LORD VIGO
Titel: DANSE DE NOIR
Label: HIGH ROLLER / SOULFOOD
Spieldauer: 44:17 Minuten
Es ist schon beeindruckend, wenn man sich die Entwicklung von LORD VIGO anschaut. Ich kann mich noch gut daran erinnern, als mir mein Kumpel und Bandintimus Less die Debüt-EP der Pfälzer beim „ACFM“-Festival 2015 in die Hand drückte und mich bat, ein Review für seine Kumpels zu schreiben. Heute macht er das übrigens selbst und noch dazu ganz hervorragend. Schon zu jener Zeit hatten die Jungs mich gleich mit ihrer augenzwinkernden Kauzigkeit auf ihrer Seite. Der 5-Track-EP, die es für Traditionalisten übrigens auch als Tape gibt und der ihr Zweck in großen Lettern („For Promotion Only“) aufgedruckt war, erfüllte ihre Bestimmung und noch im gleichen Jahr erschien „Under Carpathian Sun“ als Longplayer, mit zwei zusätzlichen Tracks, beim griechischen Label „No Remorse“. Dort fühlte man sich so wohl, dass man in den nächsten drei Jahren zwei weitere herausragende Alben („Blackborne Souls“ und „Six Must Die“) für die Griechen produzierte und sogar auf deren Haus-und-Hof-Festival, dem „Up The Hammers“, in Athen auftrat. Mittlerweile ist man auf vielen namhaften Festivals ein gern gesehener Gast: „Hammer Of Doom“, „Bang Your Head“, „Iron Fest“ und im September, so Corona will, endlich auch beim „Ironhammer“ in meiner Heimatstadt Andernach. Dabei hat sich das Line-Up von LORD VIGO kontinuierlich erweitert. Bandkopf und Sänger Vinz Clortho, der von Hause aus Drummer ist, trommelt schon immer alle Alben selbst ein. Nachdem Live-Drummer Murray The Mantis zuletzt durch Ivo Shandor ersetzt wurde, kommt der Neue jedoch zu Studioehren und darf auf dem neuen Longplayer „Danse De Noir“ gleich ein Stück (‚Memento Mori‘) einspielen. Die gleiche Ehre wird Livebasser Zuul (‚The Verge Of Time‘) und Livegitarrist Nunzio Scoleri (‚As Silence Grows Old‘) zuteil. Ansonsten rulet wie gewohnt das kongeniale Gründungsgitarrenduo Volguus Zildrohar und Tony Scoleri. Wer gut aufgepasst hat, wird feststellen, dass sich die Zahl der Bandmitglieder inzwischen von drei auf sechs verdoppelt hat und dass alle Mucker auf (Künstler-)Namen aus dem Kultfilm „Ghostbusters“ hören. Diese cineastische Affinität zieht sich wie ein roter Faden durch die Vita der Band und ist Teil ihrer DNA. Das letzte Album „Six Must Die“ war ein Konzeptalbum zu John Carpenters „The Fog“ und das neue Werk, welches diesmal bei der deutschen Hitschmiede High Roller erscheint, ist eine Hommage an „Blade Runner“ von Regisseur Ridley Scott. Folgerichtig ziert ein Replikantenschädel mit allerlei Drähten, Schläuchen und Kabeln das Cover, welches wieder einmal großartig ausgefallen ist und für das sich diesmal ein gewisser Peter Cric verantwortlich zeigt. Sein Stil ist ganz anders als der von Markus Vesper und Karmazid davor und trotzdem wieder absolut beeindruckend. Gleiches gilt für Konzept und Songwriting. Diesmal geht es um eine junge Frau namens Nihlai, die im Los Angeles des Jahres 2020 von Blade Runnern gejagt wird. Die Frage, ob es sich bei ihr wirklich um eine Replikantin handelt, wird an dieser Stelle genauso wenig preisgegeben wie andere Details der Story, da ich ansonsten befürchten muss, von Volguus höchstpersönlich in 1000 Stücke gerissen zu werden. Nachdem Vinz so nett war, mir bereits vor Monaten den Rough Mix zukommen zu lassen, bin ich mit dem Material bereits bestens vertraut und kann konstatieren, dass sich „Danse De Noir“ selbst nach etlichen Durchläufen kein bisschen abnutzt. Im Gegenteil, jeder Durchlauf offenbart neue Details und Feinheiten. Es geht gleich los mit dem Opus Magnum des Albums ‚Offworld A.D.