Aus Schweden kommt die Band JAR, die sich aus Gitarrist, Sänger, Songwriter und dem kreativen Motor Ray Alex (†2019), Jan “Tosh” Ason (Drums, Songwriting, Produktion) und Anders Olsson (Gitarre, Arrangement, Sounddesign) zusammensetzt. Wer meine Reviews oder Interviews zu NEPTUNE verfolgt hat, dem sind diese Namen längst ein Begriff. Ray war nicht nur Gründungsmitglied von JAR, sondern auch der ursprüngliche Sänger von NEPTUNE, bei denen heute sein Bruder Row am Mikro steht.
Das Album “In Truth We Trust”, ursprünglich 1993 veröffentlicht, wurde nun mit viel Liebe zum Detail und Respekt vor Rays Vermächtnis wieder aufgelegt – limitiert auf 500 Stück, mit neuem Artwork, Liner Notes und dem Ziel, diesen zeitlosen Sound einer neuen Generation zugänglich zu machen.
Ich habe mit Anders Olsson über das Album, die gemeinsame Zeit mit Ray, und über die emotionale Bedeutung hinter dieser besonderen Veröffentlichung gesprochen.
Hallo Anders und vielen Dank, dass du dir die Zeit nimmst, mit mir über JAR und euer Herzensprojekt “In Truth We Trust” zu sprechen – das Album, das Ray Alex gewidmet ist und heute genauso begeistert wie damals. Die Neuveröffentlichung von “In Truth We Trust” ist nicht nur musikalisch ein Statement, sondern auch ein emotionales – wie fühlt es sich an, dieses Album als CD in Händen zu halten, mit neuem Artwork, Liner Notes und dem Wissen, dass es Rays musikalisches Erbe trägt?
Es sind gemischte Gefühle. Als wir Ende 2017 nach vielen Jahren wieder zusammenkamen und NEPTUNE neu starteten, luden Ray und ich als allererstes “In Truth We Trust” auf Spotify hoch. Es war nur etwa ein Jahr online, bevor unser Aggregator sein Geschäftsmodell änderte und alles abgeschaltet wurde. Trotzdem hatten wir immer geplant, irgendwann zu JAR zurückzukehren, um zu sehen, ob wir neben NEPTUNE etwas Neues damit machen könnten. Leider sind wir nie so weit gekommen – Ray starb kurz nach unserer Wiedervereinigung.
Als Birgitt von Pride & Joy uns anbot, dieses Album auf CD zu veröffentlichen – da es damals nur auf Kassette erschien –, hat uns das wirklich gefreut. Ich glaube, Ray wäre stolz und zufrieden. Rückblickend ist “In Truth We Trust” das einzige vollständige Album, das er je veröffentlicht hat, was schade ist, denn er hatte noch so viel mehr zu geben. Um also auf deine Frage zu antworten: Ich bin glücklich, ein bisschen emotional und natürlich stolz, dieses Album erneut zu veröffentlichen … schon wieder.
Du bist seit 1990 Teil von JAR – erinnerst du dich noch an deinen allerersten Proberaum-Moment mit Ray und Tosh? Was waren deine Gedanken damals?
JAR war im Wesentlichen ein Projekt, das wir starteten, nachdem Ray GLORY verlassen hatte. Tosh und ich hatten über die Jahre unser eigenes Studio aufgebaut, in dem wir Musik schreiben und aufnehmen konnten, wann immer uns die Inspiration kam – das passte perfekt. Wir waren keine echte Band; stattdessen verbrachten wir viel Zeit im Studio, schrieben Musik und tranken absurd viel Kaffee. Anfangs hatten wir keine konkreten Pläne, aber irgendwann wurde uns klar, dass wir “In Truth We Trust” irgendwie veröffentlichen mussten. Wir kontaktierten verschiedene Plattenlabels, entschieden uns aber ziemlich schnell für eine Eigenveröffentlichung, um die volle Kontrolle über unsere Musik zu behalten.
JARs Sound auf “In Truth We Trust” ist eine Mischung aus AOR, melodischem Hard Rock und 80s-Vibe – wie habt ihr diesen Sound damals gefunden? Und wie wichtig war euch, ihn bei der Neuveröffentlichung nicht zu arg zu modernisieren, sondern authentisch zu halten?
