Castle Rock 2024
STILL PATIENT? – BÖSE FUCHS – SKILTRON – VISIONS OF ATLANTIS – ORDEN OGAN – ANOTHER TALE – KAIZER – DOUBLE CRUSH SYNDROME – LEAGUE OF DISTORTION – A LIFE DIVIDED – UNZUCHT – GOTHMINISTER – SUBWAY TO SALLY
05. Juli – 06. Juli 2024
Mülheim a.d. Ruhr, Schloss Broich
Kein leichtes Spiel hatte die 2024er Ausgabe des CASTLE ROCK. So musste sich das traditionsreiche Festival in diesem Jahr gegen eine Kleinigkeit namens Viertelfinale bei der Europameisterschaft und ziemlich durchwachsenes Wetter durchsetzen. Auch das moderne, stark metallisch ausgefallen Line-Up mag dazu beigetragen haben, dass es diesmal nicht ganz so voll war, wie gewohnt. Aber Spaß gemacht hat es auch 2024 allemal.
Tag 1. Freitag, 05. Juli
STILL PATIENT?
STILL PATIENT? hatten um 16:00 Uhr die wenig dankbare Aufgabe das Festival zu eröffnen. Was das bei Regen am beginnenden Ferienwochenende im Ruhrpott bedeutet? Ganz klar eine Menge an zu spät kommenden Zuschauern, die genau wie wir, nur wenig vom traditionellen Gothic-Rock, der seit 1992 irgendwo in der Nähe von den Merciful Nuns und Diary Of Dreams angesiedelt ist, mitbekamen, Schade, denn die paar Minuten zeigten, dass die 2012 neu formierte Band absolut am richtigen Platz war und mit ihrer druckvollen Performance mehr als nur höflichen Applaus einheimsen konnte.
BÖSE FUCHS
Die Berliner Band BÖSE FUCHS, kam als nächstes, mit Verspätung, zum Zug. Erwartungsgemäß präsentierten die weiblich dominerte BÖSE FUCHS ihre
Mischung aus modernen Metal Sounds, digitalen Sounds und ein paar Symphonicanleihen. Dabei traf die zu drei Vierteln weiblich besetzte Band, um Bandkopf Valy, die mal sang, mal die Keyboards übernahm und natürlich auch Gitarre spielte, auf ein sehr offenes Publikum. Sprich der sich langsam füllende Schlosshof reagierte auf Songs wie `Gaya` oder `Alles Was Ich will` in weiten Teilen zwar nicht wirklich enthusiastisch aber erlebte den Auftritt der Digital Metal Crew auch nicht als totale Pleite.
SKILTRON
Den dritten Slot des Tages belegen die multinationalen Folk Metaller von SKILTRON. Schon als ich für mein Review das aktuelle “Bruadarach“ Album des Quartetts hörte, schwante mir, dass der energetisch-dynamische Dudelsacksound für die nachmittägliche Festivalbühne wie geschaffen ist. Und so funktionieren neue Songs wie `As We Fight´ und `This Battle Is My Own´ auf dem noch etwas spärlich gefüllten Burghof – liegt es am getrübten Wetter, an den beginnenden Sommerferien oder doch am EM-Viertelfinale der deutschen Mannschaft gegen Spanien? – bestens und animieren die Anwesenden erstmals zu ein wenig Bewegung, zumindest in den vorderen Reihen. Dudelsackspieler Pereg Ar Bagol und Sänger Paolo Ribaldini, dessen Joey DeMaio Lookalike Optik perfekt zum kraftvollen Power Metal meets Folk und Manowar Sound passt, präsentieren trotz gemäßigter Temperaturen ihre durchtrainierten Oberkörper, während der Auftritt mit dem Bandklassiker `Bagpipes Of War´ ausklingt.