‘, welches aus sechs Teilen besteht, drei davon Intros. Wie immer hat es sich Vinz nicht nehmen lassen, die Story durch diverse Einspieler und Soundscapes zu untermalen. Es ist schier unfassbar, wie viel Detailarbeit alleine im von solchen Parts umhüllten Titelstück steckt. Immer wieder erklingt eine Frauenstimme (Nihlai) aus dem Off, die von wahnwitzigen Gitarrensoli durchschnitten wird. Dass die Jungs wirklich völlig durchgeknallt sind, offenbart sich spätestens bei ‚The Verge Of Time‘, zu dem sie einen Videoclip gedreht haben, der Ridley`schen Standards verdammt nah kommt. Dazu haben sie eigens Modelle gefertigt, welche die dystopische „Blade Runner“-Atmosphäre fast originalgetreu nachbauen. Die Musik steht dieser Optik in nichts nach, vor allem das registertonnenschwere Eröffnungsriff und die beschwörenden Vocals sind Vigo`sche Markenzeichen, die hier wieder ganz prominent hervortreten. Dass Vinz` Gesang nicht jedermanns Sache ist, teilt die Band mit einigen Genrekollegen aus dem Kauzsegment wie Slough Feg oder Cirith Ungol. So fuckin` what?! Aber anstatt die nörgelnden Purschen zu Poden zu schmettern oder fürs Nicht-Obeyen mit der Pickelhaube aufzuspießen, bietet man zuletzt in einem Chat den schamlosen Kritikern scherzhaft eine Albumversion ohne Vocals zum Selbstbesingen an. Das nenne ich eine souveräne Replik, mit Augenzwinkern und Selbstironie. Ich liebe diese Burschen! Apropos Liebe, man muss den Abschluss von ‚Offworld A.D.‘ mit ‚Shoulder Of Orion‘ alleine auf Grund seiner unbeschreiblichen Bassläufe lieben, auch wenn das Glockenspiel im Hintergrund einen ständig zur Haustür laufen lässt, weil man denkt, es habe geklingelt. Ein würdiger Ausklang einer genialen Suite, was es dem darauffolgenden ‚And Then The Planets Will Align‘ nicht ganz leicht macht. Doch Tony und Volguus hauen das Ganze mit ihrer saugeilen Gitarrenarbeit doch noch raus, vor allem Letzterer mit astreinem Picking. ‚Between Despair And Ecstasy‘ überrascht durch seinen kräftigen Wave-Einschlag und der ist vor allem auf Grund des Drummings wörtlich zu nehmen. Da haben wohl Idle Hands, mit denen LORD VIGO zuletzt im Mannheimer 7er-Club zusammen gezockt haben, ihr Spuren hinterlassen. Doch der Lord wäre nicht der Lord, wenn er es nicht viel besser machen würde als diese völlig überbewerteten Möchtegern-Heroes Del Silencio aus dem Amiland. LORD VIGO ist einfach der Chuck Norris des Doom, wobei der Begriff Doom mittlerweile viel zu kurz greift, wie auch ‚As Silence Grows‘ eindrucksvoll belegt. Die hohen Schreie erinnern ein ums andere Mal an Satans Brian Ross und auch das Gaspedal wird zwischenzeitlich richtig nach unten durchgetreten. Doch Nunzio Scoleri, der hier seinen großen Auftritt hat, fängt den Song durch seine gefühlvollen Harmony Leads immer wieder ein. Und auch wenn das Phrasenschwein mittlerweile schon verdammt voll sein dürfte, kommt jetzt nochmal ein Taler dazu, denn das Beste kommt auch auf „Danse De Noir“ zum Schluss und zwar in Gestalt von ‚Memento Mori‘. Was für eine endgeile Hymne! Ähnlich wie ‚Doom Shall Rise‘ vom Vorgänger bringen dich die Gitarrenharmonien und der Refrain schier um den Verstand. Da kann man nur noch Headbangen, Fistraisen und Obeyen! „Ach, das ist doch alles nicht objektiv“, höre ich euch sagen?! Na und?! In den Staub mit euch ihr Würmer & OBEY THE LORD!!!
Alex Fähnrich vergibt 9,5 von 10 Punkten