PRINZIP – LIVE KAMENZ ’78

PRINZIP

Titel: LIVE KAMENZ '78

Label: Rokkfilm

Spieldauer: 41:20 Minuten

VÖ: 28. Juni 2025

Das kleine Label Rokkfilm macht sich einen Namen mit der Hebung von verlorenen Perlen der Rockmusik der DDR. Ich durfte an anderer Stelle schon das Projekt Telefonie vorstellen, an dem auch ein hier beteiligter Musiker großen Teil hatte. Zuvor gab es schon Releases zu Transit, Wir oder Chicoree.

Jetzt geht es mit neuen Scheiben weiter. Als erstes gibt es ein Livealbum, das allerdings schon ein paar Tage erhältlich ist. Eine limitierte Erstauflage ist auch schon vergriffen.

Im Prinzip sollten PRINZIP bekannt sein. Als „Live Kamenz ‘78“ aufgenommen wurde, habe ich mit Rockmusik noch nichts am Hut gehabt. Obwohl nur gut 30 Kilometer entfernt, für einen 8jährigen wäre das auch eher ein zu weiter Weg gewesen. Ich habe sie eigentlich erst zehn Jahre später wahrgenommen, mit ihrem letzten Album „Phönix“. Neben Formel 1 waren PRINZIP eine der wenigen Ost Metal Bands mit einem Album. Darum haben wir sie schon gefeiert, auch wenn das damals aktuelle Scheibchen doch recht glattpoliert rüberkam.

Doch zurück in die 70er. Bei dem mitgeschnittenen Konzert in Kamenz bewiesen PRINZIP, wie vielseitig sie waren. Rund um die hart rockenden ´Sieben Meter Seidenband´ findet sich alles von Glam Rock bis Heavy Metal. Dieser Song war so ziemlich der erste Hit der Band. Den Text hätte ich mit acht Jahren schon nicht verstanden. Selbst heute noch verstehe ich nicht, was die Künstler eigentlich damit sagen wollten. Dafür feiere ich den musikalischen Gehalt. Da ist schon das Leitrif. Das verbeitet, so finde ich, einen leichten Hauch Golden Earring. Doch live waren diese sieben Meter noch mehr. Da wurde mal eben ein Gitarrensolo eingegniedelt. Ein Kinderlied zitiert. Ein Bluesriff durch die Halle gejagt. Und auch sonst überrascht.

Wenig überraschend dafür ist die Qualität des (labeltypisch) Vinyl only. Ein dickes Booklet mit verdammt vielen Infos steckt genauso in der Gatefold Hülle wie ein Poster mit einem alten schicken Bandfoto. Für die ersten 100 Käufer gab es gar ein Zertifikat, inklusive der Signaturen der heute noch lebenden beteiligten Musiker.

Bis heute gab es nie ein Livealbum von PRINZIP. Aber es lag nahe, das in den Archiven etwas zu finden sein dürfte, spätestens seit dieser geilen Ostmetal-Livebox. Und Gitarrist Jürgen Matkowitz ist fündig geworden. Ende 1978 spielten sie im Kultursaal der Offiziershochschule der Luftstreitkräfte der DDR vor Militärangehörigen und Fans aus der Umgebung. Ich erinnere mich, das solche Veranstaltungen bewußt so organisiert wurden. So sollte die „Verbundenheit“ zwischen „der Fahne“ und dem Volk gezeigt und gestärkt werden. Und die ostdeutschen Heavy Metal Pioniere haben eingeheizt.

Zum Einstieg in den Opener ´Weit Ist Die Straße´ gibt es ein paar floydige Töne. Die werden aber schnell durch einen Quo-mäßigen Beat übertönt. Dazu die tolle Hammond Orgel. Das rockt doch schon mal ordentlich. Die erste Single ´Müh Dich Fort´ klang schon eher schleppend. Aber der Weg war weit, irgendwann wird der Gang schwerer. Dafür wird für ´Die Eile´ dann kräftig aufs Gas getreten. Hier kommt durch, dass der britische Hard Rock ein wichtiger Einfluss der Band war. Danach kommt das noch nie gehörte (damals live und heute auf Tonträger) Instrumental ´Imprinzip´ (sic). War die zitierte Behauptung, Papa wäre ein Rolling Stone, Absicht oder Zufall?

Ganz früher galten die Puhdys mal als die Deep Purple der DDR. 1978 haben PRINZIP diese Rolle sicher übernommen. Auch, wenn sie vielleicht noch nicht wirklich Metal waren zu der Zeit, haben sie vielen nachfolgenden Bands von Biest bis Moshquito den Weg geebnet. Viele dieser Bands wurden ja auch für den Rundfunk von Jürgen Matkowitz im Studio produziert. Das hat manchmal für einen gewissen Gleichklang bei diesen Bands gesorgt. Dafür klingt dieses Dokument hier wirklich toll. Da hat Jörg-Rainer Friede wirklich gute Arbeit geleistet.

Einen Ruhepunkt findet der Hörer mit der kraftvollen Ballade ´Flieg Flieg Engel´. ´Supernummer´ ist ein kleiner, fast ironischer Beitrag über die Schwierigkeiten, einen guten Song zu kreieren. Im Andenken an den 2022 verstorbenen Schlagzeuger Klaus Scharfschwerdt, der kurz nach der Aufnahme zu den Puhdys wechselte, gibt es das Schlagzeugsolo ´…Im Andenken an K.S. …´, das kurz und kurzweilig genug ist, nicht weiterzuspringen. Nach den schon erwähnten ´Sieben Meter Seidenband´ findet man am Ende noch den größten Bandhit ´Feuerrock´, dem Titelsong des damals aktuellen Debütalbums. Und schon sind die 40 kurzweiligen Minuten vorbei.

Wer Lust hat, einen Blick in die Geschichte des Ostrock zu werfen, hier ist eine wirklich gute Möglichkeit. Und, wie gesagt, das Booklet ist so gut und informativ, dass man nach der Lektüre sicher Lust hat, den Blick noch gen andere Bands zu richten, etwa auf eine Truppe bei der Jürgen Matkowitz früher gespielt hat. Hat er doch etwa einige Zeit bei der Klaus Renft Combo verbracht. Aber, wie gesagt, hört und lest selbst. Es lohnt sich.

Mario Wolski vergibt 9 von 10 Punkten