Du betrachtest gerade FROZEN LAND – Von kalten Riffs und heißem Heavy Metal

FROZEN LAND – Von kalten Riffs und heißem Heavy Metal

  • Beitrags-Autor:

Ich wurde 2023 mit “Out of the Dark” das erste Mal so richtig auf FROZEN LAND aufmerksam. Seitdem weiß ich: Diese Jungs können Melodie, Schlagkraft und diese unverwechselbare finnische Melancholie so verbinden, dass es genau meinen Geschmack trifft. Jetzt steht “Icemelter” vor der Tür – härter, direkter, fokussierter. Grund genug, bei FROZEN LAND und Tuomas Hirvinen anzuklopfen – vielleicht mit einem kleinen, wärmenden Frostschutz-Drink – um über das neue Album zu sprechen.

Tobias: Hey, zuerst einmal danke für deine Zeit. Wo erwische ich dich gerade – Studio, Couch, Proberaum, Tourbus oder der gefrorenen Einöde? Wichtig ist natürlich auch: Wie geht es dir und der Band? Und weil es immer Thema ist – wie ist das Wetter in Finnland? Grau, weiß oder irgendwas dazwischen?

Tuomas: Eigentlich schließe ich gerade die Gitarren für Album Nummer 4 ab! Mal sehen, ob es jemals das Licht der Welt erblickt. Haha, fast in einer gefrorenen Einöde. Es ist die Selbstmordzeit des Jahres in Finnland (ein paar Stunden graues Tageslicht und kein Schnee, der die Stimmung hebt). Aber eine gute Zeit, um zum dritten Album zurückzugehen und zu merken, warum ich diese depressiven Texte geschrieben habe!

Tobias: Glückwunsch zum dritten Studioalbum! Drei Alben sind so diese magische Grenze zwischen „Wir finden uns noch“ und „Das ist unser Sound“. Wo seht ihr euch da?

Tuomas: Danke! Und danke, dass du dir Zeit für uns nimmst. Puh, wenn ich das nur wüsste. Was macht Bands einzigartig? Was ist die geheime Zutat? Ich weiß nicht, ob wir schon da sind. Mein Problem ist immer gewesen, dass ich mich zu schnell bewege. Dadurch ändert sich der Sound von Album zu Album. Ich töte tausend Ideen im Kopf, aber ich versuche zu lernen, der „Vision“ mehr zu folgen. Aber um deine Frage zu beantworten: Nein, ich glaube nicht, dass wir schon da sind.

Tobias: Ist das Line-up noch dasselbe wie bei “Out of the Dark”?

Tuomas: Nicht ganz. Lauri (vom ersten Album) ist an den Keys zurück, und Matias hat neue Aggression am Schlagzeug mitgebracht. Ach was zur Hölle – Eero am Bass ist auch neu *lacht

Tobias: Zwischen “Out of the Dark” und “Icemelter” liegen ein paar Jahre. Hast du direkt nach dem letzten Album mit dem Schreiben begonnen, oder hat der Alltag erst mal übernommen?

Tuomas: Ich glaube, das Album war ein Flop, also bin ich (mal wieder) in ein Loch gefallen und habe aufgehört zu schreiben. Es hat ein halbes Jahr, vielleicht ein Jahr gedauert, bis ich wieder spielen konnte. Man sollte nicht so kindisch sein… Ein Teil davon hängt auch mit der heutigen Musikindustrie zusammen. Ich bin ein Romantiker, ich liebe die 70er und 80er. Heute ist das ein völlig anderes Spiel. Aber ich versuche mich daran zu erinnern, dass ich weiterschreibe, solange irgendjemand einen Scheiß drauf gibt.

Tobias: Was hast du im Vergleich zu “Out of the Dark” bewusst anders gemacht? Für meine Ohren tendiert “Icemelter” deutlich mehr in Richtung Heavy Metal – fokussierter, kälter und heißer zugleich, wenn das Sinn ergibt.

Tuomas: Das ergibt absolut Sinn. Ich mochte die Songs auf “Out of the Dark” nicht, und auch die Produktion war keine gute Ehe für uns. Wir hätten Matias Kupiainen wieder mischen lassen sollen. Und ich habe auf dem Album diese Electric-Callboy-Sounds ausprobiert…

Tobias: Lass uns über die Texte reden. Welche Themen ziehen sich durch “Icemelter”? Vieles wirkt düsterer, resignierter, und es hat diesen Stich von Realität.

Tuomas: Es geht komplett um Realität. Und Acid. Und saure Realität. Vieles dreht sich darum, wie hart es ist, ein Mensch zu sein. Wozu sind wir hier. Warum mache ich Musik? Was liebe ich? Warum habe ich diese dunklen Gefühle… Wer zur Hölle hat die Pyramiden gebaut!? Haha. Es tat gut, das alles aus dem System zu bekommen. Und am Ende des Albums gibt es wirklich eine Art Blume. Die Botschaft ist: Bleib bei dem, was du liebst, und mach dir nicht so verdammt viele Sorgen. Gute Energie bringt gute Energie!

