FEANOR sind zurück – und wie! Mit “Hellhammer” hat die argentinische True-Metal-Schmiede wohl ihr bislang epischstes und internationalstes Werk geschaffen. Musiker aus aller Welt haben zu diesem Album beigetragen – von Ross The Boss und David Shankle über Piet Sielck bis hin zu vielen weiteren Gästen. Ein perfekter Grund für mich, mit Bandleader, Bassist und Songwriter Victor Gustavo Acosta und Sänger Mike Stark über die Entstehung des Albums, die Entwicklung der Band seit den letzten Veröffentlichungen, das Line-up und die Zusammenarbeit mit dem neuen Label No Remorse Records zu sprechen. Doch bevor wir tiefer einsteigen: Gus, zuerst einmal Glückwunsch zum neuen Album! Wie geht es dir im Moment – sowohl persönlich als auch als Musiker – kurz vor dieser großen Veröffentlichung?
Gus: Danke Tobias, ich freue mich, wieder hier mit dir zu sprechen. Wir alle sind voller Energie und Begeisterung über das neue Album und könnten nicht glücklicher sein mit dem, wie alles am Ende geworden ist.
Tobias: “Hellhammer” ist ein internationales Projekt mit Musikern aus Argentinien, Deutschland, Schweden, Brasilien und Südkorea. Wie hat dieser globale Austausch den Songwriting- und Produktionsprozess beeinflusst?
Gus: Es ist großartig, dass du den globalen Kern von “Hellhammer” erkennst. FEANOR lebt von den vielfältigen Hintergründen, Stilen und Perspektiven seiner Mitglieder. Mit Thilo in Deutschland zu arbeiten, geprägt von Rolf Kaspareks Ansatz, unterscheidet sich stark von der Zusammenarbeit mit EV in São Paulo, der seine Erfahrungen mit Joey DeMaio einbringt. Mein Ziel war es von Anfang an, jedem Musiker Raum zu geben, auf seine eigene Art zu glänzen. Keine Kontrolle, kein Diktat – sondern kreative Freiheit. Dadurch konnten wir neue musikalische Wege beschreiten, verschiedene Elemente verbinden und ein dichtes Geflecht von Einflüssen erschaffen, das unsere gemeinsame Reise widerspiegelt.
Tobias: Seit “Power Of The Chosen One” und der EP “Boundless I Am Free” sind einige Jahre vergangen. Wie würdest du eure musikalische Entwicklung von damals bis zu “Hellhammer” beschreiben?
Gus: Die Reise von “Power Of The Chosen One” zu “Hellhammer” war prägend – voller Herausforderungen, aber auch kreativer Widerstandskraft. “Power Of The Chosen One” war mit dem Fokus auf Live-Auftritte geschrieben, doch kurz nach der Veröffentlichung kam die Pandemie. Für eine international aufgestellte Band war das ein Riesenhindernis. Mit der EP “Boundless I Am Free” hielten wir das Feuer am Brennen, mit Eric Adams’ Sohn am Mikro und einigen Covern mit Mike Cotoia. Als Sven aus persönlichen Gründen nicht mehr auf Tour gehen konnte, kam Mike als Sänger dazu, und ich brachte Thilo in die Band. Mit diesem Line-up entstand “Hellhammer” – nicht nur als Album, sondern mit dem klaren Ziel, es auch live zu spielen.
Tobias: Das Line-up von FEANOR hat sich über die Jahre verändert. Kannst du uns einen Einblick geben, wie die aktuelle Besetzung zustande kam und welche Energie oder neuen Ideen jeder Musiker eingebracht hat?
Gus: Aufbauend auf der letzten Frage: FEANOR will immer bessere Musik schaffen, live begeistern und sich mit jedem Album weiterentwickeln – musikalisch, produktionstechnisch, auch visuell. Sven konnte diesen Weg nicht mehr mitgehen, und auch “The Scorpion” musste die Band verlassen. So kamen Mike als Sänger und Thilo für die zweite Gitarre. David zog sich später zurück, und wir fanden EV – seine Manowar-Erfahrung passte perfekt. Mit Diana Boncheva am Violin, Emiliano am Schlagzeug und mir am Bass & Keys war das Line-up komplett. Jeder bringt seine Energie: Mikes gewaltige Stimme, Thilos Riffs, EVs Manowar-Flair, Dianas progressive Finesse, Emilianos Power und meine Grundlagen. Zusammen haben wir Hellhammer mit unserer ganzen Intensität geprägt.