Für Tosh und mich war das ein reines Studioprodukt, und es diente auch als Lernprozess – wir testeten neue Technologie und gewöhnten uns an sie, die damals gerade richtig aufblühte. Es waren die Anfänge der Festplattenaufnahme. Als wir mit Birgitt von Pride & Joy sprachen, bat sie darum, dass das CD-Artwork dem Original-Kassettencover so nahe wie möglich kommen sollte, und dasselbe galt für die Musik. Natürlich hätten wir mit der Musik viel mehr machen können, aber wir entschieden uns, sie einfach zu remastern und so nah wie möglich am Original zu bleiben.
Dank meiner Beteiligung an der Gestaltung der Cover der beiden letzten Alben von NEPTUNE habe ich mir einiges an Wissen über moderne Grafiktools angeeignet. Wenn man also das CD-Cover mit der alten Kassette vergleicht, sieht man, wie viel Aufwand in die detailgetreue Nachbildung gesteckt wurde.
Ray Alex’ Stimme ist absolut einzigartig – eine Mischung aus John Lawton und Elvis, wie du auch mal beschrieben hast. Was machte das Arbeiten mit ihm für dich als Gitarrist besonders?
Ich glaube, für ihn war nichts unmöglich. Wir konnten Songs in jeder Tonart schreiben, und er schaffte es immer mühelos. Nachdem wir den Leadgesang aufgenommen hatten, sagte er: ‘Ich füge einfach noch ein paar Spuren hinzu*, und dann noch ein paar mehr – bis uns buchstäblich der Platz ausging. So war Ray: Wer mehr kann, sollte mehr tun.
‘Rain’ eröffnet das Album richtig stark – ein Song, der sofort hängen bleibt. Weißt du noch, wie der Track entstanden ist? Und hattet ihr damals schon das Gefühl, dass das mal ein Album-Opener werden würde?
Wenn man sich die Originalversion des Songs anhört (nur auf Kassette in meinem Studio), kann sie deutlich vom Endergebnis abweichen. Ich glaube, am Anfang war es eher gitarrenlastig, aber mit dem Engagement aller entwickelt sich der Song ganz natürlich weiter. Daher ist es immer wichtig, offen für Feedback und Input zu bleiben – sonst ist es kein wirkliches Gemeinschaftsprojekt. Ich denke, letztendlich haben wir uns bei der Songauswahl einfach für das entschieden, was sich richtig anfühlte.
Ich muss gestehen: ‘Love Is A Stranger’ ist ein echtes Highlight für mich. Für AOR-Fans ein Muss! Wer hatte da die Songidee – und war das schon damals euer “Radio-Hit” in spe?
Die Originalversion von ‘Love is a Stranger’ hatten Ray und ich ein paar Jahre zuvor geschrieben, als er bei einer Band namens WEST END sang. Sie waren auf dem Weg ins Studio, um ein paar Songs aufzunehmen, die sie schon vor Rays Einstieg geschrieben hatten. Also rief Ray mich an und sagte: ‘Ich brauche in zwölf Stunden einen neuen Song – dann gehen wir ins Studio. Mach Kaffee auf, ich bin in 30 Minuten bei dir.’. Wir wurden nicht ganz rechtzeitig fertig, also ging ich schließlich mit ihm ins Studio und bearbeitete die letzten Teile in ihrer Studiolounge, während sie an den anderen Tracks arbeiteten.
Als wir am JAR-Album arbeiteten, kam dieser Song wieder auf, und wir übergaben ihn Toshs magischen Händen, um ihn so zu formen, dass er besser zum Sound von JAR passte. Ich hatte schon immer eine besondere Vorliebe für ‘Love is a Stranger’, und ich glaube, Ray auch – er schlug sogar vor, es unter dem Namen ‘Where is the Stranger’ neu aufzunehmen, als wir NEPTUNE neu auflegten.
In ‘Cowboy’ hört man Pferde wiehern und Vögel zwitschern – ein starker Einstieg! Wer hatte die Idee zu diesem etwas anderen Songaufbau, und war das schon damals euer kreativer “Fun Track”?
Ray hatte schon immer ein Faible für Elvis Presley und Country-Musik. Eines Tages kam er auf die Idee für ‘Cowboy’, die definitiv außerhalb meiner und Toshs Komfortzone lag. Wir würden es heute wahrscheinlich anders machen, aber wie du schon sagtest, verleiht es der Produktion eine lustige Note.
