IBARAKI – RASHOMON

Ibaraki - Rashomon

IBARAKI

Titel: RASHOMON

Label: Nuclear Blast

Spieldauer: 61:48 Minuten

VÖ: 06. Mai 2022

Wenn der Name Matt Heafy fällt, glitzern die Augen der Fans von Trivium, handelt es sich hierbei doch um keinen geringeren als den umtriebigen Frontmann der Metalcore-Könige aus Orlando/Florida. Umtriebig deshalb, weil Matthew Kiichi Heafy auch im Bereich Gaming und Streaming unterwegs ist. Außerdem begann er 2009 – damals noch unter einem Alias – an einem Black Metal Projekt zu arbeiten, auf das er schon lange Bock hatte. Was viele nicht wissen ist, dass Heafy vor seiner Karriere mit Trivium in einer BM – Band namens Mindscar gewesen ist und ihn die düstere Thematik aus u.a. heidnischen Welten und deren Götter schon damals sehr angezogen hatte – doch dann ging es steil mit Trivium und Mindscar trennten sich. Seiner Leidenschaft nachkommend schrieb er Songs in Richtung Black Metal und schickte sie an Darren Toms von Candlelight Records, mit der Bitte, sie an sein Idol Ihsahn von Emperor weiterzugeben und bekam auch Feedback von ihm. Genau erinnert sich Heafy nicht an das, was Ihsahn ihm antwortete, aber unterm Strich lobte er ihn mit „Gute Arbeit“. Das war zeitgleich der Startschuss für den Trivium – Frontmann die Solo-Werke von Ihsahn zu studieren und sich inspirieren zu lassen. Diese Inspiration durch sein Idol wird man auch bei „Rashomon“ wiederfinden, wie man u.a. in den bisher veröffentlichten Singles ´Tamashii No Houkai´, ´Akumu´ und ´Rōnin´ hören kann.

Thematisch sind wir bei „Rashomon“ überwiegend in der japanischen Mythologie und Folklore zu Hause, doch auch sozialkritische Themen werden von Matt Heafy aufgegriffen, der die Zusammenarbeit mit Ihsahn für sein Soloalbum sehr genoss und dadurch auch eine Freundschaft der beiden Musiker entstand, die Ihsahn zum Produzenten von IBARAKI werden lies. Die Pandemie spielte auch eine Rolle – eine positive, man glaubt es kaum – in der Reise zum ersten Black Metal Album aus Heafys Feder. Sie ermöglichte es, dass intensiver am Projekt gearbeitet werden konnte, fiel doch alles andere durch die vielen Beschränkungen aus. So hatten auch die Trivium Mitglieder Alex Bent (Schlagzeug), Paolo Gregoletto (Bass) und Corey Beaulieu (Gitarre) Zeit, bei verschiedenen Tracks mitzuwirken. Auch Ihsahns Frau Heidi sampelte einige (Natur-)Klänge aus dem Wald in der Nähe ihres Hauses und steuerte sie „Rashomon“ bei. Wir hören zudem Gerard Way bei ´Rōnin´ und Nergal bei ´Akumu´ als Gastsänger.

Die Eröffnung des Albums mit ´Hakanaki Hitsuzen´ klingt creepy, denn man fühlt sich an diverse Horrorfilme und einschlägige Szenen erinnert. Das Ganze ändert sich aber mit dem ersten Track ´Kagutsuchi´. Man hört Heafy in Bestform: Aggressiv und wütend schreit er sich die Lunge aus dem Hals und musikalisch gibt’s auch voll auf die Zwölf, sodass geneigte Headbanger ihren Nacken ausgiebig trainieren dürfen. Weiterhin hat der über sieben Minuten dauernde Song auch ruhige, melodische Passagen mit Klargesang von Heafy. Es folgen zwei weitere Tracks mit annährend der gleichen Spieldauer. ´Ibaraki-Dōji´ und ´Jigoku Dayu´ muten nicht als Black Metal an, eher als Death/Thrash Metal. So empfinde ich es auch bei fast allen weiteren Liedern, mit Ausnahme von
´Akumu´, bei dem Nergal als Gastsänger dabei ist. Er gibt „Rashomon“ einen rabenschwarzen Anstrich und schafft das allein durch seine Stimmfarbe. Zudem verfügt ´Akumu´ über ein mördergeiles Riff, dass Headbanger feiern werden. Bemerkenswert ist auch der neun Minuten Song ´Rōnin´, der in sich so viel Abwechslung bietet, wie man sie auf kompletten Alben der Konkurrenz nicht findet. Übrigens finde ich Gerard Ways kreischend-helle Stimme bei ´Rōnin´ beeindruckend und sehr „schwarzmetallisch“.

Wer in Verbindung mit IBARAKI und „Rashomon“ das genannte Genre Black Metal liest, den kann das eventuell abschrecken – wie auch mich zunächst. Es handelt sich hier aber vielmehr um ein Melodic Death/Black Metal Werk gewürzt mit thrashigen Passagen und angereichert mit Metalcore, wenn man es überhaupt in eine Schublade sortieren kann. Es hat jedenfalls nichts mit dem eigentlichen Black Metal gemeinsam, bei dem Bandfotos überwiegend im tiefen Wald gemacht werden 😉. Auf den Hörer prasseln in über einer Stunde so viele Eindrücke und Stimmungen ein, dass dieser beim ersten Anhören überlegen muss, was oder wer ihn da getroffen hat. Es wird einige Durchläufe in Anspruch nehmen, um das facettenreiche Werk in Gänze zu erfassen. Ich bin froh, dass ich mich dazu entschieden habe dieses Album zu besprechen, denn sonst hätte ich eine Achterbahnfahrt durch meine favorisierten Genres verpasst. Heafy hat seine, über viele Jahre gesammelte, große musikalische Erfahrung in seinem Projekt IBARAKI mit der Expertise von Ihsahn gebündelt und mit „Rashomon“ einen weiteren Höhepunkt seiner Karriere rausgehauen. Man kann natürlich über die große Anzahl von Songs jenseits der siebeneinhalb Minuten die Stirn runzeln, aber wenn Matt sein Album genauso haben wollte, dann ist das in Ordnung und auch gut so! Ich hoffe; daSs er IBARAKI weiterführt und wir noch vieles von ihm aus dieser Richtung hören dürfen.

Tobi Stahl vergibt 9 von 10 Punkten