NIGHTWISH, BLOODRED HOURGLASS – Amphitheater, Gelsenkirchen
NIGHTWISH – BLOODRED HOURGLASS
12. Juni 2023
Gelsenkirchen, Amphitheater
Nachdem NIGHTWISH ihr ursprünglich für den 09. Juni geplantes Konzert in der Berliner Wuhlheide aufgrund von „logistischen Schwierigkeiten“ abgesagt hatten, spielte die Symphonic-Metal-Institution um ihre stimmgewaltige Frontfrau Floor Jansen am Montag, 12. Juni, ihre einzige Deutschlandshow des Jahres im Gelsenkirchener Amphitheater.
Der Auftritt stand unter dem Motto „An Evening With Nightwish“ und war einer der letzten Auftritte der Welttournee zum aktuellen „HUMAN. :II: NATURE.“ Langdreher, wonach die Band eine Pause noch unbekannter Länge einlegen wird.
BLOODRED HOURGLASS
Kaum jemandem dürfte aufgefallen sein, dass das Konzert eine gute Dreiviertelstunde später als geplant startet, da die ominöse zweite Vorband wohl doch nicht existent war. Den Anfang machten also wie angekündigt die finnischen Landsleute des Headliners von BLODDRED HOURGLASS. Und es ist nicht so, als hätte der Sechser nicht alles gegeben und eine enorme Spielfreude ausgestrahlt, dennoch wirkte die Truppe mit ihrem Mix aus hartem und aggressivem Groove und Melodic Death Metal hier und heute irgendwie fehl am Platz. Man musste ob der Power, Härte und Eindimensionalität des Gebotenen doch das ein oder andere fragende und überraschte Gesicht im sehr gemischten „symphonischen“ Publikum des weiten Runds ausmachen. Aber schließlich konnte die Band mit ihrer kraftstrotzenden Soundwand aus Blastbeats, drei Gitarren und dem Gebrüll von Frontmann Jarkko Koukonen sowie Songs wie `In Lieu Of Flowers´, ´Waves Of Black´ und `Nightmares Are Dreams Too´ dann doch noch gewisse Teile des Auditoriums für sich gewinnen und zu Einigem an Bewegung und Fäusterecken animieren.
NIGHTWISH
Nachdem ihre Mannen bereits nach und nach die Bühne betreten hatten, stürmte auch Floor Jansen mit dem ersten lauten Knall des Abends ans Mikro und der Sechser legte wie fast immer mit `Noise´ vom namensgebenden Silberling der Tour und dem “Imaginaerum“ Stück `Storytime´ gleich fulminant los.
Die Songs ertönten zu beeindruckenden und stimmungsvollen Videosequenzen auf dem großen dreigeteilten Screen. CO2 Jets und mehr Pyrotechnik als beim diesjährigen Pokalfinale RB Leipzig gegen Eintracht Frankfurt halten im `Tribal´ Rhythmus sowie im weiteren Verlauf die Stimmung hoch. Beim grandiosen `Elan´ ertönte der heute sicherlich größte Chor des gesamten Ruhrgebiets hier im Amphitheater, bevor `How’s the Heart?´ und vor allem das mitreißende `I Want My Tears Back´ die Anwesenden förmlich zum Tanzen und Feiern zwingen. Nur einige Augenblicke später gelingt es Floor Jansen spielend, mir auch bei fast 30 Grad mit Songs wie `Sleeping Sun´ und `Nemo´ eine deftige Gänsehaut zu verpassen.
Zudem lernen wir heute auch noch eine Menge über hochschwangere Frauen. So gibt es sehr kleidsame schwarze Stage-Mode für selbige, die mit der richtigen Technik auch problemlos in der Lage sind, energetisch-dynamisch und gleichzeitig baby- und mamaschonend zu headbangen. Zudem müssen schwangere Frauen und Menschen über Vierzig sich ab und zu mal hinsetzen. Gesagt, getan und zwar beim emotionalen und akustisch startenden, wie schon beim Sologig in Oberhausen den Eltern der Sängerin gewidmeten, `Decades In The Sun´.
Floor Jansen überstrahlt mit ihrer Aura und Erscheinung natürlich wie immer alles und präsentiert sich gesanglich einmal mehr in Topform. Zu meinem heimlichen, kleinen Star des Abends gerät jedoch der im Hintergrund der großen Bühne neben Keyboardmagier Tuomas Holopainen agierende, sympathische Brite Troy Donockley, der nicht nur diverse Flöten, den irischen Dudelsack, Bouzuki und Mandoline spielt und so einiges an Backgroundgesang beisteuert, sondern auch mit einer kurzen, launigen Ansage die Magie des Abends perfekt auf den Punkt bringt.
Erst kurz nach zehn und gemäß Setliste sind nur noch drei weitere Stücke zu erwarten? Als Fan und NIGHTWISH „Experte“ ist den Anwesenden natürlich bewusst, dass der noch ausstehende grandiose Dreierpack einige Zeit in Anspruch nehmen wird. Den großartigen Abschluss eines tollen Abends bildeten also `Last Ride of the Day´, der Piraten Movie Soundtrack `Ghost Love Score´, bei dem man die ganze Zeit befürchten musste, jeden Moment könne ein gewisser Jack Sparrow auftauchen, und das bombastische, fünfteilige und allein etwa vierundzwanzig Minuten lange `The Greatest Show on Earth´.
Aber irgendwie möchte man an diesem lauschigen Abend auch gar nicht, dass das Ganze nun schon endet, was dann leider unausweichlich natürlich doch geschieht. Welch grandiose Sängerin sie ist, zeigt die Frontfrau nochmals beim bereits laufenden Outro `All The Works Of Nature Which Adorn The World – Ad Astra´, bei dem sie während der obligatorischen Foto-, Dank- und Abschiedszeremonie nochmal eben ihre anspruchsvollen Vocalparts übernimmt.
Hoffen wir also, dass die kombinierte Live-, Baby- und Album-Pause nicht allzu lange dauern wird. Wir werden Euch vermissen!
Trackliste NIGHTWISH:
Noise
Storytime
Tribal
Élan
Sleeping Sun
Dark Chest of Wonders
How’s the Heart?
I Want My Tears Back
Sahara
Our Decades in the Sun
Nemo
Shoemaker
Last Ride of the Day
Ghost Love Score
The Greatest Show on Earth
Text: Michael Gaspar
Photo Credits: Sven Bernhardt