Ensiferum sind zurück und haben “Winter Storm” dabei, dessen Texte inspiriert sind vom noch nicht fertigen Fantasy-Roman von Sami Hinkka. Die Story von “Winter Storm” dreht sich um zwei Fraktionen, eine davon die Vigilantes, die andere ein kleiner Stamm im Norden, der sich den Vigilantes entgegenstellt und das Vaterland verteidigen möchte. Ich durfte mit Sami über die Platte und mehr reden.

Hallo nach Finnland, hallo Sami, Bassist und kreativer Kopf von ENSIFERUM. Wie gehts dir denn so kurz vor Release eures neuen Albums “Winter Storm” und überhaupt, wie ist das Wetter im Land der tausend Seen gerade? Bei uns ist der Herbst in seinen Anfängen eingekehrt.

Hallo Tobias! Alles bestens hier. Auch hier kommt der Herbst, aber es ist noch recht warm, also muss man die letzten T-Shirt-Tage in vollen Zügen genießen.

Du hast ja bekanntgegeben, dass “Winter Storm” von einem Roman inspiriert ist, an dem du gerade schreibst. Das finde ich natürlich sehr spannend und werde nachher auf das Thema zurückkommen. Aber erzähl mal: Um was geht es denn in “Winter Storm”? Wird es ein Konzeptalbum werden?

Ja, tatsächlich. Der Text basiert auf einem Fantasy-Buch, das ich seit über 10 Jahren plane, und auf dem Album werden uns einige Charaktere und ein kleiner Ausschnitt der langen Geschichte vorgestellt.

Mit ‘Winter Storm Vigilantes’ und ‘Long Cold Winter of Sorrow and Strife’ wurden bisher zwei Singles veröffentlicht, die erste ein flotter Banger mit Petri in topform, die zweite auch temporeich, aber auch ein stückweit dramatisch und traurig – ich denke hierbei an die Gesangseinlagen von Pekka. Sind die beiden Tracks ein guter Ausblick auf die gesamte Scheibe?

Ja und nein, hah! Ich meine, natürlich kann man in diesen beiden Songs bereits die Klanglandschaft des Albums hören, also gibt es auf diesem Album keine überraschenden Disco-Parts. Aber jeder Song ist einzigartig, weil sie etwas anderes über die große Geschichte erzählen.

Apropos Pekka, ich habe das Gefühl, dass ihr euch musikalisch noch besser “versteht” und ihn noch bewusster nach seinen Stärken einsetzen könnt, als es noch auf “Thalassic” der Fall war – oder täusche ich mich?

Auf jeden Fall! Als Pekka zur Band kam, war “Thalassic” schon ziemlich fertig und wir haben schon damals darüber gesprochen, dass wir auf dem nächsten Album, auch bekannt als “Winter Storm”, sein Stimmspektrum viel stärker nutzen würden und er natürlich eine größere Rolle beim Songwriting und den Arrangements spielen würde.

Da gerade ‘Long Cold Winter of Sorrow and Strife’ bei mir im Hintergrund läuft und ich die Chöre richtig gut finde – und das im kompletten Album – möchte ich das an dieser Stelle lobend erwähnen und sagen, dass die Platte dadurch noch mehr Tiefgang bekommt. Wart ihr alle Teil des Chors, habt ihr einen “richtigen” Chor beauftragt? 

Vielen Dank für deine freundlichen Worte! Auf diesem Album haben wir die Chorparts nur mit Bandmitgliedern gemacht. In der Vergangenheit haben wir andere Sänger eingesetzt, um die Chöre größer zu machen, aber für dieses Album war es ganz natürlich, sie selbst zu machen.

Mit dem Intro ‘Aurora’ startet “Winter Storm”, danach kommen die beiden Singles und anschließend ‘Fatherland’. Wird das die nächste Single, bevor das Album veröffentlicht wird?

Insgesamt wird es vier Videos plus das Lyric-Video zu ‘Long Cold Winter Of Sorrow And Strife’ geben. Und wenn man sich die Videos hintereinander ansieht, ist es wie ein Kurzfilm. Ich kann verraten, dass ‘Fatherland’ einer der Videosongs sein wird und das Video dazu ist unglaublich. Marcin (Regisseur und Animator der Videos) hat tolle Arbeit geleistet und die Schauspieler sind großartig! Ich kann es kaum erwarten, bis alle Videos rauskommen, denn dann wird das Album für die Hörer, die die Texte vielleicht nicht so genau lesen, viel mehr Sinn ergeben.

