FLAKE – FLAKE FEIERT WEIHNACHTEN

FLAKE

Titel: FLAKE FEIERT WEIHNACHTEN

Label: REKORDER/KONTOR

Spieldauer: 45:04 Minuten

VÖ: 22. November 2024

Weihnachten ist die Hölle. Eine sich über Monate hinziehende Tortur, die im Spätsommer in den Regalen mit Lebkuchen, gefüllten Dominosteinen und Plätzchen aller Art beginnt, sich über bürgerkriegsähnliche Zustände an verkaufsoffenen Sonntagen fortsetzt und schließlich an Heiligabend mit verlogenem Gerede über Liebe und Frieden ihren tragischen, von süßlicher Musik untermalten Tiefpunkt findet. Mit anderen Worten: Eine alljährlich wiederkehrende Horrorshow, bei der man sich immer wieder die Frage stellt, warum man sich das alles eigentlich antut.“

So zwiespältig sieht und erlebt auch der Berliner Musiker und Buchautor Christian Lorenz, besser bekannt als Rammstein Gründungsmitglied und Keyboarder FLAKE, die besinnlichen Tage. Dennoch oder gerade deswegen hat er dem Fest der Liebe sein allererstes Soloalbum gewidmet und für „Flake feiert Weihnachten“ die beliebtesten Weihnachtslieder auf seine ganz eigene Weise und mit hochkarätigen Freunden und Gästen wie Joey Kelly, Farin Urlaub, Käptn Peng, Doro Pesch und Micha Rhein neu interpretiert.

Die sechzehn Stücken kommen einem Stilritt durch Klassik, Minimal-Electro, Jazz, Deutschrock, Pop und Liedermacher-Einflüssen“ gleich. Und natürlich enthalten die Remakes haufenweise der persönlichen Note des Protagonisten und arbeiten mit Dissonanzen, Brüchen und unerwarteten Elementen, immer wieder gekennzeichnet auch mit der Berliner Schnauze des „Tastenfickers“.

Zum Glück hatte ich noch das Liederbuch vom Weihnachtssingen bei Union, einem Berliner Fußballclub. Da standen die Texte drin. Als ich mir das Ergebnis dann anhörte, war ich selbst etwas enttäuscht; meine Stimme klang auf Dauer dann doch nicht so ansprechend. So fragte ich einige meiner Kollegen und Freunde, ob sie vielleicht ein Lied für mich singen würden. Natürlich hatte niemand auf diese Frage gewartet und so hatten die meisten gerade keine Zeit. Andere wollten verständlicherweise mit Weihnachten nichts zu tun haben. Ich finde die Lieder ja eigentlich auch fürchterlich.“ berichtet der Künstler.

Entstanden ist so eine „Songsammlung für überzeugte Weihnachtsneurotiker“ und das wohl eigenwilligste und verschrobenste Weihnachtsalbum aller Zeiten. Ohne Verstärkung aus Umfeld oder Musikbranche kommen in reduzierten Pianoversionen vorgetragene Klassiker wie `Ihr Kinderlein, kommet´, `Guten Abend, schön Abend´ oder `Feliz Navidad´, auch hier natürlich genauso seltsam schräg und besonders wie er selbst.

Der Albumopener ist ein „fast sarkastisch“ herüberkommendes Cover von John Lennons und Yoko Onos Friedens-Evergreen ´Happy Xmas (War is over)´ das von einem entsprechend eindrücklichen und sehenswerten Kriegsvideo begleitet wird.

Es folgt eine Electro-Version von Whams Hit `Last Christmas´ mit dem Spandauer Deutschrap-Duo Icke & Er (Textauszug: „Letzte Weihnacht jab ick dir mein Herz, ick bekam et zurück, da war es schon März“), die hörbar mal eben so im Vorbeigehen in einer First-Take-Aufnahme entstanden ist.

Das auf `Stille Nacht, heilige Nacht´ zu hörende Pfeifen kommt von Flakes Ehefrau, der bildenden Künstlerin Jenny Rosemeyer, und ist ebenfalls zwischen Küche und heimischem Wohnzimmer entstanden. Noch ungewöhnlicher geht es mit `Süßer die Glocken nie klingen´ weiter.

Zur Originalmelodie sind Sprachsamples historischer Reden von Erich Honecker, Günter Schabowski und John F. Kennedy, während Flake von Die Ärzte-Frontmann Farin Urlaub an der Gitarre begleitet wird. So wird die Geschichte die Wiedervereinigung erzählt und das Lied ohne den eigentlichen Text gesungen; das muss man gehört haben.

Es folgt zu ´Schneeflöckchen Weißröckchen´ eine „Jazz-Elemente mit Contemporary Classic und in der Ferne donnerndem Flak-Lärm“ verbindende Kollaboration mit den HipHoppern Käptn Peng, eine deutsch rockende Fassung von `Freu` Dich (Leise rieselt der Schnee)´ mit den ostdeutschen Punkern Tausend Tonnen Obst und einem soundtrackartig und sehr elektronisch arrangierten Spaziergang durchs „Winter Wonderland“ (`Weißer Winterwald´).

Bei der getragenen Klavierballade ´Tausend Sterne sind ein Dom´ glänzt Knorkator-Frontmann Stumpen am Mikro, bevor FLAKE `O du fröhliche´ gemeinsam mit der ehemaligen Ostpunk-Ikone Andrea Hüber-Rhone ganz besonders eigenwillig, schrullig und ein wenig krawallig interpretiert.

Nach einer Gänsehaut-Version von `Alle Jahre wieder´ samt stimmungsvollem Freddy Quinn Sample legen FLAKE und In Extremo-Sänger Micha Rhein mit `Es ist ein Ros entsprungen´ los, bevor das ausgelassene, irische Folk Finale zusammen mit Joey Kelly und Hardrock-Queen Doro Pesch erklingt: `Fairytale Of New York´.

Eine derart exzentrische und außergewöhnliche Darbietung objektiv zu bewerten fällt schwer. Reinhören sollte man in eine derart kreative und eigenwillige, mal ausgenzwinkernde, mal traurige Angelegenheit aber auf jeden Fall. Mit einem der schrulligsten und einzigartigsten Weihnachtsalben, das zudem einen hohen Unterhaltungswert aufweist, dürften wir es hier allemal zu tun haben.

Alle Gewinne aus “Flake feiert Weihnachten” werden zu 100% der Arche gespendet.

Michael Gaspar vergibt keine Bewertung