DARK FORTRESS aus Landshut veröffentlichen ein letztes Live-Album, bevor die Black Metal Formation zu Grabe getragen wird. Ich durfte Morean (Lead Vocals) und V. Santura (Lead Guitar, Backing Vocals) ein paar Fragen stellen, die beide sehr ausführlich beantworteten. Viel Spaß allen Fans und Interessierten beim Lesen der nächsten Zeilen, in denen beide einen Blick zurück, aber auch nach vorne werfen!
Hallo Morean und V. Santura; schön, dass es mit einem Interview geklappt hat, danke dafür. Möchtet ihr euch unseren Lesern kurz vorstellen? Vielleicht gibt es jene, die noch nichts von DARK FORTRESS gehört haben – oder auch nur am Rande Wind davon bekommen haben, dass ihr euch getrennt habt.
Morean: Ich war Sänger und Texter bei DF seit Sommer 2007. Außerdem noch immer Gitarrist und Sänger bei ALKALOID und im täglichen Leben klassischer Komponist in den Niederlanden.
V. Santura: Ich war Lead Gitarrist von DARK FORTRESS seit 2001, außerdem habe ich seit “Stab Wounds” alle unsere Alben produziert und engineert. Ansonsten betreibe ich mein eigenes Tonstudio (Woodshed Studio, Germany), spiele Gitarre bei TRIPTYKON (hatte 2007 schon die Ehre, Live-Gitarrist von CELTIC FROST zu sein) und ROOTBRAIN.
Wie ist das für euch, wenn der Release von “Anthems From Beyond The Grave – Live In Europe 2023” erscheint? Wehmut? Reue? Oder ein Blick zurück mit dem Gedanken, wie gut die Zeit gewesen ist?
Morean: Reue definitiv nicht, es gibt ja immer Gründe für solche einschneidenden Entscheidungen, auch wenn sie schmerzhaft sind. Wehmut allerdings schon ein wenig, weil es einfach viele geile Jahre mit guten Freunden und fetten Shows und Alben waren. Irgendwie war DF live immer eine Einheit, die funktioniert hat, egal wer genau grad für die Band auf der Bühne stand. Und gerade nach der intensiven Abschiedstour fehlen uns diese direkten Begegnungen mit unseren Fans natürlich schon. Aber die Zufriedenheit überwiegt, dieses große Kapitel in unseren Leben würdig und auf einem echten Hoch abschließen zu können. Das Livealbum ist dann natürlich noch die Kirsche auf der Torte.
V. Santura: Was das Live-Album betrifft: Für mich ist die Hauptemotion eigentlich, dass ich stolz bin auf dieses Album, dass ich finde, dass wir bis zum Schluss eine geile Band waren, die ihre Songs auch live würdig umsetzen konnte. Für mich ist “Anthems…” wie unser eigenes Grabmal.
Warum fiel die Wahl auf Rotterdam in den Niederlanden und Bochum?
Morean: Das hatte vorrangig technische Gründe, da wir in Rotterdam und Bochum das Audio mehrspurig mitschneiden konnten. Aber auch musikalisch waren diese beiden Gigs genau in der Mitte der Tour der richtige Moment für Aufnahmen. Wir waren gut eingespielt, aber noch nicht so fertig, dass es schon gebröselt hätte. Und die Shows selber waren einfach geil zu spielen, das hört man der Platte auch an, finde ich.
Wie war es für euch bei der letzten Tour aus emotionaler Sicht? Ihr habt sicher überall vertraute Gesichter gesehen, einige zum letzten Mal. Ich stelle mir das schlimm vor – schon als Fan fühle ich eine Leere, wenn meine Favoriten getrennte Wege gehen – es entsteht ein Vakuum.
