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IN MOURNING – “The Immortal”: Zwischen Melancholie und Härte

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Seit dem Jahr 2000 sind IN MOURNING aus dem kleinen schwedischen Ort Vansbro eine feste Größe in der Melodic-Death- und Progressive-Metal-Szene. Mit ihrer einzigartigen Mischung aus brutaler Härte, melancholischer Tiefe und komplexen Songstrukturen haben sich Tobias Netzell (Gesang/Gitarre), Björn Pettersson (Gitarre/Gesang), Tim Nedergård (Gitarre) und Cornelius Althammer (Schlagzeug) weltweit einen Namen gemacht. Nun veröffentlichen sie mit “The Immortal” ihr siebtes Studioalbum – ein Werk, das nach mehr als zwei Jahrzehnten das wahre Wesen der Band einfängt.

Tobias: Hallo nach Schweden, an Björn Pettersson von IN MOURNING und Glückwunsch zu eurem siebten Album “The Immortal”! Neun Songs voller Emotion, Atmosphäre und Power – vermutlich euer bislang intensivstes Werk, oder?

Björn Pettersson: Hallo und danke! Ja, auf jeden Fall – es ist das intensivste Werk, das wir je gemacht haben. Wir wollen in jedes Album so viel Emotion und Seele wie möglich packen, und irgendwie scheint es jedes Mal noch tiefer zu gehen.

Tobias: Wie fühlt es sich an, euer siebtes Album zu veröffentlichen – vielleicht sogar das vollständigste eurer Bandgeschichte? Seid ihr aufgeregt?

Björn Pettersson: Sehr aufgeregt! Wir haben unglaublich viel Herzblut hineingesteckt und sind sehr stolz auf das Ergebnis, aber auch auf den ganzen Prozess. Wir haben sehr gründlich gearbeitet, alles rausgestrichen, was sich nicht richtig angefühlt hat oder den Songs nicht gedient hätte.

Tobias: Der Titel “The Immortal” klingt groß und bedeutungsvoll. Was steckt dahinter – und wie ist er entstanden?

Björn Pettersson: Die Themen des Albums kreisen stark um Leben und Tod und verlaufen parallel zum Jahreskreislauf in der Natur, also zum Zyklischen der Dinge. Es ist kein Story-Album, eher lose Reflexionen. Früh im Songwriting sah ich ein Foto eines fliegenden Kranichs vor dunklem Himmel – das hat für mich sofort die Farben und Bilder gesetzt. In manchen Mythologien steht der Kranich für Unsterblichkeit oder Langlebigkeit, und dass er den “Tod des alten Jahres” markiert. Das war ein starkes Symbol für die Themen – daraus entstanden sowohl das Kranich-Motiv als auch der Titel.

Tobias: Eure Songs sind oft von Naturbildern und Jahreszeiten geprägt. Warum ist dieses Thema für euch so wichtig?

Björn Pettersson: Ich glaube, es ist einfach eine wichtige Inspirationsquelle. Ich kann gar nicht genau sagen, warum – sie gibt einfach so viel her: Veränderung, Schönheit, Beständigkeit. Die Jahreszeiten hier sind sehr ausgeprägt und die Landschaft ist wunderschön. Dieses Album war stark vom Frühling inspiriert – das frische Grün, das Aufblühen, das befreiend wirkt, aber auch das klare Ende des vergangenen Jahres markiert.

Left to right: Tobias Netzell (Vocals, Guitars), Tim Nedergård (Guitars), Björn Pettersson (Guitars, Vocals), Cornelius Althammer (Drums)

Tobias: Woher nehmt ihr eure Inspiration – eher draußen in der Natur oder manchmal auch einfach vor dem Fernseher?

Björn Pettersson: Unterschiedlich. Tim, mit dem ich viele Texte schreibe, zieht viel aus Büchern und dem Lesen. Ich selbst finde die Inspiration eher in der Natur und beim Verarbeiten alltäglicher Dinge durchs Schreiben. Musikalisch haben wir ebenfalls unterschiedliche Quellen, aber auch starke Schnittpunkte – und genau das macht unsere Musik am Ende aus.

Tobias: Wie siehst du das, was gerade in der Welt passiert – beeinflussen aktuelle Ereignisse eure Songs, den Schreibprozess oder die Stimmung eurer Musik?

Björn Pettersson: Wahrscheinlich schon, vielleicht mehr, als uns bewusst ist. Wir schreiben selten direkt über konkrete Ereignisse, aber alles entsteht mit Leidenschaft und aus dem Herzen. Vieles auf diesem Album stammt für mich aus einem Trauerprozess. Auch wenn das sehr persönlich ist, glaube ich, dass die Gefühle darin für die meisten Menschen nachvollziehbar sind.

Tobias: Der Opener ist ein kurzes Instrumental, das sofort die Stimmung setzt. Ist es ein eigenständiges Intro oder eher ein Vorspiel zu ‘Silver Crescent’?

