IRON MAIDEN
Titel: SENJUTSU
Label: PARLOPHONE RECORDS / WARNER
Spieldauer: 81:59 Minuten
6 lange Jahre ist es nun her, dass die eisernen Jungfrauen ihr letztes Werk „Book of Souls“ veröffentlichten, das nicht nur für Applaus in der Szene sorgte. Manch einem war das Album schlicht zu langatmig, zuviel Mittelmaß. In meinen Augen war das lediglich Jammern auf hohem Niveau, hatte „Book of Souls“ doch weit mehr Höhen als Tiefen zu bieten.
Aber wenden wir uns „Senjutsu“ (was soviel wie Taktik und Strategie heißt) zu. Das neue Langeisen ist zwar kürzer als der Vorgänger, aber mit knapp 82 Minuten alles andere kurz geraten. Vorab kann ich auch schon verraten, dass alle, die mit Maiden nach der Reunion mit Bruce nichts mehr anfangen konnten, auch diesmal enttäuscht sein werden. Die goldenen 80er sind nun mal ein für alle Mal vorbei! Und in meinen Augen ist das auch gar nicht weiter schlimm. Lässt man sich ohne Hoffnung auf eine zweites „Number of the Beast“ oder „Seventh Son of a Seventh Son“ auf das neue Album ein, wird man auf eine durchaus spannende Reise geschickt.
Los geht es mit ‘Senjutsu‘ (Harris/Smith). Und ja, ich muss zugeben, dass das ein Track ist, bei dem sich alle Kritiker der Vergangenheit bestätigt sehen werden. Etwas zu gleichförmig und unspektakulär geht man hier zu Werke. Das ist zwar alles andere als schlecht, haut mich aber noch nicht von meinem Hocker.
Weiter geht es mit der zweiten Vorab-Single ‘Stratego‘ (Harris/Gers). Hier sieht das schon ganz anders aus. Mit fünf Minuten Länge ist das der zweitkürzeste Song und der geht sofort ins Ohr. Ein treibender Rhythmus mit einer feinen Melodie zieht sich durch den Song und man beginnt sich so langsam wohlzufühlen. So darf es gerne weitergehen und das tut es auch!
Nun folgt die erste Vorab (Video) Single ‘The Writing on the Wall‘ (Dickinson/Smith). Der Track wird mittlerweile allseits bekannt sein und hat allenthalben für zumeist positive Resonanzen gesorgt. Von daher bedarf es hier nicht mehr vieler Worte. Mich hat der Song mit seinem latenten Western Feeling und dem eingängigen Refrain sofort gepackt. ‘The Writing on the Wall‘ wird sicher einen festen Platz in der Setlist der Jungfrauen ergattern und sich mehr und mehr zum Hit mausern.
‘Lost in a Lost World’ (Harris) startet mit einem sanften Intro, bevor es in einen eher simplen, getragenen Part übergeht, der im Prinzip nur durch den recht gefälligen Refrain unterbrochen wird. Sicher ein guter Song, allerdings über die Distanz von 9:32 Minuten doch etwas zu blass.
‘Days of Future Past‘ (Dickinson/Smith) ist mit knapp über vier Minuten der kürzeste Track, sorgt dafür aber umgehend wieder für ein freudiges Lächeln. Eingeleitet durch ein cooles Riff zu Beginn, kommt es umgehend auf den Punkt und entwickelt es sich zu einem schmissigen Mitbanger mit (Live-)Hitpotenzial.
‘The Time Machine‘ (Harris/Gers) wird einmal mehr mit einem gefühlvollen Intro eingeleitet. Anders als ‘Lost in a Lost World‘ mausert sich der Song jedoch zu einem überaus abwechslungsreichen und spannenden Gassenhauer, der alles in sich vereinigt, was man von einem IRON MAIDEN Song erwartet. Ein durchgehender Spannungsbogen, ein treibender Rhythmus, großartige Melodien und Bruce‘ fantastischer Gesang. Definitiv ein Highlight des Albums!
Mit ‘Darkest Hour‘ (Dickinson/Smith) folgt die erste und einzige Ballade des Albums. Der Song schildert aus der Sicht eines Soldaten die Furcht vor der Stunde, bevor die Gefechte erneut beginnen. Entsprechend düster ist die Grundstimmung. ‘Darkest Hour’ hätte sich sicher auch auf einem von Dickinsons Soloalben gut gemacht. Toller Song!
