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ELEINE – Ein Gespräch über Musik, Botschaften und die Kraft der Einheit

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Mit ihrer aktuellen EP “We Stand United” zeigen ELEINE, wie kraftvoll Symphonic Metal klingen kann, wenn epische Melodien und harte Growls aufeinandertreffen. Dies ist das Interview mit ELEINE, genauer gesagt mit Sängerin Madeleine Liljestam und Sänger/Gitarrist Rikard Ekberg, das ich im Capitol Mannheim vor ihrem Konzert als Special Guest von Primal Fear geführt habe.

Für mich war es ein ganz besonderes Erlebnis, denn es war mein erstes Face-to-Face-Interview überhaupt – und ja, ich war ziemlich nervös. Doch schon bei der Ankunft merkte ich schnell, dass diese Aufregung eigentlich unbegründet war. Der Tourmanager Heikki sowie Madeleine und Rikard machten es mir unglaublich leicht. Sie waren nicht nur tolle Gesprächspartner, sondern sorgten auch für eine entspannte und herzliche Atmosphäre.

Bevor das eigentliche Interview also beginnt und ihr lest, worüber wir gesprochen haben:
Ein großes Dankeschön an alle Beteiligten!

Jetzt geht es los!

Tobias:
Madeleine, vor kurzem hast du im Ensiferum-Song ‘Scars In My Heart’ für echte Gänsehautmomente gesorgt. Was hat dich am meisten an diesem Song gereizt? Und was nimmst du aus dieser Zusammenarbeit mit Ensiferum für deine Arbeit mit Eleine mit?

Madeleine:
Ich erinnere mich, wir waren damals mit Pain und Ensiferum auf Tour. Eines Tages kamen die Ensiferum-Jungs zu mir und sagten: “Hey Madeleine, wir wollen mit dir reden.” Ich dachte sofort, es wäre etwas Ernstes *lacht*, und war richtig erschrocken. Aber dann meinten sie: “Wir haben ein Demo, das wir dir gerne vorspielen würden. Hättest du Lust, das einzusingen?”

Als ich es gehört habe, war ich sofort begeistert. Es klang sehr theatralisch und cineastisch, fast wie eine Szene in einem Film, in die ich mich direkt hineinfühlen konnte. Das Demo hat mich sofort gepackt, und die Tonlage passte perfekt zu meiner Stimme. Also habe ich zugesagt – und im Studio wurde das Gefühl dann noch stärker.

Mich hat besonders die Mischung aus Schönheit und Traurigkeit berührt. Aber für mich bleibt es trotzdem eine eigenständige Kollaboration. In meinem Kopf trenne ich das klar: Das war Ensiferums Song, während meine Hauptarbeit mit Rikard und Eleine weitergeht.

Tobias:
Genau das war auch meine Verbindung zu eurer Musik. Ensiferum waren ja sofort von deiner Stimme gefesselt – und mir ging es genauso. Als ich dich 2020 zum ersten Mal gehört habe, dachte ich sofort: “Wow! Großartig!” Und in der Ballade ‘Scars In My Heart’ dachte ich dann: “Wow – noch großartiger.” Seitdem bin ich selbst Fan von ELEINE geworden.

Und jetzt, auf ‘We Stand United’ von der neuen EP, ist es fast das Gegenteil: ein purer Energiesong. Diese Frage geht an dich, Rikard: Im Titeltrack ‘We Stand United’ prallen deine brutalen Growls auf Madeleines epischen Klargesang. Zuerst klingt das wie ein Kontrast, aber dann wird es zu einer perfekten Symbiose. Entstehen solche Parts bewusst als Gegensatz – oder passiert das eher organisch beim Songwriting?

Rikard:
Das passiert ganz organisch beim Schreiben. Ich sage inzwischen immer: “Was will der Song?” Wenn wir anfangen, ihn aufzubauen, entwickelt es sich von selbst. Und wenn ein Song keine Growls braucht, dann hat er sie eben nicht – so einfach ist das.

