Bevor wir uns der Reissue von “Guilty As Sin” widmen, lohnt sich ein kurzer Blick zurück auf die starke Anfangsphase von BRAZEN ABBOT in den 1990er-Jahren. Denn Nikolo Kotzevs Projekt hat sich damals Album für Album ein festes Fundament im europäischen Melodic Hard Rock erspielt. “Live And Learn” (1995) steht für mich bis heute als zeitloser 90er-Melodic-Hard-Rock-Motor da: ein klasse Einstieg, danach Druck, Groove und Melodie im Gleichschritt. Dazu klangvolle Hammond-Orgel-Momente, richtig geile Gitarrensoli und ein Sänger-Line-up, das man so kaum noch auf einem Album vereint bekommt. Hughes, Edman, Vikström – Champions League der Rockstimmen. Punkt. Mit “Eye Of The Storm” (1996) wurde direkt nachgelegt. Kraftvolle Riffs, Rhythmen, die schnell ins Blut gehen, und erneut großartige Sänger. Die Kombination aus diesen Frontmännern mit den Musikern von Europe funktionierte hervorragend und machte das Album zu einem echten Schmankerl für Fans gepflegten Hard Rocks. Auch “Bad Religion” (1997) blieb auf diesem Niveau. Songs mit Tiefgang, Ohrwürmer, eingängige Riffs, starke Musiker und Sänger, die wissen, wie man große Melodien und tiefgründige Texte transportiert – ein weiterer Hörgenuss der 90er-Jahre.

Nun folgt mit “Guilty As Sin” das insgesamt vierte Album von BRAZEN ABBOT bis 2003 – und genau dieses Werk erscheint ab dem 12. Dezember 2025 erneut als Reissue über Frontiers Music. Nikolo Kotzev beschreibt das Album selbst als sehr persönliches Werk, entstanden in einer schwierigen Phase seines Lebens, mit Songs, die auf realen Ereignissen basieren. Musikalisch setzt man erneut auf außergewöhnliches Songwriting, starkes Zusammenspiel mit der Europe-Fraktion und ein Sänger-Line-up auf höchstem Niveau – etwas, das laut Kotzev selbst sogar von Joe Lynn Turner ausdrücklich gelobt wurde. Das Line-up auf “Guilty As Sin” setzt sich aus Nikolo Kotzev (Guitars, Keyboards) zusammen, der erneut die kreative Zentrale bildet, Ian Haugland (Drums) am Schlagzeug, Mic Michaeli (Hammond) an der Orgel sowie John Levén (Bass), der für das druckvolle Fundament sorgt. Die Gesangsparts teilen sich Joe Lynn Turner (Singer), Göran Edman (Singer) und Jörn Lande (Singer) – ein weiteres hochkarätiges Sänger-Triple, das dem Album seine charakteristische Vielfalt verleiht, ohne den roten Faden zu verlieren.

“Guilty As Sin” erschien 2003 als Comeback von Nikolo Kotzevs Studioprojekt und verbindet melodischen Hard Rock mit markanten Gesangsleistungen. Kotzevs Handschrift prägt das Album in jeder Hinsicht – von den Gitarren über die Arrangements bis hin zur Produktion. Neben dem Sänger-Triple sind es John Levéns druckvoller Bass, Ian Hauglands präzise Drums sowie die Keyboard- und Hammond-Flächen von Mic Michaeli, die gemeinsam das kraftvolle, zugleich melodische Fundament liefern, das Kotzevs Vision voll zur Geltung bringt. Musikalisch bekommen wir mit “Guilty As Sin” ein Album aus hymnischen AOR-Tracks, riffig-griffigen Hard-Rock-Nummern und cineastischen Momenten. Los geht es mit ‘One Life To Live’ und Joe Lynn Turner am Mikrofon. Der Sänger verleiht dem Song Tiefgang und eine Atmosphäre, die man aus den Film-Montagen der 80er-Blockbuster kennt. Dem Opener folgen ‘Eyes On The Horizon’ mit Jørn Lande, der vielen von gemeinsamen Alben mit AVANTASIA bekannt sein dürfte, sowie die Ballade ‘I’ll Be Free’ mit Göran Edman, der bereits beim Debüt am Start war und die Trademarks von BRAZEN ABBOT aus dem FF kennt. Die Songs ‘Slip Away’, ‘Mr. Earthman’ und ‘Like Jonah’ (der im Bauch eines Wals war) sind allesamt knackig und rockig, ‘Bring The Colors Home’ mit Jørn Lande ebenfalls – allerdings mit mehreren emotionalen und ruhigen Passagen. ‘Fool’s Confession’, ‘Supernatural’ und die Ballade ‘Eve’ treiben das Album weiter voran, und das bei gleichbleibend hoher Qualität. ‘A Whole Lotta Woman’ und der Titeltrack ‘Guilty As Sin’ schließen die Reissue ab, letzterer einmal mehr in bester 80s-Rock-Manier – obwohl man dieser Epoche längst entwachsen ist.

“Guilty As Sin” ballert auch heute noch ordentlich. Hymnischer AOR, griffige Riffs, dicke Melodien und drei Sänger, die dem Album Charakter und Abwechslung geben. Turner, Lande und Edman bringen jeweils ihre eigene Note ein, während Kotzev und die Europe-Jungs das Ganze souverän nach vorne drücken. Nicht so glatt wie “Eye Of The Storm”, nicht ganz so ikonisch wie “Live And Learn”, aber locker auf Augenhöhe mit “Bad Religion”. Diese Reissue-Reihe sollte sich die heutige Rock-Generation nicht entgehen lassen. Wer wissen will, wie Hard Rock mit Leidenschaft und Seele funktioniert, ist hier goldrichtig. Die Reissues haben Feuer – und zwar richtig. Ende Gelände.

Tobi Stahl vergibt keine Bewertung

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