Tobias: Kommt das eher aus persönlicher Erfahrung – Dinge, die du mit dir herumträgst – oder ist es mehr ein Kommentar zu einer Welt, die gefühlt überall brennt?

Tuomas: Das meiste ist persönlich. Einiges sind Geschichten von Freunden oder Dinge, die ihnen passiert sind. Aber ich glaube nicht, dass die Welt brennt (das tut nur das Stratovarius-Album). Es gibt einfach Veränderungen im Bewusstsein, aber wir schaffen das. Ein Wodka und eine Party helfen auch. Man sollte nicht alles so ernst nehmen.

Tobias: Für mich klingt “Icemelter” klar heavier als “Out of the Dark”, aber die finnische Melancholie ist immer noch komplett da – nur tiefer. Absicht oder einfach der natürliche Weg, den du gerade gehst?

Tuomas: Der dank geht an Matias für den großartigen Mix! Die Drums klingen für mich immer noch fantastisch. Und die Gitarren sind schwer – ich glaube, ich bin auf Drop C runtergegangen. Und ich wollte Riffs machen, die nicht so generisches 90er-Power-Metal-Zeug sind, mehr Richtung Testament. Hahaa!

Tobias: Wenn ihr untereinander redet: Welcher Track ist für euch der härteste Hammer – und warum?

Tuomas: Ich glaube, der Hammer ist für mich ‘Dead End’. Er hat etwas Altes und etwas Neues in einer schwereren Struktur.

Tobias: Gibt es einen Song, der dir persönlich besonders viel bedeutet – wegen der Texte, der Stimmung oder dem Moment, in dem er entstanden ist?

Tuomas: Sie alle *Lacht

Tobias: Noch etwas Allgemeines: Der Eisriese auf euren Artworks – ist er offiziell euer Maskottchen? Hat er einen Namen? Auf dem neuen Cover erinnert er mich ein wenig an Surt… nur angefroren. Vielleicht „Frosty-Surt“.

Tuomas: Er IST das Maskottchen! Ich denke, wir sollten ihn benennen. Ich musste erst googeln, was ein “Surt” ist, aber ja, du hast es getroffen! In meinen frühen Skizzen hieß er einfach “Frost Lord”. Das war 2018 sogar für ein paar Wochen der Name der Band. Aber wir sollten das Namensspiel öffnen.

Tobias: Was passiert nach dem Release? Direkt auf die Bühne oder erst Winter, Sauna, heiße Getränke und dann Tour, wenn der Frühling kommt?

Tuomas: Wodka, Bier, Spaß. Das Leben genießen. Und dann versuchen, nicht wieder in dieses Loch zu fallen, wenn das Album keine Million mal verkauft wird – und Album Nummer 4 fertigstellen *lacht

Tobias: Und die entscheidende Frage: Kommt ihr nach Deutschland? Wir haben das Publikum, wir haben die Energie – und das Bier ist günstiger als in Skandinavien. Win-win.

Tuomas: Oh Mann, wir würden das lieben! Die meisten unserer Fans kommen aus Deutschland und ich war schon ein paar Mal dort. Ich liebe es!

Tobias: Denkt ihr bereits ans nächste Album, oder soll “Icemelter” erst einmal atmen?

Tuomas: Im Ernst: Es hängt von der Finanzierung ab. Wenn wir das Geld zusammenkratzen, könnten wir schon Anfang nächsten Jahres ins Studio gehen.

Tobias: Das war’s von meiner Seite – inklusive der schlechten Witze. Danke für deine Zeit und Offenheit. Die letzten Worte gehören dir: Was möchtest du den Leuten da draußen sagen – egal, ob sie euch seit Album eins begleiten oder FROZEN LAND jetzt mit “Icemelter” entdecken?

Tuomas: Ich mag deine Witze, Tobias, sie machen alles lebendiger! Ich möchte einfach jedem danken, der unserer Musik eine Chance gibt. Und wenn sie euch gute Energie bringt, bin ich ein verdammt glücklicher Motherfucker!

Vielen Dank an Tuomas für die Offenheit, den Humor und die ehrlichen Antworten. Das Debütalbum “Frozen Land” ist fast nicht mehr zu finden, also muss es doch richtig gut gewesen sein und “Out of the Dark” ist auch eine tolle Scheibe! Wenn ihr “Icemelter” noch nicht auf dem Schirm habt: Gebt der Platte unbedingt eine Chance. Wenn sie euch genauso viel Energie gibt wie uns im Test – dann seid ihr schon auf der richtigen Temperatur.

Interview: Tobias Stahl
Photocredit: Promo