Auf ‘Scars In My Heart’ muss ich an dieser Stelle auch eingehen, denn hier habt ihr Madeleine “Eleine” Liljestam als Gastsängerin an Bord und ich bin ein großer Fan ihrer Stimme, die in diesem Song so herrlich dramatisch aber auch sehnsüchtig klingt – eure musikalische Untermalung ist ebenfalls verdammt großartig! Wie war die Zusammenarbeit mit der Schwedin und wird man euch eventuell auch mal zusammen live erleben?

Das ist einer meiner absoluten Lieblingssongs. Ich meine, die Hauptmelodie ist so schön, dass ich Markus, als er uns das erste grobe Demo dieses Songs schickte, anrufen und fragen musste, ob das wirklich etwas ist, das er komponiert hat und nicht ein Cover eines klassischen Songs. Hah!

Wir wussten, dass das ein wunderschöner Song werden würde, aber wir fragten uns immer, was wir mit dem Gesang machen sollten. Wir machten Demos mit Pekka als Sänger und sogar eine Version mit Petes rauem Gesang (das war ziemlich … interessant), aber es war klar, dass wir für diesen Song eine weibliche Stimme brauchen würden. Wir dachten über einige “offensichtliche” Optionen nach, aber keine schien für diesen Song geeignet zu sein. Also gingen wir auf die PAIN-Tour und beschlossen, die Suche nach der Tour fortzusetzen.

Ich glaube, es war nach der zweiten Show, die meisten von uns hatten sich die Auftritte anderer Bands angeschaut und wir sprachen alle darüber, wie gut die Stimme von Madeleine ist. Nach ein paar weiteren Tagen fragten wir sie, ob sie Interesse hätte, sich ein Demo anzuhören und sich unser Album anzuschauen.

Alles lief super reibungslos, wir mussten die Tonart des Liedes nicht ändern, weil sie perfekt zu ihrer Stimme passte. Madeleine kam für einen Tag nach Helsinki. Ein paar Takes und das war’s. Sie ist so eine wundervolle Person und eine tolle Sängerin.

Und ein cooles Produktionsdetail: Dieses Lied ist das einzige mit nur einer Gesangsspur. Keine Harmonien, keine Verdoppelung. Nur eine emotionale, sehnsüchtige Stimme. Und das betont die Einsamkeit des Liedes.

Auch Lassi Logrén, der Nyckelharpa und Violine spielt, war Gastmusiker, so wie Mikko Mustonen, der die Orchestration machte, waren Gäste bei “Winter Storm” und machten einen großartigen Job, wie ich finde. Wie war die Zusammenarbeit für euch und darf man sich auf mehr freuen bei künftigen Veröffentlichungen?

Ja, tatsächlich. Diese Herren sind seit Jahren so etwas wie “regelmäßige Besucher” auf unseren Alben. Für “Winter Storm” brauchten wir keine Kantele oder andere Flöten, weil wir keine Folk-Elemente hinzufügen wollten, nur weil “es Folk-Instrumente auf unserem Album geben muss”.

Dieses Team war für dieses Album ausreichend, aber vielleicht werden es auf dem nächsten Album (an dem wir tatsächlich schon arbeiten) noch mehr Besucher sein.

Generell ist die Produktion von “Winter Storm” bockstark. Ist das die größte Produktion der Bandgeschichte?

Danke. Ich denke, ich kann im Namen der ganzen Band sprechen und sagen, dass wir auch mit der Produktion super zufrieden sind.

Wir hatten dasselbe Team wie bei “Thalassic”: Janne Joutsenniemi (produzierte und nahm das Album auf) und Jens Bogren (mixte und masterte), also denke ich, dass es auch geholfen hat, die perfekte Balance zu finden.

Aber ich denke, die größte Produktion und die meisten Tracks, die wir je hatten, waren auf dem “From Afar” Album. Das war einfach verrückt. Es passiert so viel cooles Zeug in den Orchestrierungen, aber leider kann man es unter all diesen Millionen Gitarrentracks, Blastbeats, 500 Chortracks usw. nicht hören. Man lernt nie aus, hah!

Nun basiert “Winter Storm” auf einer Fantasy-Geschichte von dir. Wie reagierten deine vier Kollegen auf die Idee, ein Album basierend auf deiner Fantasy-Geschichte zu veröffentlichen?

Ja, das stimmt. Ich habe die Idee, ein Fantasy-Buch zu schreiben, schon seit ungefähr zehn Jahren. Die große Geschichte hat sich langsam in meinem Kopf entwickelt und ich habe sogar schon einiges geschrieben, aber ich dachte immer, dass ich anfangen würde, es richtig zu schreiben, wenn wir eine etwas ruhigere Zeit haben.