Morean: Naja, es ist ja nicht so, dass die Bandmitglieder jetzt völlig aus der Welt wären. Bei den Shows meiner anderen Band ALKALOID jüngst tat es gut zu sehen, dass durchaus auch immer einige DARK FORTRESS Fans kommen, und es gibt somit doch ein bisschen eine Schnittmenge zwischen den verschiedenen Subgenres, in denen wir aktiv sind. Und klar war’s emotional auf der Tour; das ist immer so, wenn man weiss, es ist jetzt das letzte Mal. Aber lieber sich so verabschieden, anständig, und mit dem worum es immer ging (nämlich Musik), als nach Jahren der Funkstille in einem Social Media Post auf einmal reingrätschen mit “ach übrigens, die Band gibt’s schon seit 5 Jahren nicht mehr, tschüss”. Auch deswegen wollten wir unbedingt noch diese Tour und das letzte Studioalbum so fertigstellen, wie wir finden, dass sich’s gehört.
Haben eure Fans versucht, euch umzustimmen? Wie waren die Reaktionen eurer BM-Kollegen auf eure Trennung?
Morean: Es ist etwas schwierig, deinen langjährigen Unterstützern auf einem Konzert mit Bombenstimmung zu erklären, warum diese Entscheidung unausweichlich war, weil “es ist doch so geil grad!”. Es hatte auch nie was mit uns mit fehlender Begeisterung für die Sache oder unserem Verhältnis zueinander in der Band zu tun, sonder pur mit den logistischen, zeitlichen und finanziellen Umständen, die einfach irgendwann so schwierig wurden, dass es uns unmöglich geworden war, die Band noch produktiv und zukunftsweisend fortzuführen. Unter anderen Umständen wäre Aufhören eventuell auch nie zur Debatte gestanden.
Wieso war der Split unvermeidlich und wieso ist eine Reunion nicht in Sichtweite bzw. im Bereich des möglichen?
Morean: Möglich ist immer alles, man soll ja niemals nie sagen. Aber wie schon gerade erwähnt, für eine Wiederbelebung der Band müssten sich die Umstände deutlich verbessern, und das liegt halt leider grad so gar nicht auf dem Tisch.
V. Santura: Als wir unser letztes Album “Spectres from the Old World” geschrieben hatten, war ich nochmals total inspiriert, hatte aber gleichzeitig ein ganz starkes Bauchgefühl, dass es das letzte Album mit dieser Konstellation an Leuten sein würde. Die halbe Band auszutauschen hätte sich aber einfach völlig falsch angefühlt. Also finde ich, sollte man lieber aufhören, wenn man als Band noch etwas Substantielles “zu sagen hat”, nicht danach.
Was macht ihr denn gerade? Wird man euch in anderen Bands sehen und hören? Geht ihr erstmal ein Stück des Weges, ohne aktiv Musik zu machen?
Morean: Einige von uns sind ja Berufsmusiker, somit machen wir natürlich weiter mit unseren anderen Bands, Jobs und Studios (siehe Anfang des Interviews). Ein paar der alten Mitglieder haben sich mittlerweile viel mehr auf Familie und ihre reguläre Arbeit gestürzt und sich zumindest momentan vom aktiven Musikmachen ein wenig zurückgezogen. Aber die Leidenschaft stirbt ja nie, wie jeder Metaller weiss. Somit wird diese Band und ihr Erbe wohl immer Teil unserer Leben bleiben – auch wenn sich das momentan konkret vor allem in ausgedehnten Grillsessions unserer kleinen feinen Bandfamilie niederschlägt.
V. Santura: Wie gesagt, ich spiele natürlich nach wie vor bei TRIPTYKON, was ich auch sehr genieße und schätze. Außerdem habe ich mit ein paar guten Freunden aus Finnland eine neue Band namens ROOTBRAIN gestartet, die stilistisch allerdings nicht viel mit Dark Fortress oder auch TRIPTYKON zu tun hat, die mir aber einfach Spaß macht. Und ansonsten ist Musik eh mein Beruf und Leben, die Studioarbeit reißt eigentlich nie ab.
Wird es in naher oder ferner Zukunft Neuauflagen eurer Platten geben? Die Szene lechzt bei vielen Bands beispielsweise um Vinyl Varianten.
Morean: Das liegt, denke ich, komplett in der Hand von unserem Label Century Media Records. Die haben ja auch alle alten Alben immer wieder neu aufgelegt. Bei genug Nachfrage wäre sowas absolut denkbar, würde ich schätzen. Da müssten Interessenten allerdings am Besten direkt beim Label anklopfen.