VISIONS OF ATLANTIS
Den aktuellen Erfolg der deutsch-österreichisch-französischen Symphonic Metaller VISIONS OF ATLANTIS führe ich neben guten Songs/Alben, viel Promoarbeit und dauernder Livepräsenz vor allem auf das konsequente Durchziehen der Piratenoptik und -thematik zurück. Da bildet auch der derzeitige Bühnenaufbau mit dem nachempfundenen Kommandostand eines Piratenschiffs, Whiskeyfässer, Bierkrüge, Geländer und Windmaschine inklusive, keine Ausnahme. Der Song ‘Hellfire’ wird außerdem von den ersten vier stattlichen Feuersäulen des Abends begleitet und beim Quasi-Titelsong `Armada´ des just am Auftrittstag erschienenen neuen Longplayers “Pirates II – Armada“ trägt Sängerin Clémentine Delauney die aus den Videos bekannte Krone der Piratenkönigin. Wenn man dann starke Songs des aktuellen Drehers wie `Clocks´, `Tonight I‘m Alive´ sowie `Monsters´ präsentieren kann, kann nicht mehr viel schiefgehen, so dass die Anwesenden den Auftritt der multinationalen Truppe im Licht der untergehenden Sonne genießen können. Zudem hat der Fünfer in den letzten Jahren mit dem Opener `Master The Hurricane´, dem schwungvoll-tänzerischen `Melancholy Angel´, `Pirates will Return´ und der abschließenden Hymne `Legion of The Seas´ einen bereits beachtlichen Haufen an „Hits“ angehäuft, die den umjubelten Rest erledigen.
ORDEN OGAN
Der heutige Headliner ORDEN OGAN steigt nicht ganz pünktlich gegen 21 Uhr mit `Deaf Among The Blind´ in sein Set ein. Im Falle der nordrheinwestfälischen Power Metaller gibt es sogar einen doppelten Releaseday zu feiern, wie Sänger Seb Levermann erklärt, denn nicht nur die neue Scheibe “The Order Of Fear“ feiert Premiere, sondern es gilt auch den Geburtstag von Gitarrist Niels Löffler zu begehen, der natürlich sofort spontan sein verdientes „Happy Birthday“ von der nun etwas größeren Menge intoniert bekommt. Vom neuen selbstbetitelten Album (Orden Organ = Orden der Angst) gibt es im Folgenden `Conquest´, `Moonfire´ und den grandiosen Titeltrack zu hören, die sich allesamt problemlos in die starke Best-Of-Setliste einfügen.
Dort sind unter anderen `Inferno´, `Heart Of The Android´ und der packende Doppeldecker aus `Come With Me To The Other Side´ und `Forlorn And Forsaken´ zu finden. Um auch etwas Wasser in den Wein zu gießen, muss man sagen, die Vocals sind mit Effekten zugekleistert und im Gesamtsound ein wenig zu leise und auch das übliche `The Order Of Beer´ Ansingen sorgt nur kurz für Begeisterung. Dazu ist dann schon eher der abschließende bockstarke Dreierpack aus `Gunmen´, `Let The Fire Rain´ und dem obligatorischen Schlusspunkt `The Things We Believe In´ samt „cold, dead and gone“ (oder war es „beer, beer and beer?) Chören in der Lage, der den ersten Festivaltag stimmungsvoll beschließt.
Tag 2. Samstag, 02. Juli
KAIZER
Die Haupstadttruppe KAIZER siedelt ihren Sound im Dark Rock Bereich an und doch hatte man an diesem Tag irgendwie das Gefühl, bei einer friedensbewegten Deutschrockband zu sein. Dazu tragen die catchy Rocksongs Songs von ihrem aktuellen Album `Leidwerk` kräftig bei, wie zum Beispiel `Aschekleid` inklusive Kinderchorintro, `Vorwärts` oder `Federkrieg`. Allesamt haben sie zwar dunkelrockige Strukturen und Ähnlichkeiten zu vielen Genreacts aber auch eben auch dieses Deutschrockgefühl der 70er mit Friedensappellen und entsprechenden Antikriegsliedern. Sei es drum und ist ja inhaltlich auch gar nicht falsch. Kurz, was (neu) Sängerin Anna, Gesangspartner Alex sowie die weiteren vier Bandmitglieder da ablieferten, war schlicht solide. KAIZER überzeugte einen Teil des Publikums, der andere wähnte sich auf der falschen Veranstaltung. OK, Mission damit wohl erfüllt.