Tobias: Ein großes Thema ist sicher der Wechsel zu No Remorse Records. Wie fühlt ihr euch beim neuen Label, und welche Rolle spielt diese Zusammenarbeit für Vision und Reichweite von “Hellhammer”?
Mike Stark: No Remorse ist super und wir haben eine tolle Zusammenarbeit. Das Album war bereits fertig, als wir unterschrieben haben, daher hat es unseren Sound nicht beeinflusst.
Tobias: Wenn du zurückblickst auf “Power Of The Chosen One” – was bedeutet dir dieses Album heute? Und wie sehr hat die EP “Boundless I Am Free” den Weg für “Hellhammer” geebnet?
Gus: Jedes Album fühlt sich wie ein eigenes Kind an. “Power Of The Chosen One” war ein Meilenstein, auch weil wir David Shankle zurück im Metal hatten. Unsere Fans liebten es, und es öffnete uns neue Türen. Mit der EP “Boundless I Am Free”, auf der auch Ross The Boss und erstmals Diana an der Violine zu hören waren, konnten wir die Brücke schlagen. So bereitete sie direkt den Weg für “Hellhammer”.
Tobias: Der Sound von “Hellhammer” wurde von Piet Sielck gemischt und gemastert, einer echten Power-Metal-Ikone. Welche neuen Impulse brachte er, und wie war die Zusammenarbeit?
Mike Stark: Piet hatte viele starke Ideen, innen wie außen, und hat wirklich seine Handschrift in unseren Sound eingebracht. Er war sehr tief in das Ergebnis involviert.
Tobias: Das Artwork stammt von Andreas Marschall, bekannt von Running Wild, Grave Digger und Blind Guardian. Wie kam es zu der Zusammenarbeit – und welche Stimmung sollte das Cover einfangen?
Mike Stark: Als klar war, dass “Hellhammer” der Titeltrack wird, war Andreas die perfekte Wahl. Er hat die Geschichte visuell zum Leben erweckt und die Essenz des Songs eingefangen.
Tobias: ‘The Conqueror’s Path’ war der erste Song, den ihr gemeinsam mit Diana an der Violine geschrieben habt – entstanden in der Endphase des COVID-Lockdowns. Er ist kurz, wird aber als triumphale Hymne beschrieben. Kannst du uns mehr darüber erzählen, wie der Song entstanden ist, wie Dianas Beitrag die Stimmung geprägt hat und was dir dieser Track persönlich bedeutet?
Gus: Mit meinem Hintergrund im Notenlesen – gestützt durch das Musikstudium meiner Kinder – hatte ich eine barbarische, epische Intro-Idee im Kopf. Aber mit Dianas Violin-Können wäre es töricht gewesen, das Stück allein zu gestalten. Ich schickte ihr meine Vision, und sie lieferte atemberaubende Arrangements, die den Song magisch machten. Inspiriert von Manowars Achilles bauten wir mehrere Gitarrenspuren ein, und EV brachte seine Manowar-Erfahrung perfekt ein. Emiliano legte echte, kraftvolle Drums drunter, und Piet formte alles zu einem Ganzen. So wurde es eine kurze, aber triumphale Hymne – und ein Meilenstein für FEANOR.
Tobias: ‘The Epic Of Gilgamesh Pt2 (The Quest For Immortality)’ ist ein echtes Mammutstück. Wie seid ihr dran gegangen, dieses epische Material in einen Song zu verwandeln, und was wolltet ihr musikalisch und textlich ausdrücken?
Gus: Schon seit Teil 1 auf unserem 2016er Album “We Are Heavy Metal” wollte ich die Geschichte fortsetzen. Gilgamesh hat für mich zwei Bögen: den Ruhm und die Suche nach Unsterblichkeit. Ich liebe antike Mythen, ihre Komplexität fasziniert mich. Also habe ich den Song in Abschnitte zerlegt und mit Thilo geteilt – er hat meine Ideen neu interpretiert und mich dadurch weiter inspiriert. Sven kehrte als Sänger für Kontinuität zurück, Diana fügte ihre Violine hinzu, EV verstärkte die Riffs, und mit Huseyin Kirmizi kam ein Keyboarder aus Zypern dazu – geographisch nah zur Geschichte.
Musikalisch wollten wir die ganze Reise abbilden: von barbarisch über triumphal bis orchestral. Textlich geht es um Gilgameshs Trauer nach Enkidus Tod, seine Begegnungen mit Göttern, die Fluterzählung und die vergebliche Suche nach ewigem Leben. Am Ende steht die Erkenntnis: Unsterblichkeit liegt in Geschichten und Vermächtnis.