Aber die Dinge laufen nicht immer wie geplant, weil in meinen Augen die Geschichte des Buches und das “Universum” von ENSIFERUM nie erreicht werden konnten. Und doch sind wir jetzt hier! Die Jungs haben all die Jahre meine Songtext-Ideen vertraut, also war es ziemlich einfach, ihnen diese Idee zu verkaufen. Vielleicht bereuen sie es jetzt?

Habt ihr denn darüber nachgedacht einen Album-Zyklus zu machen mit mehreren “Winter Storm” Geschichten als Basis?

Sag niemals nie, aber ich würde sagen, dass dies das einzige Mal ist, dass diese beiden Universen aufeinandertreffen. Ich möchte die Musik von Ensiferum nicht einschränken und um ehrlich zu sein, haben wir einige raw Songs für das nächste Album und sie sind nicht in der selben filmischen Welt wie “Winter Storm”.

Ich fände es natürlich außerordentlich cool, 2025 weitere Storys zu hören, denn 2025 feiert ihr auch 30 Jahre ENSIFERUM. Oder habt ihr da etwas anderes geplant?

Sagen wir einfach, wir haben dieses Jubiläum nicht vergessen. Es gibt im Moment viele Pläne für die nächsten 2-3 Jahre, aber natürlich müssen wir da etwas Flexibilität haben, falls Iron Maiden uns fragen sollten, ob wir mit ihnen auf Tour gehen wollen.

Kommen wir zu deinem Roman. Wie lange schreibst du denn schon daran und zu wie viel Prozent ist er fertig?

Haha! Die großen Handlungsstränge sind in meinem Kopf ziemlich klar. Ich denke ständig über kleine Details und Charaktere nach. Aber wie ich schon sagte, hatte ich nicht vor, in den nächsten Jahren mit dem eigentlichen Schreiben anzufangen, aber ich schätze, jetzt muss ich die Zeit finden.

Es wird eine sehr lange Geschichte, die sich über Generationen erstreckt, also würde ich, obwohl ich einige Passagen geschrieben habe, im Moment sagen, dass ich 0 % geschrieben habe.

Und nur um das klarzustellen: Die Geschichten in “Winter Storm” sind nur ein kleiner Bruchteil der großen Handlung.

Dürfen sich Verleger bei dir melden, wenn sie dieses Interview lesen und Interesse haben?

Warum nicht, aber sie sollten viel Geduld haben, haha! Der größte Engpass ist für mich die Zeit. Während COVID musste ich einen festen Job annehmen und wegen der Inflation usw. arbeite ich immer noch “9-17”. Das bedeutet, dass viel weniger Zeit für kreative Arbeiten wie das Komponieren von Musik, das Aufnehmen von Demos und natürlich das Schreiben bleibt. Wenn also jemand an mich und meine Geschichte glaubt und mir einen großen Vorschuss zahlen kann, damit ich meinen Job kündigen kann, bin ich sicher, dass der Zeitplan viel schneller wird. Aber ich habe es nicht eilig. Ich bin ziemlich sicher, dass dies das einzige Buch sein wird, das ich jemals schreiben werde, und ich habe nicht vor, eine Karriere daraus zu machen. Aber andererseits … sag niemals nie.

Ihr seid im nächsten Jahr auf großer Tour und macht auch in meiner Nähe (Wiesbaden) halt. Ich versuche natürlich dort zu sein, denn leider habe ich ENSIFERUM noch nie live gesehen. Eigentlich wollte ich euch 2022 beim Breeze sehen (wir haben uns auch beim metal.de Autogrammstand getroffen – ich war einer der Rollifahrer), aber wegen dem Regen und dem Matsch streikte der Rollstuhl und ich musste verzichten. Mit wem seid ihr denn unterwegs und werdet ihr eine komplette Headliner-Show spielen?

Verdammt, es tut mir leid, dass das passiert ist. Ich hoffe, euch alle Anfang 2025 auf dem “Paganfest” zu sehen. Es wird eine Wahnsinnsparty in ganz Europa mit ALESTORM, TYR, HEIDEVOLK und ELVENKING. Da es eine Festivaltour ist, werden wir vermutlich ein einstündiges Set spielen, aber glaubt mir, das Set wird nur Killer und keine Lückenfüller enthalten.

Sami, ich danke dir für deine kostbare Zeit, bedanke mich bei euch allen für ein erneut sehr starkes, unterhaltsames Album mit Geschichten, die ihr durch euren Spirit zum Leben erweckt! Dir gebühren die letzten Worte!

Vielen Dank, Tobias, für deine Unterstützung! Ich hoffe, wir sehen uns auf Tour und in der Zwischenzeit viel Spaß mit dem neuen Album und den coolen Videos (die man wie einen kurzen Film hintereinander anschauen kann!)

Interview: Tobias Stahl
Photo Credit: Svetlana Goncharova