SEASONS IN BLACK – DEADTIME STORIES

SEASONS IN BLACK

Titel: DEADTIME STORIES

Label: Apostasy Records

Spieldauer: 38:24 Minuten

VÖ: 21. November 2025

Apocalyptic Army aufgepasst! Wir setzen uns jetzt in eine Zeitmaschine – egal ob in einen De’lorean oder einen Zug im Western-Ambiente – und reisen 20 Jahre in die Vergangenheit. Auf dem Display muss der 25. November 2005 eingestellt sein, als Ziel euer favorisierter Musik-Dealer, der auch den “harten Stoff” auf Lager hat. Erledigt? Seid ihr gedanklich in dieser Szene? Gut, dann mal los. 3…2…1… und zack bin ich bei meinem Plattendealer und frage nach der neuen LP “Deadtime Stories” von SEASONS IN BLACK. Mein Gegenüber schaut mich fragend an und erwidert: “SEASONS IN was?” – das große Fragezeichen über seinem Kopf deutlich sichtbar. Ich zeige ihm das Cover des Albums aus einem Printmagazin, nicht vom Smartphone – man weiß ja nie, welche Auswirkungen das auf die Zukunft hat. Er macht “Aha” und sagt: “Die habe ich heute früh bekommen, ist im Lager, die Band muss relativ neu sein.” Bevor er ins Lager verschwindet, erzähle ich ihm von SEASONS IN BLACK, die in meiner und eurer Gegenwart vor kurzem “Anthropocene”, ihr drittes Studioalbum, veröffentlichten.

Die Band stammt aus Neukirchen beim Heiligen Blut in Bayern, Deutschland, und wurde 1996 gegründet. Musikalisch bewegen sich SiB im Bereich des Death/Black Metal, wobei ihre Texte von Apokalypse, Armageddon, Weltuntergang und gesellschaftskritischen Themen handeln. Vor dem Debüt “Deadtime Stories” brachten sie 1998 die EP “Years of Frost” heraus – so steht es zumindest in einer Webdatenbank. Das Line-up für “Deadtime Stories” setzt sich wie folgt zusammen: Luck Maurer (Gesang, Bass), Sebastian Göllner (Gitarre), Markus Neumeier (Keyboards), Daniel Begerl (Schlagzeug) und Christian Schiegerl (Gitarre). Zusätzlich wirkte Stephanie Luzie mit Gesang im Song ‘Bloody Tears’ mit. Die Aufnahmen und der Mix wurden im Aexxys Art Studio von Stephan “Fimmi” Kronzucker und Matthias Wimmer übernommen, während das Mastering von Markus Stock im Klangschmiede Studio E durchgeführt wurde. Gewidmet ist “Deadtime Stories” Chuck Schuldiner.

Mit einem “Danke für die Info” geht er ins Lager und kommt mit einer CD zurück. Dieses Mal schaue ich ihn ein bisschen verwirrt an, denn ich wollte bekanntlich die LP-Version haben. “Nun, davon gibt es keine LP”, sagt er. Also geht es “Zurück in die Zukunft” – eingestellt ist der 21. November 2025 – und das aus gutem Grund: “Deadtime Stories” erscheint an diesem Tag zum ersten Mal auf Vinyl, und das als Re-Release über Apostasy Records in drei streng limitierten Vinyl-Varianten: Orange Vinyl (200 Stück), Yellow/Red Marbled Vinyl (200 Stück) und Splatter Vinyl (100 Stück). Zusätzlich ist das Album auch digital erhältlich. Die LP kommt im Gatefold mit zweiseitig bedrucktem Lyricsheet und einer schwarzen Papierinnenhülle. Die Fotos stammen von Luck und Stefanie Maurer, das Layout und Design wurden von Tom “Roidi” Roider umgesetzt. Im Gatefold finden sich außerdem Liner Notes von SiB-Founder Dominik Weinfurtner. Die gesamte Aufmachung – vom Design bis zum Sound – fügt sich nahtlos in den Hinweis “Parental Advisory – APOCALYPTIC – Content” ein. Und jetzt hören wir rein in “Deadtime Stories” – direkt vom frisch gepressten Yellow/Red Marbled Vinyl, ein fettes DANKE an Apostasy Records an dieser Stelle. Also: Nadel auf die Rille und ab dafür!

