TILL LINDEMANN – „Meine Welt“ Tour 2025
TILL LINDEMANN, AESTHETIC PERFECTION
08. November 2025
Dortmund, Westfallenhalle
Da war es nun, unser erstes Konzert, bei dem ein feministisches Frauenbündnis zur Gegendemo aufgerufen hatte. Und so kam es auf dem Gelände der Westfalenhalle zu der leicht skurrilen Situation, dass rund 300 Gegnerinnen einem praktisch ausverkauften Haus entgegenstanden und lautstark „Keine Show für Täter“ und ähnliche Parolen von sich gaben. Dazu gab es noch „FCK TILL“ Aufkleber, die sie wohl extra für diesen Anlass gedruckt hatten. Naja, dieses ist ein freies Land, wobei die Urteile ja eindeutig für den Rammsteinsänger sprechen.
In der Halle waren natürlich weitaus mehr Menschen, darunter verdammt viele Frauen, die offenbar gänzlich anderer Meinung waren und sich auf die TILL LINDEMANN Show freuten. Also Schluss damit.
AESTHETIC PERFECTION
Nach einem überraschenden Volksmusik- und Jodel-Intro steigt die US-amerikanische Electronic/Industrial/Aggrotech Band mit
`Bad Vibes´ und `S E X´ in ihren Auftritt ein. Dabei stellt sich schnell die erst für die Tour eingestiegene Künstlerin Noizith, die mit kleinen weißen Cheerleader Pompons wedelt und mit großem Aktionsradius zwischen Gitarre, Keyboard und Keytar wechselt, als Aktivposten heraus. Energiegeladene Songs wie `Into The Void´ und das dynamische `Gods & Gold´ sorgen angeführt von Rampensau, Produzent und Mastermind Daniel Graves für eine kurzweilige Dreiviertelstunde. Wie schon beim diesjährigen Castle Rock ergibt sich das Bild einer harten, kraftvollen Electro Show der nun zum Quartett angewachsenen Truppe. Mit ihrem energetischem Mix aus Alternativ, Industrial Pop und Gothic passt der Vierer ebenfalls perfekt zum Headliner. Auch Graves ist extrem agil und fühlt sich auf großer Bühne sichtlich wohl, schwenkt seine Arme und animiert pausenlos das Publikum, so dass sich der Spaß von der Bühne auf die zahlreichen Anwesenden überträgt. Und während `Summer Goth´ noch eher entspannt und nach kalifornischer Wüste klingt, bringen dynamische Genre Hits wie `Gods & Gold´ und auch die brandneue Single `We Bring The Beat´ die Halle bereits früh zum Köcheln.
TILL LINDEMANN
Um Punkt Viertel nach Neun nimmt TILL LINDEMANN dann das Arbeitsgerät vom Helm seines menschlichen Mikroständers, Bühnenroadies und unermüdlichen Kabelentwirrers in Empfang und steigt wie gewohnt mit `Fat´ in sein Set ein, begleitet von seiner Band und zwei strippenden Nonnen mit erheblicher Körperfülle, die sich später als die beiden Tänzerinnen der Akrobatik, Revue und Burlesque Show The Sinderellas entpuppen, welche die gesamte Tour erotisch begleiten und immer wieder gut gesichert auf Podesten in etwa fünf Meter Höhe über der Bühne schweben.
Es folgen alte und neue Songs wie `Altes Fleisch´, ´Schweiss´ und `Und die Engel singen´. Till wirkt voller Energie, die Show packend, die Band trotz neuer Bassistin und einiger Positionswechsel eingespielt und präzise. Der Protagonist selbst hat offensichtlich Spaß und präsentiert sich sehr gut bei Stimme. Ein erster stimmungsvoller Höhepunkt ist der Lindemann Song `Golden Shower´, bei dem die Tänzerinnen eintrommeln und nicht zum letzten Mal explizite Nacktheit mit pornografischen Tendenzen in Nahaufnahme über die riesige Leinwand flimmert. Lindemann provoziert, polarisiert und hält der Gesellschaft mit Tracks wie seiner Leistungssportkritik `Sport Frei´ oder dem 2025er Song `Prostitution´ den Spiegel vor.
Neben dem crazy Drummer, der bei `Allesfresser´ Sahnetorten ins Publikum werfen darf und auch noch anderen Schweinereien anstellt, entpuppt sich die amerikanische Keyboarderin Brynn Route als weiterer Blickfang auf einer Stage, auf der es wahrlich nicht wenig zu sehen gibt, üppige Lightshow und Nebelschwaden haben wir da noch gar nicht erwähnt. Sie glänzt nicht nur musikalisch, sondern auch mit vielen halsbrecherischen Pole-Dance Einlagen und bedient als Tänzerin, Gymnastin und Kontorsionistin auch noch im Spagat fehlerfrei ihr Sound-Tablet. Die Setliste liefert weiterhin eine Mischung aus Klassikern wie `Praise Abort´ und neueren Stücken wie `Du hast kein Herz´. Auch wenn ich mir hier gerne noch `Meine Welt´ und den „Zunge“ Titeltrack herbeigewünscht hätte.
Nicht nur beim Song `Blut´ folgen mehr oder weniger drastische Einspieler mit einer Menge Blut, Ungeziefer, nackten Körperteilen sowie interessanten Einblicken in die menschliche Anatomie, teilweise auch von innen. Als weitere Glanzlichter stellen sich `Tanzlehrerin´ mit anschließendem kurzen und im Publikum vielfach zum spontanen Paartanz genutzten jazzigen Intermezzo und das eindringliche `Übers Meer´, das live besonders episch rüberkommt und aus tausenden Kehlen im sehr gut gefüllten weiten Rund der Westfalenhalle begeistert mitgesungen wird. Bei `Platz Eins´ wird Lindemann schließlich im Riesenballon stehend und singend über die Köpfe leider nur der linken Seite des Innenraums bewegt. Das unerlässliche `Ich Hasse Kinder´ beendet schließlich knappe neunzig intensive Minuten als Teil des Zugabenblocks.

Setliste Till Lindemann:
Fat
Und die Engel singen
Schweiss
Altes Fleisch
Golden Shower
Sport frei
Tanzlehrerin
Blut
Allesfresser
Prostitution
Praise Abort
Platz Eins
Du hast kein Herz
Skills in Pills
Übers Meer
Knebel
Fish On
Ich hasse Kinder
Text: Michael Gaspar, Sven Bernhardt
Photo Credits: Sven Bernhardt











