Madeleine:
Ja, wir versuchen bei jedem Song zu fühlen, wohin er uns führt.

Rikard:
Genau.

Madeleine:
Wenn ich zurückblicke, war es für uns beide immer ziemlich offensichtlich, wo Growls hingehören und wo nur Klargesang passt. Es fühlt sich einfach natürlich an, als würde der Song selbst die Richtung vorgeben.

Es ist wirklich spannend, wie das funktioniert.

Tobias:
Ich finde, das ist für die Hörer auch viel besser, wenn Songs so organisch wachsen. Sonst klingen sie irgendwie klinisch …

Rikard:
… oder wie nach einer Schablone.

Madeleine:
Genau. Deshalb haben wir auch Songs ganz ohne Growls – einfach, weil es sich nicht so anfühlte, als ob sie dahin gehören würden. Diese Abwechslung ist für uns selbst auch sehr befriedigend.

Tobias:
Eure neue EP erscheint zwischen zwei Albumzyklen – sozusagen als Geschenk für uns Fans. Wie wichtig sind eure Hörer für die Entscheidung, in welche Richtung ihr euch musikalisch entwickelt und ob ihr zwischendurch etwas veröffentlicht?

Rikard:
Spannende Frage. Ich würde nicht sagen, dass die Hörer unsere Musik direkt beeinflussen. Vielmehr ist es so, dass unsere Musik die passenden Hörer anzieht. Wir schreiben immer das, was sich für uns richtig anfühlt. Wer sich damit verbinden kann, tut das ganz organisch – und diese Verbindung bleibt dann auch über die Zeit bestehen.

Madeleine:
Genau. Wir schauen nicht, welche unserer Songs auf Spotify am beliebtesten sind, und sagen dann: “Oh, das ist es, was die Leute wollen – also machen wir mehr davon.” So arbeiten wir nicht. Wir bleiben unserer Kunst treu, und wir gehen in unserer Musik immer durch die Dinge, die wir selbst im Leben erleben.

Darum möchte ich eigentlich auch nicht, dass Leute unsere Alben zu sehr miteinander vergleichen. Natürlich passiert das, es ist unvermeidlich. Aber für uns ist jedes Album ein Kapitel unseres Lebens. “Dancing In Hell” war eine bestimmte Phase, “We Shall Remain” eine andere. Zwischen den Albumzyklen passiert so viel – und auch nach “We Shall Remain” beginnt für uns wieder ein völlig neues Kapitel.

Wir schreiben einfach das, was aus uns herauskommt, und denken dabei nie: “Wie werden wir berühmter? Was ist gerade im Trend?” Ganz ehrlich, das ist uns ziemlich egal. In unserer – hoffentlich nicht überheblichen – Meinung geht es nur darum, uns selbst treu zu bleiben. Wir hoffen, dass unsere Fans das spüren.

Tobias:
Das tun sie. Ich auf jeden Fall.

Madeleine:
Danke dir. *lächelt*

Tobias:
Das Artwork der EP ist eine Zusammenarbeit von dir, Madeleine, und Nestor Avalos. Wie sehr beeinflusst die visuelle Seite ELEINEs Musik – und wie viel deiner persönlichen Handschrift steckt darin? Ich musste die Platte auch haben und habe mir gerade die Vinyl gekauft.

Madeleine:
*freut sich* Das ist ja noch schöner, dass du sie auf Vinyl hast!

(Ich halte die EP “We Stand United” in der Hand, mit dem eindrucksvollen Cover, das Madeleine zusammen mit Nestor gestaltet hat. Wir reden darüber.)

Tobias:
Das Motiv zeigt eine Flagge. Flaggen werden ja oft von Metal-Bands wie beispielsweise Powerwolf oder Kreator verwendet, um Zeichen zu setzen und Identität zu fördern. War das die Inspiration?

