SIGH – I SAW THE WORLD’S END – HANGMAN’S HYMN MMXXV

SIGH

Titel: I SAW THE WORLD’S END – HANGMAN’S HYMN MMXXV

Label: Peacville

Spieldauer: 44:19 Minuten

VÖ: 13. Juni 2025

Mittlerweile gibt es die asiatische Black Metal Band SIGH seit 35 Jahren – das sind dreieinhalb Jahrzehnte purer Wahnsinn aufgesplittet in zwölf Studioalben, beginnend 1993! Zuvor veröffentlichte man die Demos “Desolation”, “Tragedies” (beide 1990) und die EP “Requiem for Fools” (1992). Vor dem ersten Album “Scorn Defeat” wurde die gleichnamige Demo rausgehauen. Das Line-up für die erste Langrille setzte sich aus Mirai (Vocals, Bass, Keyboards), Shinichi (Guitars) und Satoshi (Drums, Percussion) zusammen. “Hangman’s Hymn” wurde 2007 von Satoshi Fujinami (Bass), Mirai Kawashima (Vocals, Piano, Orchestrations), Shinichi Ishikawa (Guitars) und Junichi Harashima (Drums) eingespielt, während die 2025er Veröffentlichung vom aktuellen Line-up gezockt wurde, also von Mirai Kawashima an Piano, Vocals, Orchestrations und Flute, Dr. Mikannibal mit Vocals, Saxophone (alto) und Nozomu Wakai (Guitars, Bass) und Gästen, die im weiteren Verlauf erwähnt werden.

Scorn Defeat (1993)
Infidel Art (1995)
Hail Horror Hail (1997)
Scenario IV: Dread Dreams (1999)
Imaginary Sonicscape (2001)
Gallows Gallery (2005)
Hangman’s Hymn (2007)
Scenes from Hell (2010)
In Somniphobia (2012)
Graveward (2015)
Heir to Despair (2018)
Shiki (2022)

“Shiki” war mein erster Kontakt mit der Truppe, die Review habe ich für ein anderes Magazin verfasst, es aber für diesen Artikel gekürzt auf den Punkt gebracht:

Japanischer Wahnsinn mit Konzept: SIGH feiern mit “Shiki” einen düsteren, verdrehten Jahreszeiten-Zyklus – mal Black, mal Thrash, mal Prog, mal komplett durchgeknallt. Streicher, Querflöte, Radio-Noise, Kinderstimmen – alles dabei. Fauchgesang ist nicht meins, aber der Genre-Mix bockt und klingt stellenweise richtig fett. Für Black-Metal-Traditionalisten zu schräg, für Offenohren ein bizarrer Trip. Reinhören lohnt – wenn man schmerzfrei ist.

Zurück in die Gegenwart und zu dem, was die Japaner anlässlich ihres Jubiläums exhumieren und neu aufpoliert veröffentlichen. 2007 erschien “Hangman’s Hymn”, ein stark konzeptionelles, orchestrales Werk, das Thrash‑ und Black‑Metal‑Elemente mit klassischer Musik (u. a. deutsches Orchesterbombast-Geballer) mischte – am liebsten deutsches Orchesterbombast-Geballer. Die Kritiken waren überwiegend gut, Punktabzüge gab es ab für die schlechten Gitarren, monotone Drums und eine Produktion, die mehr Demovibe hatte. Das hat auch den kreativen Kopf Mirai Kawashima nie so richtig losgelassen und genau da kommt das Jubiläum doch gerade richtig, denn Kawashima hat sich vorgenommen, es nun richtig zu machen. “I Saw the World’s End – Hangman’s Hymn MMXXV” heißt die Neuauflage, komplett neu eingespielt mit dem aktuellen Line-up – inklusive Nozomu Wakai an der Klampfe und Mike Heller (ja, DER Mike Heller!) an den Drums – wenn das nicht vielversprechend klingt? Produziert wurde das Album von Lasse Lammert, das Cover entstammt der edlen Feder von Eliran Kantor – SIGH achten dieses Mal auf die Details und das ist gut so!