Tobias: Mit ‘H.M.J.’ – ‘Heavy Metal Jesus’ – habt ihr eine Hommage an Running Wild auf dem Album, eine Idee von Thilo Herrmann. Der Track klingt wie purer Heavy Metal. Wie kam er zustande, und was bedeutet dir dieses Lied?
Gus: Thilo und ich haben überlegt, etwas zu machen, das seine Running-Wild-Zeit ehrt. Mike flog nach Deutschland, um mit Thilo im Studio zu arbeiten, und so entstand ‘Heavy Metal Jesus’ – eine Hymne mit Piraten-Spirit, die Rolf Kasparek gewidmet ist. Da ‘Metal God’ schon vergeben war, stand “Jesus” für Rolfs ikonische Captain-Persona. Rolf hörte den Song später selbst – und gab uns seinen Segen. Für mich ist das eine große Ehre und ein echtes Metal-Gebet.
Tobias: ‘The Ballad Of Beren And Lúthien’ verbindet Musik mit Tolkiens Legenden. Wie schwer war es, so eine berühmte Geschichte in ein Metal-Epos zu verwandeln, ohne die Magie des Originals zu verlieren?
Gus: Das war der schwierigste Song des Albums. Ich verehre Tolkien, und ein halbherziges Stück wäre für mich nicht infrage gekommen. Aber innerlich spürte ich den Drang, es umzusetzen. Mit EV erarbeitete ich die Grundidee, er brachte Gitarren und Harmonien ein. Diana reiste extra ins Studio, um ihre Violinenparts professionell einzuspielen – ihre Hingabe war beeindruckend. Um noch mehr Tiefe zu erreichen, holte ich Alex dazu, der gerade einen Silmarillion-Soundtrack komponierte. Er übernahm die Erzählpassagen. Der griechische Bariton Alexandros Delialis brachte dramatische, tiefe Stimmen und Chöre ein, und Mikes Schwester Camilla Stark sang Lúthien – eine großartige Überraschung. Stück für Stück fügte ich alles zusammen, bis aus den vielen Einzelteilen ein geschlossenes Werk entstand. Am Ende war die Band überwältigt, und ich hoffe, dass auch die Hörer die Magie dieser Ballade spüren, wenn sie die Augen schließen und eintauchen.
Tobias: ‘This One’s For You’ spielt Ross The Boss mit. Wie habt ihr den Song auf ihn zugeschnitten, damit er seinen unverwechselbaren Stil einbringen konnte?
Gus: Der Song hat seine Wurzeln im Jahr 2000, als wir ‘Esto Es Para Vos’ in spanischer Sprache veröffentlichten. Schon damals hatte er dieses Manowar-Feeling. Für die Neuaufnahme haben Thilo und EV mit mir daran gearbeitet, bevor wir ihn Ross gegeben haben. Ich wusste genau, welche Art von Solo den Song epischer machen würde, und Ross hat das sofort verstanden. Sein Lead ist reines True Metal – und das Besondere: hier spielen gleich zwei originale Manowar-Gitarristen.
Tobias: ‘Houses Of Fire’ mit David Shankle ist ein reiner Gitarren-Banger. Hattet ihr seinen shredlastigen Stil schon beim Schreiben im Kopf oder kam das erst in der Zusammenarbeit?
Gus: Der Song stammt ebenfalls von unserer 2000er Mini-CD, damals unsere erste englischsprachige Nummer mit Sven am Gesang. Ich wollte ihn neu aufleben lassen, weil er ein Stück Bandgeschichte ist, das nur wenige kennen. Ursprünglich war er nicht auf Shankles Spielweise zugeschnitten, aber für die Neuaufnahme habe ich ihn bewusst dazu geholt. Seine Soli haben das Stück enorm aufgewertet. Es war ein Erlebnis, ihn und Piet Sielck gemeinsam im Studio über den Mix sprechen zu sehen – zwei meiner Idole, die an meinem Song arbeiteten.
Tobias: ‘Bad Decisions’ fällt mit Walters Intro- und Outro-Gitarren auf. War das von Anfang an geplant? Und stammen die Lyrics aus deinen eigenen Erfahrungen?
Gus: Ja, Walters Parts sollten unbedingt draufbleiben, weil wir den Song zusammen begonnen hatten, bevor er die Band verlassen musste. So ist es für mich auch eine Art Abschluss. Textlich spiegelt das Stück den Verlust eines Freundes wider, ausgelöst durch eine Kette falscher Entscheidungen. Die Worte sind direkt und ehrlich – jeder Hörer kann darin seine eigene Geschichte wiederfinden.
