MINDPATROL
Titel: IKARIA
Label: GREENZONE MUSIC
Spieldauer: 63:44 Minuten
Die futuristische Stadt “Ikaria” ist sowohl Namensgeber und Schauplatz als auch thematische Grundlage für das neue Konzeptalbum der Extreme Progressive Metal-Band MINDPATROL und den von Sänger Luc Francois verfassten Roman zu dessen narrativer Begleitung. Dort soll mittels Gedanken-Monitoring die perfekte, absolut sichere Gesellschaft ohne Verbrechen erschaffen werden, was massive Einschnitte in die Freiheit des Einzelnen mit sich bringt. Der Sound des Vierers aus Hostert in Luxemburg zeichnet sich darauf durch tief gestimmte Gitarren, abgehacktes Riffing und krumme Takte aus. Der Gesang wechselt zwischen aggressiven Shouts, intensiven Growls und cleanen Anteilen hin und her. Oft lösen rasend schnelle Passagen melancholisch-fragile Momente ab um wieder von proggig-frickeligen Teilen verdrängt zu werden.
Während der Opener ‘Porcelain Skin’ ohne cleane Gesangspassagen und mit einem guten Refrain noch am ehesten meine beinahe ungeteilte Zustimmung findet, habe ich im Folgenden so meine Probleme mit dem Dargebotenen. Die chaotisch-dystopische Atmosphäre des Romans/Themas soll und darf sich in der Musik widerspiegeln, aber der holprige Songaufbau und die vermeintliche Komplexität sind nur selten songdienlich und überfordern den Hörer. Dabei gibt es sowohl an der grundlegenden technischen Leistung als auch an der – nebenbei bemerkt von Sebastian Levermann (Orden Ogan) perfekt in Szene gesetzten – Produktion rein gar nichts auszusetzen. Doch trotz des fortwährenden, musikalischen Wechselspiels entsteht keine wirklich packende Dynamik. Die einzelnen Parts wirken aneinandergereiht und wenig harmonisch. Die Songs sind überfrachtet mit zwar guten Ideen, die aber nicht zünden oder im Nichts verpuffen. Es mangelt an außergewöhnlichen Melodien und Hooks, manche Songstrukturen wirken umständlich und irgendwie hölzern.
Spätestens der Anfang von ‘What The Birds Don’t Know’ offenbart eine weitere Schwachstelle, nämlich dass der cleane Gesang mit den oftmals beeindruckenden Wall-Of-Sound-Momenten und den angriffslustigen Shouts und Growls nicht mithalten und die aufgebaute Spannung oft nicht aufrechterhalten oder angemessen umsetzen kann. Der vorletzte Track ‘Guilt’ kann exemplarisch einige der Knackpunkte veranschaulichen. Er beginnt vielversprechend mit einer gesprochenen Passage im Stil einer Lautsprecher-Durchsage an die Bevölkerung Ikaria´s und dem folgenden mehrstimmigen Gesang, der in eine Art gesungenes Gebet übergeht. Aber zehn Tempo-/Stilwechsel und Übergänge in etwas über sieben Minuten sind mir dann doch einfach zu viel. Die Scheibe hat sicherlich ihre guten Momente und bei mehreren Durchläufen gibt es bestimmt noch manche Finesse und das ein oder andere Detail zu entdecken. Obwohl ich alles andere als gewöhnliche Autofahrmucke erwartet habe, kann ich das erneute Anhören nach knapp vierundsechzig anstrengenden Minuten wirklich nur fanatischen Verfechtern des extremen Prog empfehlen.
Michael Gaspar vergibt 6 von 10 Punkten