Madeleine:
Die Inspiration? Ehrlich gesagt, kann ich nie genau sagen, wo sie herkommt. Aber am ehesten würde ich sagen: die Songs selbst sind die Inspiration. Ich fange nie an, ein Artwork zu gestalten, bevor wir die Songs fertig haben – sei es für ein Album oder wie jetzt für die EP.

Wir sind sehr glücklich, seit vielen Jahren mit Nestor zusammenzuarbeiten. Unsere Zusammenarbeit ist mit der Zeit immer intensiver geworden. Inzwischen kennen wir uns so gut, dass ich ihm voll vertrauen kann.

Die visuelle Seite ist für mich extrem wichtig. Wenn wir Musik schreiben, sehe ich persönlich immer Bilder vor mir. Manche machen das anders, aber für mich ist das selbstverständlich. Deshalb fällt es mir auch leichter, eine Vision für das Artwork zu entwickeln. Meistens bastle ich zuerst ein grobes Mock-up, entweder eine schnelle Zeichnung oder etwas zusammengeschustert in Photoshop, und sage dann zu Nestor: „Das ist die Idee – kannst du sie zum Leben erwecken?“ Und er versteht uns jedes Mal.

Bei “We Stand United” war klar: Es sollte um Einheit gehen. Dieses Gefühl sollte man sofort beim Betrachten des Covers spüren. So arbeiten wir immer. Unsere Artworks stecken voller Details, die Geschichten zu den Songs erzählen – auch schon bei “Dancing In Hell”.

Ich liebe es, an Artworks zu arbeiten.

Tobias:
Genau das ist für mich der Grund, warum ich Musik meiner Lieblingsbands auf Vinyl kaufe. Ich kann zuhause sitzen, die Musik hören, das Artwork anschauen, die Texte lesen – und das Ganze wird zu einem runden Erlebnis.

Madeleine:
Ganz genau. Ich denke, wenn wir uns das Artwork einmal schnell anschauen … darf ich es kurz ausleihen? Es ist einfacher, die vielen Details direkt zu zeigen.

Tobias:
Ja, natürlich.

Madeleine:
Ich liebe es, wie Nestor auch mit eigenen Ideen kam. Er sagte gleich: “Ja, eine Flagge. Definitiv eine Flagge.” Mein Mock-up hatte nur ein paar Flaggen im Hintergrund, aber er brachte die entscheidende Idee. Und ich liebe, wie er das Bandsymbol hier (zeigt auf die Rüstungen) auf jede Brust gesetzt hat, um die Einheit zu zeigen. Dazu die vielen Details, die ich großartig finde – etwa die Pfeile in diesem Krieger. Sie zeigen: Du bist getroffen oder verletzt, egal ob im Leben oder auf deinem persönlichen Weg, aber du stehst trotzdem auf, reißt die Flagge hoch und hältst sie in der Hand.

Rikard:
Und wichtig ist auch: nur der Vordere hat die Pfeile abbekommen. Das symbolisiert, dass nicht eine Person alles schaffen kann, aber jeder etwas tun kann. Und manchmal inspiriert dein Beitrag so viele andere.

Madeleine:
Ich denke, das ist unser stärksten Artwork bisher.

Tobias:
‘Never Forget’ und ‘We Are Legion’ stammen von eurem Auftritt beim Masters of Rock. Ich liebe die Energie eurer Live-Songs. Darum freue ich mich heute Abend umso mehr – es ist das erste Mal, dass ich euch live erlebe.

Rikard:
Außer von der EP! *grinst*

Tobias:
Ich finde, die Live-Aufnahmen haben eure rohe Energie perfekt eingefangen. Heute kann ich vergleichen. Ist das für euch der Reiz, Live-Tracks zu veröffentlichen – für die Leute, die schon dabei waren, aber auch für jene, die euch noch nie live gesehen haben?