DOUBLE CRUSH SYNDROME
Andi Brings und damit auch seine derzeitige Band DOUBLE CRUSH SYNDROME haben zwar ein Heimspiel in Mülheim aber auch keinen leichten Stand. Der Grund dafür ist einfach. Mit zahllosen Bemühungen, die auch schon im Schlager und dem ZDF Fernsehgarten endeten, hat der Bandkopf und immerhin ehemaliger Sodom Gitarrist, bei weiten Teilen der Szene jegliche Glaubwürdigkeit eingebüßt. Man durfte also gespannt sein. Nach dem Slayer, Boney M, Abba und Twisted Sister verbindenden Intro, entert das Trio die Bühne, rockt sich engagiert durch die diversen Rock `N Roll Tracks neueren Datums und auch der eigenen Vergangenheit. Der Frontmann hat einige unterhaltsame Sprüche parat. Dabei bescheinigt er sich selbst “Ansagen-Tourette“ oder erklärt “Wir freuen uns total, Wir können es nur nicht zeigen wegen dem vielen Botox“. Nebenher erklärt er Bassmann Slick zum „zweitbesten Bassisten auf der Bühne“ und freut sich über die Anwesenheit seiner Mutter beim Konzert. Der fluffige Rocker `I Wanna Be Your Monkey` wird angekündigt als „das allertraurigste Lied von allen“. Und so weiter. Der Entertainmentfaktor passt schon und wenn das punkige „Rummschubs-Lied“ `Love Money Sex` zum Mitsingen und Klatschen animiert und schließlich `Die For Rock N‘ Roll` den Gig beendet, hat DOUBLE CRUSH SYNDROME bei einigen etwas mehr Sympathien zurückgewonnen und den anderen eine anständige Rock `N Roll Show geboten, die auch honoriert wird.
LEAGUE OF DISTORTION
Es folgen LEAGUE OF DISTORTION um ihre charismatische Sängerin Anna Brunner (Exit Eden) und den Kissin Dynamite Gitarristen Jim „Arro“ Müller, die mit ihrem Modern Metal Mix zwar ganz gut angenommen werden, aber wie so einige Bands der beiden Tage nicht so recht zum eigentlichen Dark/Goth Thema des Festivals passen wollen. Die Truppe verpackt ernste Themen in dynamische, wütende, elektronisch angehauchte, eingängige Songs mit female Vocals wie `My Revenge´, `Solitary Confinement´ und `It Hurts So Good´. Und natürlich dürfen auch die aktuelle Single `My Hate Will Go On´ und der Rausschmeißer und Bandsong `L.O.D.´ zum furiosen Finale nicht fehlen. Wie bereits im Vorprogramm von Kamelot: saubere Sache und guter Auftritt!
A LIFE DIVIDED
A LIFE DIVIDED kehren nach zehn Jahren zurück auf das Castle Rock und dabei macht die Dark- und Elektro-Rock
Truppe, um Sänger und Gitarrist Jürgen Plangger, der übrigens auch bei Eisbrecher spielt, einen verdammt souveränen Job. Und zwar im positiven Sinne. Mit ihrer eingängigen und catchy Musik passt die Band natürlich hervorragend ins Konzept des Castle Rock. Das gilt insbesondere für Tracks älteren Datums, wie `Right Where I Belong`, das natürlich sofort begeistert mitgeklatscht wird, ebenso wie das elektronisch gepowerte`Enemy`oder das ansatzweise harte `Drive`. Dass man sich dabei immer fragt, warum eigentlich kein Keyboarder auf der Bühne steht, bleibt ungeklärt, ist aber letztlich auch egal, da die Band schlichtweg abliefert. Klar driften A LIFE DIVIDED manchmal (für einige zu sehr) in Richtung radiotauglicher Pop ab aber Songs wie `Best Time` und natürlich die finale Real Life Coverversion von `Send Me An Angel` bescheren der Band reichlich Zuspruch. Coole Show!
UNZUCHT
Eine Frage bestimmte den Auftritt im Vorfeld: Wie würden sich UNZUCHT wohl mit dem neuem Sänger Timm Hindorff bei seine ersten Auftritt mit der Band schlagen, (nachdem “Der Schulz“ in Richtung OOMPH! abgewandert ist)? Kurze Antwort: Er passt zur Band wie der berühmte A**ch auf den Eimer und die Meute feiert die NDH Jungs, die mal softer und mal hart zur musikalischen Sache gehen.