Björn Pettersson: Beides. Tobias (Netzell, Anm. d. Autors) fand diesen Grundsound und arbeitete daran – für mich war sofort klar: das setzt die Stimmung perfekt.

Tobias: ‘Song of the Cranes’ ist schon als Single ein Fanliebling geworden. Was macht den Song für dich besonders, und welche Geschichte steckt dahinter?

Björn Pettersson: Der Song entstand ziemlich früh im Schreibprozess. Es geht um Sehnsucht, Verlust, Getrenntsein und Akzeptanz. Ich schrieb die ersten Worte auf Tour, als ich durch das Busfenster einen Freund in einer Menschenmenge sah – und deutlich spürte, dass er Heimweh hatte.

Tobias: Hättest du Lust, kurze Linernotes zu jedem Track zu geben – ein paar Worte, worum es geht oder was er dir bedeutet?

Björn Pettersson:

  • ‘The Immortal’ – Setzt die Stimmung und den Vibe, trägt die Essenz des Albums. Als wir mit diesen Sounds arbeiteten, stand das Konzept fest.
  • ‘Silver Crescent’ – Ich mag das treibende Intro. Textlich geht’s um Unsicherheiten und Auseinanderdriften. Tobias’ Clean-Vocals glänzen hier besonders.
  • ‘Song of the Cranes’ – Der alte Kranich, wir haben ja schon über den Song gesprochen, the bird is the word!“
  • ‘As Long as the Twilight Stays’ – Führt uns in neues Terrain, ruhiger, nach Balance suchend. Und: episches Gitarrensolo!
  • ‘The Sojourner’ – Über vergehende Zeit und Reue. Arbeitstitel war “Klabautermann”. Ein Freund leiht den Sprachsamples seine Stimme – ein goldenes Detail.
  • ‘Moonless Sky’ – Tobias schrieb die Gitarrenparts in einer Berghütte, als wir das Album finalisierten. Ein Atemzug in der Mitte, oder der Start von Seite B.
  • ‘Staghorn’ – Die ersten Lyrics kamen mir beim Schauen des Films Ronja Räubertochter mit meinen Kindern. Ich musste aufstehen und Worte notieren.
  • ‘North Star’ – Bringt Luft ins Album. Wir haben dazu ein animiertes Video mit Dronicon Films gemacht – das fängt die Stimmung wunderschön ein.
  • ‘The Hounding’ – Die ersten Riffs für dieses Album lagen hier schon lange herum. Ein dichtes Stück mit schwerem Thema – am Heavy-Ende.

Tobias: Corny ist relativ neu am Schlagzeug. Wie hat sich die Dynamik in der Band dadurch verändert?

Björn Pettersson: Corny ist zwar neu in der Band, aber ein alter Freund. Wir trafen uns vor 15 Jahren bei einem Festival in Italien, haben dort spontan zusammen gesungen – seitdem sind wir Freunde. Er bringt einen anderen Vibe mit: ein unglaublich musikalischer Drummer, aber auch mit Punk-Energie. Dadurch haben die neuen Songs mehr Lebendigkeit und neue Nuancen bekommen.

Tobias: Viele sagen, euer Wechselspiel aus Growls und Clean Vocals ist eine eurer größten Stärken – ich stimme zu. Wie entwickelt ihr dieses Gleichgewicht im Songwriting?

Björn Pettersson: Inzwischen brauchen wir beides – sie sind essentiell. Meistens kommt die Balance von Tobias, aber oft ergibt sich von selbst, welche Stimme am besten passt. Manchmal braucht es mehrere Versuche, aber am Ende geht es darum, was sich richtig anfühlt.

Tobias: Was kommt nach dem Release – Tour, Festivals, vielleicht schon neue Ideen? Werden wir euch in Deutschland sehen?

Björn Pettersson: Zuerst Touren! Diesen Sommer haben wir schon einige Festivals gespielt und neue Songs ausprobiert. Nächstes Jahr geht’s weiter – wir spielen auf der 70.000 Tons of Metal-Cruise in den USA und dann eine EU-Tour mit unseren Freunden von Omnium Gatherum und Fallujah. Und ja: mehrere Termine in Deutschland sind dabei.

Tobias: Vielen Dank für das Gespräch und nochmals Glückwunsch zu “The Immortal”! Zum Abschluss: Welche Botschaft möchtest du euren Fans mitgeben – und vielleicht auch denen, die euch mit diesem Album zum ersten Mal hören?

Björn Pettersson: Ein sehr aufrichtiges, großes Dankeschön an alle, die sich Zeit nehmen, in unsere Musik einzutauchen. Wir sagen das so oft wir können – wir sind unglaublich dankbar dafür. Passt auf euch auf, und: Heavy Metal all night long!

Interview: Tobias Stahl
Photocredit: jens@jensryden.se