Im ‘4our (Intro)’ werden bei einer Radiosender-Suche diverse klassische Songs angespielt, und der Ausspruch “Der Letzte macht das Licht aus” ist zu hören. Bevor ‘End After, There’s Not Nothing’ loslegt, dringt ein Snippet aus Carl Orffs ‘O Fortuna’ in die Ohren – der komplette Kontrast zum “richtigen” Opener, einem wilden Mix aus Industrial, Death und Thrash Metal. ‘Hiroshima Sun’ dreht sich um die Katastrophe von damals und kommt mit einer düsteren Wucht aus den Boxen, die nachher in Klavierspiel übergeht, garniert mit wütenden deutschen Lyrics – eine wahrhaft bedrückende Atmosphäre. ‘Borderline My Sunshine’ könnte gut und gerne auch auf dem aktuellen SiB-Album sein, denn dieses Thema wird auch heute leider noch zu oft tabuisiert. Musikalisch galoppiert der Song nach vorne, Lucks dunkle Growls wirken in den ruhigeren Passagen noch geschwärzter, und die gewhisperten Lyrics gehen tief unter die Haut. ‘Sweet Armageddon’ gehört zu den “Muss-man-unbedingt-gehört-haben”-Tracks, denn auch dieses Lied enthält aktuelle Thematik, verpackt in dunklem Melo Death mit kraftvollen Gitarren und satten Drums – sehr unheilvoll klingend. “I wish you a merry and sweet Armageddon, a happy new war and a nuclear winter…” – seid gespannt auf die Nummer. ‘Look Toward The Sky’ enthält ein paar “Terminator II”-Vibes, und zum Abschluss der ersten Seite wird ein ‘Happy Doomsday To You’ gewünscht – das könnten Leute mit gepflegtem schwarzen Humor glatt als Klingelton nutzen. Ich wette, die Aufmerksamkeit wäre groß.

Nach Dark Metal bzw. Gothic klingt ‘Pain Is Truth’ bisher am meisten. Die Keys verbinden Gitarren, Drums und rohen Gesang ziemlich gut. In ‘Hello Hallowed Hell’ ist das Ganze noch eine Ecke intensiver. Auf der einen Seite gibt es den recht ursprünglichen, rohen Sound, auf der anderen Seite die melodischen Klänge – das Ganze mit markanten Growls garniert klingt stimmig. ‘Bloody Tears’ hebt den Abweichungsfaktor von “Deadtime Stories” erneut ein Stück an, denn neben den Growls aus Lucks Kehle servieren die Bayern klassischen Gesang zum rohen Mix aus Gothic und Death Metal – gekrönt wird das Ganze mit einem Duett am Ende des Songs. Typisch für SEASONS IN BLACK sind die Soundschnipsel, die sie ihren Liedern verpassen und sie so ein bisschen “greifbarer” für den Hörer machen. Denn bevor sich die Dunkelheit und die Kühle von ‘Chroming Rain’ im Raum ausbreiten, sind Regentropfen zu vernehmen – ich finde solche Extras sehr geil, wenn sie, so wie auf “Deadtime Stories”, sparsam eingesetzt werden. Das 106 Sekunden dauernde Schlusslied ist ‘Gotten (Outro)’ – lasst euch einfach überraschen, wenn ihr es noch nicht kennt, und lasst es auf alle Fälle bis zum Ende laufen.

Wer sich die digitale Version des Albums sichert bekommt drei zusätzliche Songs mit ‘Redoomed-Redress’, ‘Hiroshima Sun (Schattenspiel EBM Remix) und ‘Bloody Tears Soul In Sadness (Dark Wave Remix)’ on top. 

Blickt man heute auf “Deadtime Stories” zurück, hat man im Vergleich zu “Anthropocene” ein deutlich raueres, ursprünglicheres Album auf dem Plattenteller. Ein düsteres Werk, mit dem SEASONS IN BLACK die Weichen für ihren heutigen Sound legten – unverkennbar nach den Bayern klingend, die damals wie heute einen Stil schaffen, den nicht viele Bands so hinbekommen: apokalyptisch und düster auf der einen Seite, atmosphärisch und fesselnd auf der anderen. “Deadtime Stories” als Vinyl ist sicherlich für alle Fans der Band ein echtes Zuckerl für die Sammlung – zuschlagen, solange es das Debütwerk auf Vinyl gibt. Denn ob es noch einmal eine Zeitreise geben wird, weiß man nicht.

Tobi Stahl vergibt 8 von 10 Punkten