Mirai sagt selbst über die Neuveröffentlichung:

Kompositorisch ist das eines meiner besten Werke – aber der alte Mix? Die Drums? Die Orchestrierung? Alles eher meh. Ich wusste immer, dass dieses Album mehr kann. Jetzt ist die Zeit gekommen, es richtig zu machen.

Dann hören wir mal, was die Platte drauf hat und beginnen mit ‘Introitus / Kyrie’, einem Fiebertraum auf Speed, dessen Gesang mir besser gefällt als auf “Shiki”, genauso wie das Chaos, das der Song entfacht – wilde Gitarren, knackige Drums, Spieluhren, BM-Gefauche und klassischer Gesang.- mehr muss ich nicht sagen. Verdammt rotzige Vocals erwartet uns in ‘Inked In Blood’ – ehrlicherweise klingen manche Momente wie ein Muppets-Chor, aber hey, vielleicht stehen Kermit und Co. auf die Mucke! Tollwütig rotzen SIGH in ‘Me-Devil’ weiter, ‘Dies Irae’ ist das Vorspiel für ‘The Master Malice’, einem weiteren wilden, schwarzmetallischem Ritt, dem der böse Song ‘The Memories As A Sinner’ folgt – erneut rotzig und brutal in Vocals und musikalischer Gangart. Die Thrash-Vibes wissen zu Gefallen, besonders ‘Death With Dishonor’ und die Gitarrengewitter machen richtig Bock. Nach ‘In Devil’s Arms’, das im Mix mit klassischer Musik und in der Neuauflage ebenfalls sehr hörenswert ist, kommen ‘Overture’ und die vielseitige Nummer ‘Rex Tremendae / I Saw The World’s End’ als angeschossen, in der neben den Black und Thrash Parts auch einiges an musikalischer wie gesanglicher Dramatik geboten wird. ‘Salvation In Flame / Confutatis’ knallt kurz vorm Ende nochmals zwischen die Synapsen, bietet Melodik, Hektik, Chaos – typisch SIGH eben. Der Name des nächsten Aktes spricht für sich und steht natürlich für das Ende des (Kunst)Werkes. Die Rede ist von ‘Finale: Hangman’s Hymn / In Paradisum / Das Ende’. Die Neuaufnahme von “Hangman’s Hymn” als “I Saw the World’s End” (2025) hält sich inhaltlich eng ans Original von damals. Die Mischung aus Thrash, Black Metal und klassischer Musik wird beibehalten, wirkt aber durch das orchestrale Arrangement noch epischer, kontrastreicher und eindrucksvoller. Produktionstechnisch ist der Unterschied deutlich: Während das 2007er Album zurecht kritisiert wurde und teilweise unscharfe Gitarren und monotone Drums bot, ist die 2025er Version klar, druckvoll und fein abgestimmt. Auch das Timing profitiert von moderner Präzision und tighter Performance. Kurz gesagt: gleiche Struktur, gleicher Spirit, aber moderner, orchestraler und deutlich ausgefeilter in Sound und Spiel.

“I Saw the World’s End” ist nicht nur ein Re-Release, sondern fast ein komplett neues Album. SIGH haben mit Hirn, Herz und dem gebotenen Wahnsinn den Spirit von 2007 eingefangen und ihn in drei Akte, Black-Thrash-Chaos, Wagner-Bombast und irre Tempowechsel gepackt. Die 2025er Ausgabe klingt fetter, klarer und wuchtiger. Die Drums sind kernig statt monoton, die Gitarren biestiger, die Vocals zwischen rotzigem BM-Gefauche und operettenhaftem Gesang. Fans der alten Version kriegen hier die Deluxe-Variante, Neueinsteiger direkt den Nervenzusammenbruch mit Orchesterbegleitung.

Tobi Stahl vergibt 8,5 von 10 Punkten