
MAESTRICK
Titel: ESPRESSO DELLA VITA: LUNARE
Label: FRONTIERS MUSIC
Spieldauer: 78:34 Minuten
VÖ: 02. Mai 2025
Die brasilianischen Progressive Metaller MAESTRICK veröffentlichen ihr neues Studioalbum “Espresso Della Vita: Lunare”, ein Album wie ein Horrorfilm-Soundtrack mit Atmosphäre en masse, sarkastischen Lyrics, abwechslungsreichem Songwriting und vielseitigen Einflüssen.
Wir haben es mit dem zweiten Kapitel eines Konzeptalbums zu tun, welches eine wilde, eintägige Zugreise als Metapher für das Leben in zwei Hälften teilt. Die ersten zwölf Stunden wurden im Vorgänger mit dem Untertitel “Solare“ (Tag) behandelt, nun folgen die übrigen zwölf der Nacht.
MAESTRICKs Musik ist cinematisch, symphonisch, dramatisch und theatralisch. Viele Bands behaupten von sich, musikalische (Genre-)Grenzen zu überschreiten, verschieben oder zu ignorieren, aber diese wilde Truppe aus São Paulo setzt dies wirklich in die Tat um. Sie sehen sich als Geschichtenerzähler und musikalische Illustratoren und tauchen tief hinein in Filmmusik, Emotionen und ungewöhnliche Kompositionen, Instrumentierungen und Wendungen.
Auf das kurze Intro folgt die flotte Cabaret-artige Power Metal Einleitung `Upside Down´ und die Vorabsingle `Boo!´ mit einem Gastauftritt von Tom Englund (Evergrey, Silent Skies), der für den wohl härtesten Song der Platte sorgt, in dem auch Orgel und Theremin, Trap-Beats und Growls zum Einsatz kommen.
“Lunare” ist eine ambitionierte und atemlose Reise durch die völlig losgelöste, künstlerische Vision des Vierers. `Ghost Casino´ und `Mad Witches´ integrieren Groove und Jazz in den Swing Prog Sound zum Fingerschnippen inklusive Blechbläsern, Piano und singenden Showgirls. Der Song `Agbara´ beginnt mit afro-brasilianischen Rhythmen, die im Laufe des Stücks aufgegriffen werden und überrascht mit einem Gastbeitrag von Jim Grey, Leadsänger der australischen Progger Caligula’s Horse, sowie teilweise portugiesischen Textparts.
Insbesondere Sänger Fábio Caldeira legt dabei eine beeindruckende Performance an den Tag. Den genannten Tracks stehen zeitgemäße Prog Metal Brecher wie das grandiose zwölfminütige Epos `The Root´ mit Spannungsfeldern zwischen Stakkato-Riffing und Streichern und das ebenso mitreißende `Lunar Vortex´ mit Gastvocals von Roy Kahn (Conception, Ex-Kamelot) gegenüber.
Außergewöhnliche Arrangements, großes musikalisches Können und zahllose Einflüsse, wohin das Auge schaut, machen ein frisches, kurzweiliges und emotionales Album aus, das in seinen Texten düstere Themen wie Sucht, Rassismus, Missbrauch in Beziehung setzt zu dem, was wirklich zählt im Leben.
Einzig das achtzehnminütige Finale `The Last Station´ zwischen Ballade, Symphonic und heavy Prog beinhaltet etwas zu wenig Action für meine Begriffe, aber wer mit einem guten Schuss Melodramatik und Pathos leben kann, wird hier fast achtzig Minuten lang gefesselt und entdeckt bei jedem Durchlauf neue Elemente. Es kommt keine Langeweile auf und man stellt sich quasi andauernd die atemlose Frage: „Was kommt als nächstes?“
MAESTRICK gießen die filmische Kunst von Regisseuren wie Tim Burton, George Méliès, Guillermo del Toro und Christopher Nolan in Musik wie eine szenische Darstellung, eine Mischung aus modernem Rock/Metal zwischen Muse und Haken, aber auch Fans von Dream Theater, Jinjer und Acts wie Queen, Yes, Rush und Gentle Giant dürfen sich angesprochen fühlen. Als etwas unbekannterer Acts, der Ähnliches vollbringt, kommen mir höchstens noch die US Progger Immortal Guardian in den Sinn. Großartig!
Michael Gaspar vergibt 8,5 von 10 Punkten