Wer bisher der Meinung war, dass MAIDEN nur durch Dickinson und Smith am Leben gehalten werden, der wird nun durch ‘Death of the Celts‘ (Harris) eines Besseren belehrt. Nicht nur durch die thematische Nähe wird man an ‘The Clansman‘ von „Virtual XI“ erinnert. Der Song ist aber für sich genommen stark genug, um nicht als billige Restverwertung oder gar Kopie wahrgenommen zu werden. Zu keiner der über 10 Minuten kommt auch nur ansatzweise Langeweile auf und man wähnt sich förmlich in den schottischen Highlands. Definitiv ein weiterer Anwärter für den Song des Albums.
‘The Parchment‘ (Harris) ist mit über 12 Minuten der längste Song des Albums und wird einmal mehr von obligatorischen ruhigen, in diesem Fall orientalisch angehauchten, Intro auf den Weg gebracht. Nach einem (viel zu) kurzen Powerslave-Moment macht sich dann allerdings doch etwas gepflegte Langeweile breit. Zu monoton schleppt man sich im Midtempo Bereich vergebens einem Höhepunkt entgegen, da hilft auch das recht flotte Finale nicht wirklich. Würde man das Ganze auf ein Drittel konsolidieren, wäre ‘The Parchment‘ wohl auf der Habenseite zu verbuchen…
Mit ‘Hell on Earth‘ (Harris) sind wir nun beim Finale von “Senjutsu” angekommen. Während des elendig langen Intro Geklimpers schwindet meine Hoffnung auf einen furiosen Abschluss. Doch nach etwas über zwei Minuten werden all meine Befürchtungen ins Gegenteil verkehrt. Welch ein Comeback! Mit einem Schlag ist alles wieder da, was die größte Metalband der Welt ausmacht. Der Song komprimiert sämtliche Trademarks der Eisernen. Diese unwiderstehliche Melodie, der göttliche Gesang… Ich hätte fast vor Begeisterung ein Tränchen verdrückt! Da ist er, der furiose und vor allem würdige Abschluss!
Was ist nun also das Fazit von „Senjutsu“? Ich hatte einige Bedenken, als ich erfuhr, dass so viele Songs so lange ausfallen würden, aber ich muss zugeben, dass diese Bedenken völlig umsonst waren. IRON MAIDEN sind in einer beeindruckenden Form und bleiben uns hoffentlich noch lange erhalten. Steve Harris hat bewiesen, dass er noch lange nicht aufs Altenteil gehört, Bruce Dickinson hat eine famose Leistung abgeliefert und Adrian Smith ist weiterhin eine wichtige Säule für das Gesamtkunstwerk IRON MAIDEN. Abgesehen von ‘Lost in a Lost World’ und ‘The Parchment‘, die leider etwas im Vergleich zum Rest zu stark abfallen, werden durchgehend sehr starke bis großartige Songs geboten. Auch die Reihenfolge der Songs ist vielleicht etwas ungünstig, gerade das Triple am Ende hätte vielleicht mit kürzeren Titeln etwas aufgelockert werden können. Allerdings ändert das überhaupt nichts daran, dass „Senjutsu“ ein überaus starkes Album geworden ist, dass das Zeug hat den „Test of Time“ zu bestehen.
Freilich wird auch „Senjutsu“ nicht nur Jubelstürme hervorrufen. Wie bereits eingangs erwähnt, wird sich der Teil der Fans, der mit den MAIDEN Werken aus den 2000er Jahren wenig bis nichts anfangen konnte, auch hier schwertun. Auch die Preise, die für die unterschiedlichen Vinyl Varianten aufgerufen werden, werden, nicht ganz zu Unrecht, einigen Unmut verursachen. Glücklicherweise steht es aber jedem frei auf die weit günstigere CD-Version zurückzugreifen. Ich für meinen Teil freue mich jetzt riesig auf den 03.09., wenn mein Exemplar von „Senjutsu“ endlich bei mir eintrifft und natürlich auf den Juli nächsten Jahres, wenn das neue Werk live vorgestellt wird. UP THE IRONS!
Melanie Pank vergibt 8,5 von 10 Punkten