‘Dreamland’, ‘Hold U In My Arms’ und ‘Harder Than Tears’ zeigen eure gefühlvolle Seite. Wie schwer ist es, solche emotionalen Songs zu schreiben, ohne dass es kitschig wirkt?
Gute Frage. Ich denke, die Antwort liegt bei Tosh, der jedes Detail auf den Kopf stellt, um das gewünschte Gefühl zu erreichen. Das braucht Zeit – aber es lohnt sich. Eine lustige Randbemerkung: ‘Harder Than Tears’ ist eigentlich ein Spin-off von ‘Rain’. Es ist vielleicht nicht offensichtlich, aber wir haben ‘Rain’ einmal in seine Kernbestandteile zerlegt, um zu sehen, ob wir es überarbeiten könnten. Wie bereits erwähnt, war es anfangs gitarrenlastiger, aber während dieses Prozesses kamen uns neue Ideen, aus denen schließlich ein neuer Song entstand – ‘Harder Than Tears’.
Die Tatsache, dass das Album auf 500 Stück limitiert ist, macht es besonders – was war der Gedanke dahinter? War von Anfang an klar: “Das ist was für Sammler und echte Fans”?
Ja, uns wurde bereits früh mitgeteilt, dass es sich um eine limitierte Auflage speziell für Sammler und AOR-Liebhaber handeln würde. Ich kann außerdem erwähnen, dass noch einige Originalkassetten übrig sind, die wir in unserem Shop eingestellt haben.
Du bist nicht nur Gitarrist, sondern auch für Arrangements und Sounddesign zuständig – wie war es, das alte Material nochmal neu anzufassen, ohne die ursprüngliche Magie zu verlieren?
Ich wollte mehr machen – das wollte ich immer –, aber wir waren uns einig, nichts zu ändern, außer es für die CD neu zu mastern. Es zum ersten Mal wieder zu hören war wie nach Hause kommen und natürlich hat es viele Gedanken geweckt…
Wenn du heute, über 30 Jahre nach der Originalveröffentlichung, auf das Album hörst: Gibt’s einen Song, der dich persönlich besonders berührt – sei es musikalisch oder emotional?
Ja, es gibt mehrere Songs. ‘Love is a Stranger’ liegt mir besonders am Herzen, gerade wegen seiner Geschichte mit Ray. Natürlich liegen mir auch ‘Rain’, ‘Grown Up in a City’ und ‘Seriously’ sehr am Herzen.
Abschließend: Wenn Ray heute hier wäre und “In Truth We Trust” in dieser Form erleben würde – was, glaubst du, würde er sagen? Und wie sehr lebt seine Energie heute noch in euch und eurer Musik weiter?
Ich glaube, Ray wäre stolz, und ich bin sicher, er hätte uns dazu gedrängt, einen Nachfolger zu “In Truth We Trust” zu machen. Ray begleitet uns immer noch bei allem, was wir tun – sowohl bei JAR als auch bei NEPTUNE –, weil er ein so wichtiger Teil beider Bands war. Seine Energie lebt in vielem weiter, was wir schaffen. Er ist sogar bei all unseren Neptune-Konzerten dabei – seine Stimme ist Teil des Intros zum Song ‘Enemies’.
Danke dir, Anders – für deine Antworten, eure Musik und den Mut, ein Stück Rockgeschichte neu aufleben zu lassen. Die letzten Worte gehören dir – was möchtest du unseren Leserinnen und Lesern mit auf den Weg geben, die vielleicht gerade erst JAR für sich entdecken?
Wie du schon sagtest, ist “In Truth We Trust” nur in einer limitierten Auflage erhältlich. Wenn du also Sammler bist und das Booklet und alle weiteren Infos haben möchtest, schau doch einfach im Pride & Joy Shop vorbei. Ich sollte auch erwähnen, dass es ein paar halbfertige Tracks mit Ray am Gesang gibt, die wir gerade prüfen – ob sie fertiggestellt werden können. Leider reicht es nicht für ein komplettes Album, aber vielleicht für ein paar Singles … mal sehen.
Interview: Tobias Stahl
Photocredits: JAR