Was mich schon immer interessiert hat und ich auch die Jungs von MYSTIC CIRCLE fragte: Wie ist es, als Black Metal Band Mitte der 90er in einem kleinen Ort wie Landshut zu leben? Wie reagierten die Menschen auf euch und eure Musik – wenn sie sich trauten, sie anzuhören?
V. Santura: Die Frage kann ich gar nicht so genau beantworten, da ich erst 2001 in die Band eingestiegen bin. Ob die Größe des Ortes eine besonders große Bedeutung hat, glaube ich eigentlich nicht. Wir hatten damals in der Stadt auf alle Fälle eine kleine Metalszene, in der wir mehr oder weniger auch gut integriert und respektiert waren. Black Metal ist sowieso keine Musik, die massenkompatibel ist, egal ob man in Landshut, New York oder Oslo lebt.
Wie siehst du die Entwicklung des Genres im Laufe der Jahrzehnte – ist Black Metal in den 2020er Jahren zu brav im Vergleich zu damals – wohl wissend, dass im Underground ein anderer Wind weht.
V. Santura: Zu brav… keine Ahnung. Es gibt sicherlich immer noch einige sehr interessante Bands heutzutage. Aber Black Metal war Anfang der 90er definitiv “gefährlicher” und hatte eine andere Faszination, vielleicht auch die Faszination des Neuen. Nach 30 Jahren kann das natürlich einfach nicht mehr so sein.
Was waren denn eure besten Momente mit DARK FORTRESS, vielleicht habt ihr ja noch ein lustiges Schmankerl oder besonders denkwürdige Ereignisse für uns zum Abschluss des Interviews.
Morean: Gerade gegen Ende war ich immer wieder mal perplex, von wie weit die Fans angereist sind, um uns zu sehen. Da wirst du ganz klein mit Hut auf deiner Bühne! Und wenn Du von dort aus zuschaust, wie sich Leute komplett in deinen Welten verlieren, hat echt was magisches. Die krassesten Fans waren damals 2008 in Athen würde ich sagen. Wir haben dort fast nix an Merch verkauft, weil alle schon alles hatten, lol. Und neben Musik und bandinterner Kameradschaft, die immer sehr wichtig war, waren es vor allem die Bands, mit denen wir zusammen getourt haben, wie SHINING, PHLEFONYAAR, SECRETS OF THE MOON und echt auch alle anderen, die eigentlich immer zu bleibender Verbrüderung geführt haben, und mit deren (ex-)Mitgliedern Freundschaften für’s Leben entstanden sind. In dieser Hinsicht sind wir Metaller echt privilegiert, weil es uns auf dem ganzen Planeten verteilt gibt, und wir allein schon durch unsere geteilte Liebe zu extremer, düsterer Musik quasi Teil eines Volksstammes ohne Land sind. Und das kannst Du online halt einfach echt nicht simulieren.
V. Santura: Dem kann ich mich eigentlich nur anschließen. Frühe Highlights für mich waren natürlich der erste Plattenvertrag und die ersten größeren Gigs, allen voran Party.San 2003 und Summer Breeze 2004. Oder unsere Shows als Support von CELTIC FROST im Mai 2006, was für mich dann ja auch weitreichende Konsequenzen haben sollte. Ansonsten war ein Highlight für mich oft, wenn ein neuer Song fertig war. Wenn ich mir zum ersten Mal die eigene Demo anhören konnte und mir der jeweilige Song in dem Moment so richtig gekickt hat, dass ich mir das Demo 10 mal hintereinander angehört habe. Das war was sehr intimes, privates, was vielleicht niemand mitbekommen hat, aber das war für mich die eigentliche Magie, mit Musik Energie freizusetzen, Emotionen auf zwar subtile, aber unmittelbare Weise ausdrücken zu können, die aus den Tiefen seiner selbst kommen.
Das wars von meiner Seite, ich bedanke mich für eure tolle Musik über die Jahre, für eure Zeit mir meine Fragen zu beantworten!
Interview: Tobias Stahl
Photocredits: Anne Swallow