FLAMING ROW – HÜTERIN DER SCHRIFTEN

FLAMING ROW

Titel: HÜTERIN DER SCHRIFTEN

Label: Independent

Spieldauer: 238:54 Minuten

VÖ: 25. Oktober 2025

FLAMING ROW sind Melanie Mau und Martin Schnella. Die beiden sind ein Traumpaar des deutschen Rock Underground. Oder das kleinste Orchester der Welt. Sie gehören zusammen wie Stan & Laurel oder Monika Hauff und Klaus-Dieter Henkler (Jetzt habt Ihr was zum googlen, Ohrwürmer nicht ausgeschlossen). Mit verschiedenen Partnern sind sie immer wieder neu im Prog unterwegs. Vieles geschieht akustisch, ihre unter eigenem Namen erschienenen Coveralben überraschen mit Kram von Gentle Giant bis Opeth. Unter dem Namen FLAMING ROW musizieren sie voll elektrifiziert mit großem Besteck. Verstärkt mit Gästen höchster Prominenz verzaubern sie etwa auf „The Pure Shine“ von 2019 mit einer Vertonung eines Romans von Stephen King.

Auch für die „Hüterin Der Schriften“ gibt es eine literarische Vorlage. Die gleichnamige Erzählung von Christian Dolle war und ist Inspiration, Quelle und wurde gleichzeitig von der Musik des Duos beeinflusst, Denn, das ist spannend, Buch und Musik entstanden wohl gleichzeitig. Auf der Seite eseltreiber.de findet man eine schöne Zusammenfassung der Geschichte. „Im Land Gandhara wird die Hauptstadt Mithila von dem „Geflecht“ bedroht, eine Art Wurzelgeflecht, das aus der Erde sprießt und sich zu gruseligen Tieren formen kann, die sich losreißen und durch das Land marodieren und dabei alles vernichten, wessen sie habhaft werden können. Die beiden Protagonistinnen, die Wächterin Meera und die Hüterin der Schriften Nita werden beauftragt, die Menschen und das Kulturgut Mithilas zu schützen. Nita zieht also los die Schriften vor dem „Geflecht“ in Sicherheit zu bringen.“

Von den zwölf Sängern, die man hören kann, nenne ich nur mal die beiden bekanntesten. Zum einen ist Glynn Morgan vertreten, Thresholds „Psychodelicatessen“ gehört zu meinen liebsten Alben dieser Band. Und Jimmy Keegan (Pattern Seeking Animals) singt nicht nur, er hat auch diverse Drums eingespielt. Diverse prominente Saitenhexer haben Soli beigesteuert, Marcus Siepen (muss ich Blind Guardian erwähnen?), Eric Gilette (für das Beste im Mann?), Gary Wehrkamp („Carved In Stone“ ist immer noch eine Göttergabe) oder Arjen Lucassen.

Marek Arnold hat sich auch mal wieder blicken lassen. Aber Melanie und Martin sind auch immer wieder bei seinen Seven Steps To The Green Door zu Gast. Hier findet sich die Creme de la Creme des heimischen Prog. Auch sonst wird eher geklotzt denn gekleckert. Kaum ein Instrument, das man nicht zu hören bekommt. Neben das metallische Instrumentarium treten Geige, Saxophon, Flöte, Harfe. Und wenn, dann auch richtig prominent.

Welchen Song soll ich nennen? Was soll ich beschreiben? Das Niveau ist so hoch, ich bin kaum in der Lage, Höhepunkte zu nennen. Manches klingt mehr oder weniger entfernt nach Dream Theater. Doch trotz der teils langen Spielzeiten weit kompakter und fesselnder als vieles nach „Systematic Chaos“. FLAMING ROW beherrschen die Kunst, lange, erzählende Songs zu schreiben, die fesseln, überraschen und ins Ohr gehen.

Wunderbare Satzgesänge, kanonartige Chorpassagen stehen neben harschen Gitarren. Laut steht neben leise. Und immer gibt es kleine Überraschungen. Da gibt es Ausflüge in keltische Klangwelten. Orchestrale Momente stehen neben kammermusikalischen Kleinodien. Selbst die instrumentalen Fassungen schaffen es zu fesseln. Das ist wie Kino für die Ohren.

Durch die verschiedenen Sänger klingen auch die beiden gesungenen Versionen unterschiedlich. Gerade Glynn Morgan ist ein echter Gewinn für diese Scheibe.

In einem friedvollen Land Gandhara heißt der Ort Ist das höchste Gut Das geschriebene Wort All die Sagen und Lehren Die. die Menschen verehren Auf Pergament geschrieben Für die Ewigkeit Mehr als nur ein Wort trägt es dich fort In ferne Welten, Vergangenheit

Und dann sehe und höre ich die Nachrichten, wie Putins Schergen versuchen, die Kultur und Kunst der Ukraine zu zerstören. Wenn das zerstört ist, das Land keine Geschichte mehr hat, dann hat es keine Zukunft. Und so wie in der Geschichte versucht wird, die alten Legenden zu bewahren, hat man zum Beispiel Kunstwerke aus der Ukraine in Sicherheit gebracht. Nur ein Beispiel, gerade aktuell ist in Heidelberg eine Ausstellung zu sehen mit Gemälden aus dem Kunstmuseum Odesa. Die wurden von dort nach Deutschland gebracht, wo sie sicher sind. Und ein guter Ort sie auszustellen ist sicher Odesas Partnerstadt Heidelberg.

Ich wünsche mir sehr zu meiner Liebsten zurückzukehren Und für alle Zeit in Glück und Frieden zu leben Bis an das Ende unserer Tage

Musik für Kopf und Herz. Die Worte für den Kopf, die Töne für das Herz. Zeit und Raum verschmelzen, immer tiefer versinkt man in der Geschichte. Es mag Zufall sein, aber es gibt diese Augenblicke, wenn man die Parallelen erkennt zur Gegenwart, zum hier und heute. Wenn andernorts Bücher aus Bibliotheken verbannt werden. Und verbrannt. Und wer Bücher verbrennt, verbrennt auch Menschen.

Ein paar Fakten, die Luxusversion enthält vier vollgepackte CDs. Jeweils eine enthält das Album mit deutschen und englischen Texten, die dritte ist für die instrumentalen Versionen der Stücke. Auf CD Nummer vier findet man das Hörbuch der Erzählung

Zwei Dinge möchte ich etwas kritisch anmerken. Die Spielzeit einer CD ist schon heftig weit über meiner Aufmerksamkeitsspanne. Meist klingelt nach 30 Minuten ein Telefon und fertig ist der Kunstgenuss. Und das Layout des Booklet, das ist so winzig, da reicht nicht einmal eine Lupe. Das ist ein Zeichen dafür, wie viel Material und Arbeit in diesen 4 CDs steckt.

Mario Wolski vergibt 10 von 10 Punkten