser nicht zu genau unter die Lupe oder gar ernst nehmen sollte. `Get Heavy‘, `Borderline` und `Naked In My Cellar` eröffneten die furiose Full Entertainment Show  und Tracks wie `The Riff`, `Dynamite Tonight` oder` Hellbender Turbulence` sind einfach Abgehnummern, die schlicht jeden live zum Mitfeiern animieren können.

Ein Beispiel für die gelungene Zwischenspiel von Fans und Mr Lordi zeigt `Hug You Hardcore` das mit der Frage eingeleitet wird ob das Publikum den gern einen Hug möchte, was es natürlich bejaht. Nur: „The right answer if a guy looking like me asks you for a hug should be “No Sir”!! Der Mann spielt mit Erwartungen, reißt Witzchen, schwingt mal eine überdimensionierte Streitaxt oder eine monströse Kreissäge,  wirft bei „Who’s Your Daddy?` mit Konfetti und hüllt die Fans in mit seiner „Kanone“ in Nebel.

Bei `Hulkin Dynamo` darf sogar mal wieder ein echter Heiratsantrag auf der Bühne gemacht werden, wobei Sie ihren zukünftigen um seine Hand bittet, was natürlich auch nicht ohne „ja ja“ und nicht böse  „Titten“ Sprüche vom Meister selbst abläuft.  Danach nimmt die Show immer mehr Fahrt auf, mit Feuer und Getöse und so  können LORDI an diesem Abend einfach nur gewinnen. Der ultimative LORDI Song `Hard Rock Hallelujah` und `Would You Love A Monsterman?` geben das passende Ende eines absolut gelungenen Festivals 2022.

Bis nächstes Jahr, wir kommen bestimmt!

 

Texte: Sven Bernhardt, Michael Gaspar

 

Fotografie: Sven Bernhardt