MARTIN GRIFFITHS – THE BEGGAR

MARTIN GRIFFITHS

Titel: THE BEGGAR

Label: Independent

Spieldauer: 75:46 Minuten

VÖ: 11. November 2025

Das erste Mal, dass ich mit Martins Musik in Berührung kam, war sein Beitrag zu Alias Eye. Nicht nur sang er auf deren Debüt „Field Of Names“ im Duett mit seinem Sohn Philip Griffiths. Zur Release-Party deren zweiter Scheibe in einem kleinen Mannheimer Jugendzentrum stand er mit auf der Bühne. An jenem Abend habe ich erstmals ´Time Machine´ gehört, den wohl bekanntesten Song von Beggar’s Opera. Jetzt fällt der Groschen wohl, denn Martin Griffiths war einst der erste Sänger der schottischen Band. Dort hat er die ersten drei Alben eingesungen, ehe sich die Wege trennten. Natürlich haben Alias Eye diesen Song später auch auf Album gebracht.

Auch Martin bin ich noch einige Male begegnet. Musikalisch, zusammen mit Alias Eye und als Sänger bei Poor Genetic Material, wo er ebenfalls regelmäßig auftaucht. Eine andere spannende Begegnung war, als er, mitten im Coronawahnsinn, eine Geburtstagsgesellschaft durch den Schwetzinger Schloßpark führte. Nicht als Privatier. Nein, vielmehr ging er hier völlig ein seiner Rolle auf als Dr. Charles Burney, einem englischen Musikhistoriker und Reisenden, der eben auch in Mannheim und Schwetzingen Station gemacht hat.

Als ich dann zuletzt erfahren durfte, er macht ein Soloalbum, war ich schon voller Vorfreude. Und dann noch zusammen mit den Musikern von Alias Eye, deren letztes Album leider auch schon 13 Jahre zurückliegt. Und, verdammt, das war eine gute Wahl, denn genau diese Band schafft es, seinen Liedern genau in die richtige Form zu gießen.

Das passend „The Beggar“ betitelte Album enthält von Martin geschriebene Songs, die scheinbar noch nie auf irgendeinem Tonträger zu finden waren. Eine Ausnahme, denn der Einstieg ist eine Ehrung des größten Bandhits. Und dann sitzt der Hörer in der Zeitmaschine. In dieser begegnet man Songs, als Martin noch jung war. Wunderschöne Songs zwischen Rock und Ballade. Manches mit einem Hauch Karibik versehen, anderes klingt, als wäre es direkt für Alias Eye geschrieben gewesen.

Wer jetzt in irgendeiner Form lupenreinen Prog erwartet, oder irgendwelche hardrockigen Ausbrüche, der liegt falsch. Dafür bekommt man hier warme, sehr persönliche Musik geschenkt. Das ist Musik, die es wirklich wert ist, der Vergessenheit entrissen worden zu sein. Der Hörer macht eine Reise durch Zeit und Raum. Hier treffen sich gestern und heute, die 70er und die Moderne. Man möchte die Zeit anhalten, um ganz tief in die Klänge einzutauchen. Die Gefühle nachfühlen, von denen Martin hier singt, die man selbst auch kennt, selbst schon erlebt hat.

„The seasons come and the seasons go I‘ve gotta make the time stand still How long we’ve got – well, nobody knows How long I’ve got – well, God only knows Please help me, please listen to my plea It‘s got to last forever – can‘t you see?“

Einen Blick möchte ich noch kurz auf die Bonus Tracks wenden. Vier kleine Juwelen, aufgenommen 1975, ganz reduziert auf Akustikgitarre und Gesang. Und so klein und unscheinbar sie scheinen mögen, sind sie doch verdammt intensiv. Im direkten Vergleich kann man hören, dass zumindest für Martins Stimme die Zeit kaum vorangeschritten ist, denn er klingt heute noch genauso jung und frisch wie vor 50 Jahren.

Wenn ich noch einen Wunsch äußern dürfte, dann wäre das eine Livedarbietung von „The Beggar“. Und dann auch gerne mit einer kompletten ´Time Machine´.

Mario Wolski vergibt 9,5 von 10 Punkten