Tobias: Wenn ihr nur einen Song von “Hellhammer” live spielen könntet – welcher wäre das, und warum?
Gus: Schwer zu wählen! Wir haben schnelle Stücke wie ‘Sirens of Death’, den Groove von ‘Hellhammer’, die Epik von ‘Gilgamesh Pt2’, Hymnen wie ‘This One’s For You’ oder ‘HMJ’, das klassische ‘Valkyries’ Song’ oder die progressive ‘Ballad Of Beren And Lúthien’. Wenn ich mich entscheiden müsste, wäre es aber ‘Gilgamesh Pt2’ – weil dieser Song unsere ganze Bandbreite zeigt: Mythos, Emotion und Power.
Tobias: Wird es eine Tour zu “Hellhammer” geben – vielleicht sogar international? Und mit welchen Bands würdet ihr am liebsten die Bühne teilen?
Gus: Eine Tour ist unser größter Traum. Wir hoffen, dass das Album genug Aufmerksamkeit bekommt, um Promoter dafür zu gewinnen. Ideal wären natürlich Shows mit Manowar oder Running Wild – ihre Energie passt perfekt zu uns. Auch Bands wie Wotan, Wizard oder andere Acts mit persönlichen Verbindungen wären etwas Besonderes.
Tobias: Wird “Hellhammer” auch auf Vinyl erscheinen?
Gus: Wir sprechen aktiv mit Chris von unserem Label darüber. Aufgrund der Länge bräuchten wir ein Doppel-Vinyl. Gute Streamingzahlen und Verkäufe helfen, das möglich zu machen. Wir wollen unbedingt, dass die Fans auch diese physische Version in den Händen halten können – wie schon bei “Power Of The Chosen One”.
Tobias: Habt ihr schon Ideen oder Pläne für die Zeit nach “Hellhammer”? Vielleicht sogar Material für das nächste Kapitel?
Gus: Nach all der Arbeit an “Hellhammer” bin ich ehrlich gesagt ziemlich ausgelaugt – aber die ersten Ideen keimen schon wie Samen im Boden. Ich möchte neue lyrische Themen erforschen, vielleicht tiefer in Mythologie oder menschliche Kämpfe eintauchen. Die Zusammenarbeit mit Mike hat mich enorm inspiriert, da will ich unbedingt wieder ansetzen. Noch ist nichts Konkretes geplant, aber der kreative Funke ist da. Im Moment liegt unser Fokus aber zu 100 % auf “Hellhammer”.
Tobias: Wenn du “Hellhammer” in drei Worten beschreiben müsstest – welche wären das? Und welche Botschaft möchtest du den Fans weltweit mitgeben, wenn sie das Album zum ersten Mal hören?
Gus: Episch, kraftvoll, magisch. “Hellhammer” ist ein Werk voller Liebe, erschaffen mit purer Ehrlichkeit. Alles ist echt – Drums, Gitarren, Bass, Violinen. Keine MIDI-Spielereien, kein Überproduzieren. Wir wollten einen Sound, der roh und dennoch klar ist. Ich hoffe, jeder findet darauf einen Song, der ihn berührt. Für uns FEANORIANER gilt: Wir sind Söhne des Feuers – und dieses Album soll dieses Feuer auch in euch entfachen!
Tobias: Vielen Dank für deine Zeit und die spannenden Einblicke in die Welt von FEANOR und “Hellhammer”! Es ist beeindruckend zu sehen, wie viel Leidenschaft, internationale Zusammenarbeit und Hingabe in diesem Album stecken. Zum Abschluss noch eine offene Frage: Hast du ein paar letzte Worte direkt an eure Fans – an die Brotherhood of Metal, die euch all die Jahre begleitet hat und jetzt “Hellhammer” Seite an Seite mit euch in die Welt tragen wird?
Gus: Solange mein Herz schlägt, wird FEANOR Musik schmieden, die voller Kraft, Größe und Überraschungen pulsiert. “Hellhammer” ist ein brennendes Zeugnis dieses Geistes. An die Brotherhood of Metal: Danke für eure Treue! Nehmt dieses Album, teilt seine Energie, und zeigt der Welt, was es heißt, mit wahrer Leidenschaft zu brennen. Wir – die Söhne des Feuers – stehen vereint mit euch.
Interview: Tobias Stahl
Photocredit: Promo