BRUCE DICKINSON – MORE BALLS TO PICASSO

BRUCE DICKINSON

Titel: MORE BALLS TO PICASSO

Label: BMG

Spieldauer: 61:39 Minuten

VÖ: 25. Juli 2025

Nach “Tattooed Millionaire” (1990) war Bruce Dickinsons Solokarriere „erstmal nur“ ein kleiner Ausflug neben Iron Maiden. 1994 erschien mit “Balls to Picasso” das zweite Soloalbum und auch das erste nach seinem Ausstieg bei den Eisernen. Der Auftakt für etwas Eigenes, mit dem Bruce seinen Weg abseits der großen Band und Bühne suchte. Insgesamt sollten danach fünf weitere Solo-Studioalben folgen – von den mächtigen Hymnen auf “Accident of Birth” über die düstere Wucht von “The Chemical Wedding” bis hin zum aktuellen Kapitel “The Mandrake Project” (2024). 

Bruce Dickinson – Solo-Diskografie (Studioalben)

  • 1990 – Tattooed Millionaire
  • 1994 – Balls to Picasso
  • 1996 – Skunkworks
  • 1997 – Accident of Birth
  • 1998 – The Chemical Wedding
  • 2005 – Tyranny of Souls
  • 2024 – The Mandrake Project

Als “Balls to Picasso” rauskam, gingen die Meinungen ziemlich auseinander. Kritiker sahen darin mal den nötigen Befreiungsschlag, mal ein Album, das nicht wusste, ob es Hard Rock oder Metal sein wollte. Die Fans spalteten es in ähnlicher Art und Weise: für die einen mutig, für die anderen zu brav. Doch mit ‘Tears of the Dragon’ war auch sofort klar, dass Dickinson als Solokünstler eine Hymne im Köcher hatte, die bis heute zu seinen größten Hits gehört. 2005 kam eine erweiterte Edition, die das Original um B-Seiten, alternative Mixe und Raritäten ergänzte. Nett für Sammler, aber eben nur eine “aufgebohrte” Version des bereits bekannten Materials.

Heute reden wir über die große Überraschung: “More Balls to Picasso” kam in die Redaktion “geflattert”. Wer zunächst an eine einfache Wiederveröffentlichung dachte, wurde eines besseren belehrt. Bruce kredenzte eine komplette Neubearbeitung des Albums. Roy Z. und er packten die Songs noch einmal an, drehten die Gitarren lauter, setzten auf ein druckvolleres Klangbild und brachten damit das Album nach 2025. Aufgenommen wurde das Album mit den Musikern der Tribe of Gypsies: an der Gitarre Roy Z, am Bass Eddie Casillas, am Schlagzeug Dave Ingraham und an den Percussions Doug Van Booven. An ‘Shoot All the Clowns’ waren außerdem Mario Aguilar und Dean Ortega beteiligt, die ihre Band zur Verfügung stellten. Eine besondere Note bekommt das Album zudem durch Dickie Fliszar von Skin, der die Drums bei ‘Tears of the Dragon’ übernahm.

So viel zur Vorgeschichte und zu den verschiedenen Versionen dieses Albums, welches über 30 Jahre auf dem Buckel hat – ja, wir sind alt. zumindest einige der Leute, die das hier lesen und der Verfasser selbst. 

Über “More Balls to Picasso” sagt Bruce: 

“Während ich meinen gesamten Katalog in Dolby Atmos abmischte, verspürte ich den brennenden Wunsch, die Platte neu zu interpretieren und neu zu erfinden. ‘More Balls To Picasso’ war eine Herzensangelegenheit. Natürlich haben wir die Gitarren verstärkt und sogar neue hinzugefügt. Der brasilianische Komponist Antonio Teoli steuerte atemberaubende Orchesterarrangements bei und fügte – als einzigartigen Beitrag – am Anfang von ‘Gods Of War’ einheimische Instrumente aus dem Amazonasgebiet hinzu (die er selbst aufgenommen hatte, als er dort lebte!). ‘Shoot All The Clowns’ profitiert von einer Bläsersektion unter der Leitung von Professoren des Berkeley College Of Music, und die gesamte Platte profitiert vom Mix von Brendan Duffey (‘The Mandrake Project’), ergänzt durch Anmerkungen von Shay Baby, dem ursprünglichen Vater des Albums.”

Genau das hört man. ‘Gods of War’ ist plötzlich größer, atmosphärischer, bekommt mit Orchester- und Amazonas-Klängen eine neue und dramatischere Intensität.. ‘Shoot All the Clowns’ wirkt mit der Bläsersektion wie neu geboren, funky, dreckig, voller Energie und Wucht. Insgesamt sind die Gitarren druckvoller, die Produktion wirkt klar und modern, ohne den Geist der 90er komplett zu tilgen. Brendan Duffey bringt den Druck, den man schon von “The Mandrake Project” kennt, während Shay Babys Input eine Verbindung zur 94er Platte hält. Als Bonus gibt es zwei bisher unveröffentlichte Live-Studio-Versionen von ‘Gods of War’ und ‘Shoot All the Clowns’, die zeigen, wie viel rohe Energie in diesem Material steckt.

Und dann ist da noch ‘Tears of the Dragon’ – mein persönliches Lieblingsstück und unangefochtenes Herzstück des Albums. Eine Hymne, die alles bündelt, was mich und viele andere damals wie heute bewegt: Loslösung, Zweifel, aber auch der Drang, frei zu atmen. Die ruhigen Strophen wirken verletzlich, fast zurückgenommen, bevor sich im Refrain ein hymnischer Befreiungsschlag entfaltet, der mir jedesmal eine Gänsehaut verschafft. ‘Tears of the Dragon’ funktioniert in jeder Form, weil es große Emotionen mit starker Melodie verbindet und keine Effekthascherei nötig ist. Ein Stück, das “Balls to Picasso” bis heute definiert und in der Neuauflage nichts von seiner Strahlkraft eingebüßt hat – ganz im Gegenteil…ich liebe die neue Variante sogar ein Stück mehr – Danke dafür.

“More Balls to Picasso” ist keine weitere neu aufgelegte Version für Sammler, sondern eine Platte, die fast wie ein eigenständiges Werk rüberkommt. Ein Album, das sich nicht an die Vergangenheit klammert, sondern zeigt, wie zeitlos die Songs sind, wenn man ihnen frisches Leben einhaucht. Wer das Original kennt, entdeckt hier eine spannende Neuinterpretation, und wer zum ersten Mal reinhört, bekommt eine Version, die so klingt, als wäre sie genau für diesen Moment, für diese Zeit gemacht. Damals eine solide 7 von 10, heute mit dem “More”-Zusatz bekommt “Balls to Picasso” eine stabile 8,5.

Tobi Stahl vergibt 8,5 von 10 Punkten