Rikard:
Beides. Viele Fans haben sich Live-Aufnahmen gewünscht, um die besonderen Momente noch einmal zu erleben. Gleichzeitig ist es wichtig für Leute, die uns noch nie live gehört haben. Denn eine Band kann im Studio großartig sein, aber live schlecht – oder umgekehrt. Darum war uns wichtig, beides zu zeigen.

Tobias:
Ihr habt gesagt, ‘Promise Of Apocalypse’ soll Menschen in schwierigen Lebensphasen erreichen. Wie wichtig ist es euch, dass eure Musik nicht nur unterhält, sondern auch emotionalen Halt gibt? Ich kenne das selbst: Wenn ich traurig bin, höre ich Musik, die mich berührt – und fühle mich danach besser. Hoffentlich habe ich die Frage jetzt nicht schon selbst beantwortet.

*Alle lachen*

Rikard:
Das ist deine persönliche Erfahrung – und genau darum geht es. Es ist uns wichtig, Menschen so zu berühren. Aber das Wichtigste ist, unsere Kunst rauszulassen. Wenn sich jemand darin wiederfindet, ist das wunderbar. Ist es der Hauptgrund, warum wir Musik machen? Nein. Aber es ist ein großartiger Nebeneffekt.

Madeleine:
Wir schreiben über das, was wir erleben oder fühlen. Für uns ist das Musikmachen selbst eine Art Therapie. Wenn wir damit auch andere erreichen, ist das fantastisch.

Rikard:
Und dabei ist es egal, ob jemand gerade kämpft oder einfach nur Freude hat. Unterhaltung kann genauso wertvoll sein wie Trost. Am Ende geht es darum, dass unsere Musik Menschen ein gutes Gefühl gibt – in welcher Form auch immer.

Tobias:
Ihr seid derzeit mit Primal Fear auf Tour. Wie sind eure bisherigen Erfahrungen?

Madeleine:
Wunderbar. Die Jungs von Primal Fear sind absolute Sweethearts – sehr bodenständig, lustig und herzlich. Wir sind jetzt seit einer Woche unterwegs, und es läuft großartig. Auch mit der Crew verstehen wir uns bestens. Und beim Publikum sehen wir, wie gut das passt. Anfangs wusste ich nicht, ob es wirklich funktioniert, aber jetzt merken wir bei jeder Show: Ja, das ist eine perfekte Kombination.

Tobias:
Ihr wart ja auch schon als Headliner in Deutschland unterwegs – leider habe ich es damals verpasst. Plant ihr, wiederzukommen? Und gibt es bald ein neues Album?

Rikard:
Deine Vermutung stimmt – ein neues Album kommt! Ihr könnt nächstes Jahr damit rechnen. Und zu deiner zweiten Frage: Wir wollen so bald wie möglich wieder als Headliner nach Deutschland kommen. Den genauen Zeitpunkt wissen wir noch nicht, aber du hast ja unsere Kontakte.

Madeleine:
Haltet die Augen offen – hoffentlich gegen Ende des Jahres.

Tobias:
Das beantwortet dann auch gleich meine letzte Frage: Was passiert mit Eleine in den nächsten drei Jahren? Ich vermute: neues Album, Festivals, Tourneen. Ich verspreche jedenfalls, wieder darüber zu berichten – und euch für ein weiteres Interview anzufragen. Es war mir wirklich eine große Freude.

Madeleine:
Uns auch! Sehr gerne – jederzeit!

Rikard:
Ja, unbedingt.

Tobias:
Ihr wart mein allererstes Face-to-Face-Interview. Ich war wirklich nervös – aber es war großartig. Vielen Dank, und hoffentlich bis bald.

Nach dem offiziellen Teil haben wir uns noch kurz über dies und das unterhalten. Zum Abschied bekam ich von der Band sogar eine schöne, signierte Setlist für meinen Konzertbericht geschenkt. Es war ein tolles, interessantes und auch lustiges Gespräch – und ein Erlebnis, das mir sicher lange in Erinnerung bleiben wird.

Interview: Tobias Stahl
Live-Photos: Tobias Stahl