HEATHEN
Titel: EMPIRE OF THE BLIND
Label: NUCLEAR BLAST / WARNER
Spieldauer: 47:24 Minuten
Im Vorfeld des Albums ließen HEATHEN verlauten, dass „Empire Of The Blind“ quasi am Reißbrett und dort zudem in Person von Kragen Lum entworfen wurde. Ein klassisch aufgebautes Thrash Metal-Album sollte es werden, mit Intro, pfeilschnellem Opener, Midtempo- und balladesken Momenten, einem Instrumental (warum dafür gerade das melodisch höchst potente „A Fine Red Mist“ herhalten muss, bleibt mir ein Rätsel) sowie einem Outro. Nun ist Kragen Lum erst zum bärenstarken Vorgänger „The Evolution Of Chaos“ zur Band gestoßen, der im Vorfeld zum 10jährigen Jubiläum taktisch klug neu aufgelegt wurde. Natürlich hat der ehemalige Prototype-Gitarrist (das 2012er Album „Catalyst“ ist nach wie vor ein Muss für Fans gediegener Progressive-Mucke) lange mit Lee Altus, nicht zuletzt auch als Ersatz von Gary Holt bei Exodus, zusammengespielt. Jedoch haben diese inzestuösen Verhältnisse auf „Empire Of The Blind“ auch ihren Preis. Statt sich HEATHEN zu widmen, bestritt Altus eben lieber lukrative Gigs mit Exodus, und so lag es unfairer Weise an Lum, das neue Baby im Labor zu zeugen.
Es kann nicht verwundern, dass dieser Umstand die Band (mitunter mehr als nur) ein wenig ihrer Identität beraubt hat. Zwar bemüht sich Lum nach bestem Wissen und Gewissen, aber wenn man eben die Riffs von Prototype und durch hunderte Konzerte auch jene von Exodus viel mehr in der eigenen DNA trägt, kann es nicht verwundern, dass dies durchscheint. Zwar bedeutet dies nicht, und jetzt bitte Durchatmen, dass es sich bei „Empire Of The Blind“ um ein wirklich schwaches Album handelte, jedoch zeigen sich allein schon am Gesang David Whites, der hier seine melodische Meisterschaft nicht wie gewohnt in ellenlangen Refrains („Dying Season“ oder das selige „Hypnotized“) entfalten kann, die kleinen aber feinen Sandkörner im Songwriting-Getriebe. Auch die harmonische Handschrift sowie das majestätische Midtempo von Altus entfalten sich hier beileibe nicht in gewohntem Maße. Es handelt sich vielmehr um eine Kreuzung aus Prototype, Exodus und eben HEATHEN.
So braten die (für Puristen sicher zu modern in Szene gesetzten) Riffs von „In Black“ zwar in richtig heißem Fett, jedoch werden so die melodischen Aspekte ebenso wie die oft epischen Songstrukturen des Bandsounds erstickt. Nun steht natürlich nirgends geschrieben, dass eine Band sich nicht verändern darf. Hier ist dies aber eben nicht zum Besseren geschehen. „Empire Of The Blind“ ist ein absolut solides, gutklassiges Thrash-Album geworden. „The Blight“ knüpft phasenweise an alte Glanztaten an, der Titeltrack ist ein saftiger Stampfer, das melodische „Sun In My Hand“ punktet mit einem schönen Refrain. Allerdings gibt es auch vier gleichförmige 3 1/2-4 Minuten Blitze, von denen zumindest „Devour“ und „The Gods Divide“ verzichtbar sind.
Mit dem Vorgänger oder gar „Victims Of Deception“ kann „Empires Of The Blind“ demnach beileibe nicht mithalten. Es verhält sich zu diesen in etwa so wie GM-Food zu einem saftigen Bio-Happen aus Omas Garten: der Nachgeschmack ist etwas schal, und auch der Nährwert hält sich in Grenzen. Reißbrett eben. Der halbe Punkt in der Note wackelt gar.
Patrick Müller vergibt 7,5 von 10 Punkten