Angefangen vom Opener `Allein` über `Schwarzes Blut` bis hin zum letzten Song des Auftritts `Engel Der Vernichtung`, bekommt Timm das Grinsen kaum noch aus dem Gesicht, zeigt sich agil , sympathisch und feuert das Publikum an, als hätte er nie etwas anderes getan. Dabei braucht das Castle Rock Publikum eigentlich gar keine Animation zum mitmachen, und jubeln. Entsprechend steht auch Mainman Daniel De Clercq und seiner Mannschaft die Freude dauerhaft ins Gesicht geschrieben. Egal ob nun `Nur die Ewigkeit`, `Kettenhund`, `Nein` oder die Bandhymne `Unzucht` zum Einsatz kommen, die Band schafft es das Stimmungslevel ständig oben zu halten. Mit UNZUCHT steht offenbar der heimliche Headliner auf der Bühne und Timm hat seine Feuerprobe mit Bravour bestanden.
GOTHMINISTER
Mit “Pandemonium II: The Battle Of The Underworlds“ hat das kultige norwegische Gothic/Industrial Quartett GOTHMINISTER Anfang Mai eine starke Studioscheibe vorgelegt, mit der man mit unter anderen `One Dark Happy Nation´, `I Am The Devil´ und der mitreißenden Single `We Come Alive´, mit dem die Band beinahe beim diesjährigen ESC gelandet wäre, über reichlich eingängiges, festivaltaugliches Dark Metal Material verfügt. So lässt die Band Horroroptik, Make-Up und vor allem die starken Songs wie `Ich Will Alles´, `Demons´ und `Liar´ für sich sprechen. Ansagen und weitere Interaktionen mit dem Publikum beschränken sich allerdings auf ein Mindestmaß und auch die Spielzeit wird nicht komplett ausgeschöpft. Eigentlich schade, denn mit ihren dynamischen Songs räumt das Quartett durchaus ab und so mancher Anwesende (mich eingeschlossen) hätte bestimmt gerne noch etwas mehr gesehen.
SUBWAY TO SALLY
Der Headliner SUBWAY TO SALLY brauchte sich bestimmt keine Sorgen machen, denn in ihrer mittlerweile über 30jährigen Karriere haben Sänger Eric Fish und seine Crew mehr als genug Erfahrung und Bandhits gesammelt, um den Schlosshof in seinen Bann zu ziehen.
Das macht die Band sofort klar, denn wer mit `Henkersbraut` anfängt, hat noch deutlich mehr Asse im berühmten Ärmel. Dabei klingt die Band Anno 2024 Live wieder mehr nach „Mittelalter“ als zwischenzeitlich, was der Stimmung keinen Abbruch tat.
Dazu gehören neben den üblichen Instrumenten, Geige und Drehleier auch die von Eric gespielten verschiedene Flöten. Und so reihen sich reichlich bekannte Tracks aneinander. Darunter `Sieben`, `Kleid Aus Rosen` oder auch `Ihr Kriegt Uns Nie`, bei dem Eric zum Circle Pit aufruft. Für nicht SUBWAY TO SALLY Insider war wohl Joachim Witts `Der Goldene Reiter` (“Ein Lied das noch älter ist als wir selbst”) die größte Überraschung. Denn die Potsdammer agieren schlichtweg souverän, routiniert aber auch mit der nötigen Portion Enthusiasmus. Die Band weiß was sie kann und das Publikum was es an SUBWAY hat.
Der Zugabenblock, bestehend aus `Gott spricht`, `Eisblumen`, `Veitstanz` und letztlich `Julia Und Die Räuber` beendet dann die erfolgreiche Show und entlässt sichtlich zufriedene Fans in die Nacht.
Bis zum nächsten mal in Mülheim, Wir kommen Wieder!
Die Vorausschau für 2025 gibt es bereits hier.
Text: Sven Bernhardt, Michael Gaspar
Photo Credits: Sven Bernhardt