
JACK THE JOKER
Titel: THE DEVIL TO PAY IN THE BACKLANDS
Label: Frontiers
Spieldauer: 66:20 Minuten
VÖ: 22. August 2025
Frontiers Records ist so ein Label wie eine Wundertüte. Da erscheint viel Masse, manche Woche bis zu vier Alben. Darunter leidet dann manchmal die Klasse. So findet sich viel Stangenware. Daneben aber auch richtig tolle Sachen. Und, laut vieler Augenzeugen, lassen manche Vinyl-Pressungen auch qualitativ zu wünschen übrig. So bin ich bei Produkten aus diesem Haus oft lieber skeptisch.
Und auch ein Bandname wie JACK THE JOKER lacht mich nicht gleich an. Dabei mag ich verwirrende Namen. Aber unter dem hier kann ich mir erst mal gar nichts vorstellen. Dafür wirkte hier das Prinzip Mundpropaganda. Da gab es irgendwo auf FB sehr lobende Worte, dass ich mich geneigt sah, mir von unserer Promofee Judith, hier mal ein Danke für ihre Arbeit, den Link zusenden zu lassen.
So hebe ich jetzt den Stein mit der Inschrift JACK THE JOKER. Ich will hören, ob sich das wirklich lohnt. Finden sich unter dem Stein Grabesdüfte, Kellerasseln und anderes Gewürm? Oder doch ein Schatz, der sich zu heben lohnt? Ich finde eine kleine Schatzkiste mit kleinen bunten Juwelen aus abgefahrenem melodischem Prog Metal. Wäre ich nicht vorbereitet gewesen, könnte ich sagen, JACK THE JOKER überraschen mit einem wilden Ritt zwischen Riffs, Breaks, Umleitungen und harmonischen Schwenks.
Die brasilianische Band, das sind Raphael Joer (Gesang) Felipe Faco und Lucas Colares (Gitarren), Gustavo Pinheiro (Bass) und Vicente Ferreira (Drums). Und sie liefern ab mit ihrem Debüt. Prog Metal ist ja eigentlich nichts Neues, aber JACK THE JOKER klingen aufregend frisch und spannend. Ihre Musik bringt, aus altbekannten Zutaten echt frischen Wind. Man muss sich das vorstellen, ihre Eltern sind doch ein paar mehr, die da in einem Dark Room aufeinandergetroffen sind. Da ist das Riffing und die Nutzung des Keyboards, die die Gene von Dream Theater in sich tragen. Gesanglich, schon allein durch die Stimme steckt verdammt viel Symphony X drin. Aber wie gesagt, sie waren nicht allein an der Zeugung beteiligt. ´Denied´ spielt, ähnlich, wie man es von Angra kennt, mit Latin-Elementen. Da werden wilde Ritte durch den Jazz verpackt. Selbst vor einem kleinen Tango macht man nicht Halt.
Wer ab und an Musik aus der portugiesischsprachigen Welt hört, weiß um das Wort „Saudade“ im Fado. Das Dicionário Houaiss da Língua Portuguesa definiert saudade (oder saudades) als „ein etwas melancholisches Gefühl der Unvollständigkeit. Es hängt damit zusammen, an Situationen der Entbehrung aufgrund der Abwesenheit von jemandem oder etwas zurückzudenken, sich von einem Ort oder einer Sache zu entfernen oder auf das Fehlen einer Reihe besonderer und wünschenswerter Erfahrungen und Freuden, die man einmal gelebt hat.“ ´Saudade´ ist genau das, ein Spiel mit Weltschmerz und Melancholie, ein Bad in einem Meer von Gefühlen.
Wenn man von dem spannenden und abwechslungsreichen 13-minütigen Abschluss ´Hope´ absieht, schaffen es JACK THE JOKER ihren Sound in relativ kurze und kompakte Songs zu verpacken. Keine unnötigen langen Passagen, jede Note sitzt an ihrem Platz. Das Problem, was viele der aktuellen Prog Metaller haben, nicht auf den Punkt zu kommen, das umschiffen die Brasilianer mehr als geschickt. Für mich ist es tatsächlich so, dass „The Devil To Pay In The Backlands“ mir besser gefällt als die letzten Outputs von Dream Theater, die ich lange verehrt habe, mich aber mit den letzten Alben eher nicht überzeugten, was auch der Wiedereinstieg von Mike Portnoy nicht besserte.
Das hier ist das Prog Metal Album des Jahres für mich.
Mario Wolski vergibt 8,5 von 10 Punkten